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Weltweit senden Tiere ihre Daten mit Dresdner Technik

Icarus 2.0 ist das bislang größte Projekt zur Tierbeobachtung. Weltweit senden tausende Tiere ihren Standort mit Dresdner Technik über Satellit - und sie warnen so auch vor Katastrophen, die den Menschen treffen könnten.

Von Stephan Schön
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Die Wege der Zugvögel wurden bislang mit beringten Jungvögeln erforscht. Mit richtigen Minisendern wollen die Icarus-Forscher noch genauere Daten sammeln.
Die Wege der Zugvögel wurden bislang mit beringten Jungvögeln erforscht. Mit richtigen Minisendern wollen die Icarus-Forscher noch genauere Daten sammeln. © SZ/Thomas Lehmann

Dresden. Es geht um die geheimen Routen der Vögel, das Nachtleben der Nashörner, die Futterstellen der Flughunde. Und sehr viel mehr. Wissenschaftler weltweit starten das bisher größte Tierbeobachtungsprogramm Icarus nun erneut, geleitet vom Konstanzer Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie (MPI). Die für dieses Projekt entscheidende Satellitentechnik und die Mini-Sender kommen aus Dresden und Leipzig.

Bereits 2.000 Tiere hatten seit 2020 solche Minisender bekommen. Die Daten wurden zur Internationalen Raumstation gefunkt. Die Empfangstechnik dafür wurde in Dresden an der TU entwickelt. Sie befindet sich am russischen Teil der ISS. Seit dem russischen Überfall gibt jedoch keine Daten mehr.

Jetzt startet Icarus erneut, aber anders. Soeben wird in München ein Kleinsatellit Cubesat gebaut. Die Nachrichtentechnik dafür, die Sendeprotokolle, kommen von der HTWK Leipzig. Marco Krondorf ist an dieser Hochschule Professor. In seinem Labor befinden sich Sende- und Empfangsanlagen.

Er nutzt die identischen Chips und Schaltungen, wie sie später im All fliegen werden. Es sind identische Funksignale, wie sie später die Tiere senden. Im Leipziger Labor entsteht die neue Kommunikation zwischen Wildnis und Menschen. Die Algorithmen der Datenübermittlung wurden bereits entwickelt. Noch in diesem Monat beginnen die Tests und dauern bis Februar. Mit SpaceX soll der Satellit dann im November 2024 ins All gebracht werden.

Winzige, nur fünf Gramm leichte Sensoren und zugleich Sender funkten die daten ins All.
Winzige, nur fünf Gramm leichte Sensoren und zugleich Sender funkten die daten ins All. © MPI -AB

Der Mini-Satellit wird die Daten der bereits vorhandenen Tier-Sender und vieler tausend weiterer empfangen, kündigt Icarus-Koordinatorin Uschi Müller vom MPI an. Die Rohde & Schwarz Inradios GmbH in Dresden wird so wie bisher diese Sensoren mit integriertem Sender fertigen, sagt Firmengründer und Geschäftsführer Steffen Bittner. Die bisherigen Sender seien fünf Gramm.

Künftige sollen nur noch etwa halb so viel wiegen. In diesen Miniatursendern verpackt ist ein Solarmodul, der Akku, das GPS für Standort und Fortbewegung. Sensoren für Temperatur, Feuchtigkeit und Luftdruck. Über den Satelliten lassen sich diese Mini-Sender später bei Bedarf auch umprogrammieren. Wo auch immer die Tiere sich dann befinden.

Der Cubesat, der all die daten der Tiere ab kommenden Jahr empfangen soll und an die Forscher auf der Erde weitergibt.
Der Cubesat, der all die daten der Tiere ab kommenden Jahr empfangen soll und an die Forscher auf der Erde weitergibt. © OroraTech GmbH München

Das Verhalten der Tiere soll so auf eine neue Art erforscht werden. Vor allem, um bedrohte Arten besser schützen zu können. Ein erstes Großprojekt weltweit werden 2025 die Rußseeschwalben sein, kündigt Uschi Müller an. Sie sind extreme Flieger, die auch im Flug schlafen. „Wir wollen herausfinden, was sie in den ersten vier Lebensjahren machen und wo sie die größten Probleme haben.“

Und noch etwas könnten diese Super-Vögel den Menschen mitteilen: „Rußseeschwalben sind mit ihrem Verhalten ein Indikator für die Tsunami-Vorhersage.“ Es ist bekannt, dass Tiere Stunden bis Tage vor Erdbeben und Vulkanausbrüchen ihr Verhalten ändern. Wirklich geholfen hat das bisher für die Frühwarnung nicht. Das soll sich ändern, wenn die Icarus-Daten künftig in Echtzeit zur Verfügung stehen. Weltweit und kostenlos.