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Forscher aus Dresden arbeiten mit weltweit neuer Technik gegen Krebs

Eine bisher unerreicht präzise Protonenbestrahlung und MRT-Bilder werden zusammengebracht. Dies ist weltweit neu, und Dresden setzt sich damit an die Spitze.

Von Stephan Schön
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Professor Aswin Hoffmann leitet das Dresdner Forschungsteam, welches nun ein weltweit einzigartiges Großgerät hat. Noch befindet sich ein wassergefülltes Testobjekt auf der Liege. Erste Patienten könnten in fünf bis sechs Jahren hier behandelt werden.
Professor Aswin Hoffmann leitet das Dresdner Forschungsteam, welches nun ein weltweit einzigartiges Großgerät hat. Noch befindet sich ein wassergefülltes Testobjekt auf der Liege. Erste Patienten könnten in fünf bis sechs Jahren hier behandelt werden. © Ronald Bonß

Dresden. Forscher und Ärzte bekommen morgen in Dresden ein neues, experimentelles Großgerät. Wenn ihnen damit die klinische Nutzung gelingt, haben sie ein weltweit einzigartiges Werkzeug gegen Krebs.

Ein Protonenstrahl soll mittels Echtzeitbildern und Daten von der Magnetresonanztomografie (MRT) präzise wie bisher nicht möglich den Tumor bekämpfen. Das bedeutet, weniger gesundes Gewebe um den Tumor herum wird bei der Bestrahlung geschädigt. Eine Krebsbehandlung an kritischen, auch derzeit nicht erreichbaren Stellen wird möglich bei deutlich geringeren Nebenwirkungen.

Zwei eigentlich nicht miteinander vereinbare Techniken, die sich gegenseitig stören, müssen dazu kombiniert werden: Protonenbestrahlung und ein Ganzkörper-MRT. Dieses erste Großgerät seiner Art wurde bei Oncoray in Dresden aufgebaut, dem Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie. Morgen wird es von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an die Forschung übergeben. 5,4 Millionen Euro wurden investiert, 90 Prozent davon trägt der Bund.

Umhüllt von einer stählernen Wand befindet sich das neue MRT-PT mitten im Forschungsbunker.
Umhüllt von einer stählernen Wand befindet sich das neue MRT-PT mitten im Forschungsbunker. ©  Ronald Bonss

„Dieses Gerät ist für uns gebaut worden. Über jedes einzelne Detail haben wir dabei nachgedacht“, sagt Aswin Hoffmann, Medizinphysik-Professor und am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf tätig. Zu dem gehört das neue Großgerät. Und dort ist auch Hoffmanns Forschungsgruppe „Experimentelle MR-integrierte Protonentherapie“ tätig. Hoffmann selbst hat maßgebliche Ideen geliefert, wie dieses mehrere Meter große Gerät funktionieren soll.

„Es gibt derzeit keine Möglichkeit, den Tumor während der Protonen-Bestrahlung in Echtzeit zu verfolgen“, erklärt Aswin Hoffmann. Alles, was sich bewegt wird damit zum Problem. Von der Speiseröhre über Lunge, Leber, Herz bis zur Prostata. MRT-Echtzeitbilder aus dem Körper können anders als Röntgenbilder das Weichgewebe detailliert darstellen, auf den Millimeter genau. Der Protonenstrahl soll anhand dessen positioniert werden. Er schaltet sich aufgrund der Live-Bilder nur dann zu, wenn der Tumor genau im Fokus liegt. Bewegt er sich Millimeter davon weg, dann stoppt die Bestrahlung.

Derzeit beträgt der sogenannte Sicherheitssaum fünf bis zehn Millimeter. „Das möchte ich ganz klar reduzieren", sagt Esther Troost, die als Professorin mit ihrem Team ebenfalls an der Verbesserung der Strahlentherapie forscht und Dekanin der Dresdner TU-Medizin ist. „Jeder Millimeter, den wir uns sparen können, zählt.“

Viele noch völlig offene Fragen gibt es, weil dies international Neuland ist, sagt Esther Troost. „Wie wirkt das MRT-Magnetfeld auf das Gewebe, wenn dieses bestrahlt wird?“ Und sie kündigt an: „Der nächste Schritt werden bewegte Testobjekte sein. Solche, die zum Beispiel die Atmung simulieren.“

Das ganz große Ziel ist die bessere Krebstherapie mit höheren Überlebenschancen. Wenn alles gut geht, dann können hier, wo jetzt die Forschung beginnt, Patienten behandelt werden. In fünf bis sechs Jahren, so schätzt Aswin Hoffmann. Bereits 2025 wird hier in einer sehr viel kleineren Anlage eine klinische Studie beginnen.

So leer wie hier ist es längst nicht mehr im Forschungskeller der Dresdner Protonenanlage. Das Zyklotron rechts im Bild beschleunigt Protonen auf etwa 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Dann wird dieser Strahl mit Magneten bis in den Behandlungsraum der
So leer wie hier ist es längst nicht mehr im Forschungskeller der Dresdner Protonenanlage. Das Zyklotron rechts im Bild beschleunigt Protonen auf etwa 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Dann wird dieser Strahl mit Magneten bis in den Behandlungsraum der © HZDR / Oncoray

Dass jemand weltweit sehr schnell dies kopiert und Dresden überholen könnte, scheint Aswin Hoffmann unwahrscheinlich. Denn Dresden hat einen weiteren entscheidenden Vorteil. Der befindet sich im Keller, dort wo das Zyklotron, ein Protonenbeschleuniger, arbeitet und wo sich auch Behandlungs- und Forschungsräume befinden. „Die meisten Experimentalräume an Protonentherapie-Anlagen sind relativ klein. So etwas in dieser Größe kann aktuell nur in Dresden installiert werden.“