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Keiner ist so nah am Mund der Patienten

Zahnärztin Grit Pecina aus Radebeul und ihre Kollegen haben einen besonderen Job. Sie pendelt sogar zwischen zwei Praxen und versorgt schmerzende Zähne.

Von Peter Redlich
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Zahnärztin Grit Pecina in Radebeul und ihre Schwestern bewahren die Ruhe und helfen, wenn der Zahn schmerzt.
Zahnärztin Grit Pecina in Radebeul und ihre Schwestern bewahren die Ruhe und helfen, wenn der Zahn schmerzt. © Arvid Müller

Radebeul. Eigentlich ist schon Mittagspause. Kurz nach 12 Uhr. Und Zahnärztin Grit Pecina und ihre Schwester Anja Brehm müssen auch noch in eine andere Praxis. Doch der Patientin, die gerade noch zur Tür hereinkommt, ist anzusehen, dass sie Hilfe braucht. Üble Zahnschmerzen plagen die ältere Dame.

Also noch mal den Mundschutz übers Gesicht gezogen. Neue Gummihandschuhe übergestreift. Die Behandlungsstation mit dem Stuhl auf Start hochgefahren. Instrumente wie Spiegel, Pinzette und Sonde bereitgelegt. Die Radebeuler Zahnärztin 20 Minuten später: "Der Zahn musste gezogen werden. Es ging nicht anders. Jetzt hat die Frau Ruhe." 

Der Zahn musste raus

Wer dachte, dass jetzt die große Stille in der Zahnarztpraxis in der Bahnhofstraße in Radebeul-West  eintritt, der hat sich geirrt. "Wir verlegen zwar, was nicht unbedingt notwendig ist. Zumeist aber melden sich die Patienten selbst und fragen nach", sagt die schlanke Frau mit der dunklen Brille. Gerade wieder klingelt das Telefon bei Schwester Anja - eine Patientin will ihren geplanten Termin auf Mitte Mai verlegen. In der Hoffnung, dass die Welt sich dann wieder etwas normaler dreht. 

Für die Dentistin und ihre Mannschaft ist, wie für viele Berufskollegen, derzeit vieles nicht normal. Die Patienten bitten, einzeln einzutreten und sich sofort die Hände zu desinfizieren, ist darunter nur das Geringste. Normalerweise arbeitet Grit Pecina gemeinsam mit ihrer Mutter Dr. Karin Pecina in Radebeul und auf der Wurzener Straße in Dresden. Doch Karin Pecina hat sich aus Sicherheitsgründen in die Heimquarantäne zurückgezogen.

Sogar noch mit einem Lächeln

Die Wurzener Straße im Stadtteil Pieschen ist eine dicht besiedelte Gegend - logisch, dass es hier auch schmerzende Zähne gibt. Also behandelt die Tochter jetzt am Vormittag in der Lößnitzstadt, am Nachmittag zehn Kilometer weiter in der Landeshauptstadt. Dass das Stress bedeutet, ist Grit Pecina kaum anzumerken. "Ich halte das ziemlich gut aus", sagt sie und bekommt sogar noch ein Lächeln über die Lippen.

Spielzeug für die kleinen Patienten im Warteraum. Und im Großen ist die teure Zahnarztausrüstung ein gehöriger Kostenfaktor, der in den nächsten unsicheren Wochen auch beglichen sein will.
Spielzeug für die kleinen Patienten im Warteraum. Und im Großen ist die teure Zahnarztausrüstung ein gehöriger Kostenfaktor, der in den nächsten unsicheren Wochen auch beglichen sein will. © Arvid Müller

Starke Nerven braucht die Zahnärztin in diesen Wochen allerdings nicht nur, wenn sie in Corona-Zeiten lediglich wenige Zentimeter vom Mund der Patienten entfernt mit dem Bohrer arbeitet. Sie muss auch viel mehr Tagesorganisation hinkriegen. Eine Praxishilfe betreut ihr Kind zu Hause und fällt aus. Grit Pecina hat selbst einen Sohn, der jetzt nicht zur Schule geht. "Er ist zwölf und kommt klar", sagt sie. 

Ihre beiden Schwestern wechseln sich in der Praxisarbeit ab. Vor allem aber macht sie sich Gedanken um die nächsten Wochen, wenn die Zahl der Patienten wirklich drastisch abnehmen sollte.

Die Kosten laufen weiter. Zahnarztausrüstungen sind sehr teuer. Was in den Räumen steht, kann schnell den Wert eines Einfamilienhauses erreichen. "Ich muss wohl auch Kurzarbeit für meine Mitarbeiterinnen beantragen", sagt sie. Und in all den schwierigen Tagen sei die Kasse der Zahnärztlichen Vereinigung auch keine echte Hilfe. Schutzausrüstung werde von dort nicht ausreichend zur Verfügung gestellt. Zugleich gibt es aber Vorschriften, wie zu öffnen und wann Urlaub zu machen sei, so die Radebeulerin. Grit Pecina: "Wenn ich das selbst bestimmen kann, je nach Patientenzahl, wäre mir wirtschaftlich wesentlich mehr geholfen."

Eine Party, wenn es vorüber ist

Das Pecina-Team lässt sich solche Sorgen allerdings nicht anmerken - jedenfalls nicht gegenüber Patienten. Die Mittagspause fällt an diesem Behandlungstag kürzer aus. Die Tasche für den Wechsel in die Pieschner Praxis ist gepackt. 

"Und wenn dieser ganze Corona-Ärger vorbei ist, dann freue ich mich auf eine richtig gute Party mit meinen Freunden", sagt Grit Pecina und macht sich auf zum nächsten Schmerzzahn.

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