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Seelentröster hinterm Lenkrad

Homeoffice ist für Busfahrer Hagen Lorenz aus Döbeln kein Thema. Auch in der Corona-Krise muss er pünktlich sein. Inzwischen ist er aber besser geschützt.

Von Gabriele Fleischer
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Hagen Lorenz hat Glück. Im Bus, mit dem er gerade auf Tour ist, schützt ihn jetzt eine stabile Glasscheibe vor Ansteckung mit dem Virus. Regiobus Mittelsachsen rüstet nach und nach alle Busse so um.
Hagen Lorenz hat Glück. Im Bus, mit dem er gerade auf Tour ist, schützt ihn jetzt eine stabile Glasscheibe vor Ansteckung mit dem Virus. Regiobus Mittelsachsen rüstet nach und nach alle Busse so um. © Dietmar Thomas

Region Döbeln. Mit einem Schwung fährt Hagen Lorenz seinen Bus mit der Linien-Nummer 750 um die Kurve zur Zentralhaltestelle in Döbeln zwischen Straße des Friedens und Zwingerstraße. Er biegt nicht zu den Wartenden ein, sondern stellt sein Fahrzeug am äußersten Rand ab.

Es ist 12 Uhr, und nach sechs Stunden Dienst hat er sich eine Mittagspause verdient. Zeit auch für einen Plausch mit der Sächsische.de-Reporterin. Der 43-Jährige kommt gerade aus Freiberg.

„Es lief alles störungsfrei“, sagt er. Die meisten seiner Fahrgäste seien einsichtig und würden Maske tragen, auch nach so vielen Monaten noch. Natürlich gebe es mal Meckerer, mit denen er sich auseinandersetzen müsse. Aber handgreiflich sei noch keiner geworden, sagt Lorenz.

Mancher hätte einfach nur einen schlechten Tag erwischt. „Wer uneinsichtig bleibt, den lasse ich notfalls an der Haltestelle zurück. Aber ohne Mund- und Nasenschutz kommt nun mal niemand in den Bus“, sagt Lorenz.

Wenn er für seine pünktlichen Fahrten auch mal gelobt wird, dann freut ihn das natürlich. Gerade in diesen Zeiten tue das besonders gut. „Ich bekomme sogar ab und zu ein Stück Schokolade“, erzählt der Familienvater.

Nicht selten aber ist er auch Seelentröster. Vor allem ältere Leute, die niemanden zum Reden haben, Kinder und Enkel vielleicht gerade nicht sehen, würden ihm manchmal ganze Lebensgeschichten erzählen.

Inzwischen hätte er sich an all die Hygienevorschriften gewöhnt, gewöhnen müssen. „Dass wir bald zur Normalität zurückwollen, ist keine Frage. Aber bis dahin sind eben gewisse Regeln wichtig.“

Regiobus Mittelsachsen: Tausende Euro für Corona-Schutz

Trotzdem kann Lorenz kaum glauben, dass die Pandemie nun schon mehr als ein Jahr dauert. Nachdem am Anfang die Fahrgastzahlen fast vollständig eingebrochen waren, würden jetzt wieder mehr Leute einsteigen. Noch sind es längst nicht so viele wie vor Corona. „50 Prozent davon sind es jetzt“, schätzt Lorenz. Zeitweise seien es nur 25 oder sogar 20 Prozent gewesen.

Viele, die sonst regelmäßig die Busse nutzen, würden immer noch oder schon wieder fehlen: Schulkinder, die entweder zu Hause am Computer sitzen oder von den Eltern gefahren werden, Berufstätige, die im Homeoffice arbeiten, Kurzarbeiter, Leute, die Angst haben. Auch Einkaufstouren wie in die Kreisstadt Freiberg sind weggefallen. Langsam, ganz langsam steige die Anzahl derjenigen aber wieder, die mitfahren.

„Sie wollen einfach mal woanders hin, und wenn es nur im Kreisgebiet ist, sagt Lorenz, der nur einen Teil seiner Arbeitszeit hinter dem Lenkrad sitzt. Die restlichen Tage arbeitet er als Dispatcher im Innendienst. Genug zu tun – trotz Pandemie.

Noch vor einem Jahr gab es für die Busfahrer keinen Schutz. Während des Anfangs der Corona-Pandemie gab es vorn keinen Zutritt.
Noch vor einem Jahr gab es für die Busfahrer keinen Schutz. Während des Anfangs der Corona-Pandemie gab es vorn keinen Zutritt. © Archiv/Dietmar Thomas
Weiterhin gilt in den Bussen eine FFP2-Maskenpflicht in den Bussen von Regiobus Mittelsachsen.
Weiterhin gilt in den Bussen eine FFP2-Maskenpflicht in den Bussen von Regiobus Mittelsachsen. © Dietmar Thomas

Denn es fahren nicht weniger Busse. „Wir brauchen ja Abstand zwischen den Sitzreihen“, sagt Lorenz, der wie seine Kollegen penibel auf das Einhalten des Fahrplans achtet. Angst, sich anzustecken, hat der Döbelner nie gehabt.

Zum Glück hätte es auch nur sehr wenige positive Corona-Fälle bei den Fahrern gegeben: „Von 80 waren das vielleicht fünf. Gefahren wurde trotzdem immer pünktlich.“ Inzwischen trennt Hagen Lorenz eine Scheibe vom Fahrgastraum, nicht mehr nur ein Flatterband oder Folie. 1.000 Euro kostet eine solche Sonderanfertigung aus Glas. Geld, das Regiobus zusätzlich ausgibt.

Genauso wie für ausreichend Desinfektionsmittel, Masken und Tests für die Fahrer. Einmal in der Woche ist das Pflicht. „Die Berufsgenossenschaft hat sich das Hygienekonzept angeschaut und musste nichts beanstanden“, so Lorenz.

Schwarzfahren war zeitweise bei Gästen verbreitet

Noch sind nicht alle der 50 Busse umgerüstet. Das dauert. Wegen der verschiedenen Fahrzeugtypen ist jede Trennscheibe direkt am Fahrersitz eine Einzelanfertigung. Die schützt nicht nur, sondern macht es auch möglich, dass wieder beim Fahrer bezahlt werden kann.

Das war lange Zeit nicht so. Wer weder Dauerkarte noch Handyticket hatte und dort eingestiegen ist, wo kein Fahrscheinautomat steht, fuhr auch mal schwarz. „Das mussten wir in dieser Situation zähneknirschend hinnehmen“, sagt Lorenz.

Doch schon, als überall in den Bussen eine Folienabtrennung angebracht war, wurde wieder normal kassiert und auf die fürs Unternehmen wichtigen Einnahmen geachtet.

Hagen Lorenz schaut auf die Uhr. Er will noch was essen, ehe der zweite Teil seiner Schicht beginnt. Dann wartet die Linie 904 auf ihn. Von Döbeln fährt er nach Roßwein und auf den Feierabend zu. Die Pandemie macht da keine Ausnahme.

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