Wer an der Zittauer Kantstraße entlanggeht, blickt einerseits nun auf freie Flächen statt Häuser. Der Schutt des letzten Gebäudes ist seit Ende Juni weg, auf dem Boden wächst allmählich Wiese. "Wir waren im Zeitplan, es hat alles zuverlässig funktioniert", berichtet Uta-Sylke Standke von der Wohnbaugesellschaft, Eigentümerin der Grundstücke. Die vom Unternehmen beauftragte Abrissfirma beschreibt sie als zuverlässigen Partner, deren Mitarbeiter professionell umgingen - auch mit Neugierigen.
Der Wegfall von fünf Häusern und damit 84 Wohnungen, welche die Deutsche Eisenbahnbaugesellschaft aus Breslau im Rahmen eines Wohnbauprogramms des Dritten Reiches um 1936 errichtete, hat schließlich für Aufsehen gesorgt. Voriges Jahr waren die ersten beiden Häuser mit den Nummern 16 bis 20 sowie 28 bis 32 verschwunden, 2023 folgten die 6 bis 8, 10 bis 14 und 22 bis 26.
Denkmalschützer wie Thomas Göttsberger vom Stadtforum kämpften seit Bekanntgabe der Pläne für den Erhalt der Gebäude, deren Abriss Uta-Sylke Standke unter anderem mit der schlechten Bausubstanz und dem Leerstand von Tausenden Wohnungen in Zittau begründete. So starteten die Denkmalschützer eine Petition, die sich an Oberbürgermeister und Stadt als indirekten Eigentümer der Wohnbau richtete. Doch die 550 Unterschriften konnten das zu der Zeit schon beschlossene Vorhaben nicht verhindern. Ebenso wenig wie der über das Stadtforum vermittelte Investor, der sich laut der Geschäftsführerin nie bei ihr gemeldet hat. Thomas Göttsberger behauptet hingegen, dass sie jegliche Gespräche abgelehnt hat.
"Leider ist die Wertigkeit historischer Bausubstanz offensichtlich nicht jedem Zittauer Entscheidungsträger bewusst", sagt er. "Dies führt zu fatalen Entscheidungen, die kommende Generationen nicht nachvollziehen werden können." Einerseits war die Bausubstanz nach seiner Aussage nicht so schlecht wie behauptet, andererseits musste die Wohnbau laut Thomas Göttsbergers Berechnung noch rund 461.000 Euro an Eigenmitteln für den Abriss aufbringen. Der Rest stammt vom Rückbauprogramm des Freistaates, das mit 50 Euro pro Quadratmeter 28 bis 30 Prozent der Kosten deckte. Die Gesamtausgaben nannte Uta-Sylke Standke nie, weil angefragte Unternehmen im Wettbewerb untereinander stehen. Zur Berechnung des Denkmalschützers sagt sie jedoch: "Die Summe stimmt nicht."
Auch der Umgang mit den zuletzt entdeckten historischen Dachkugeln bestürzt die Denkmalschützer. Wenigstens diese hätten geborgen werden können, findet Thomas Göttsberger. In einer sollen Zeugnisse aus der Zeit um 1936 gewesen sein. "Der Geschäftsführung der Wohnbau fehlt dafür offensichtlich jegliches Bewusstsein", meint er. Die wiederum beauftragte nach Bekanntwerden die Abrissfirma mit der Bergung, bei der die laut Uta-Sylke Standke marode Kugel aus dünnem Zinkblech zerfiel. Nach ihren Angaben befanden sich keine Gegenstände darin.
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Für Thomas Göttsberger steckt in alten Gebäuden enormes Potenzial. Sie können neu und kreativ genutzt werden, ohne weiteres Land in Anspruch zu nehmen. "Wir brauchen schon wegen des Klimaschutzes eine Denkweise, die auf Pflegen und Reparieren abzielt", sagt er. Zumindest im Sinne der Tierwelt hat die Wohnbau gehandelt: So ließ sie einen Teil der gepflanzten Ligustern umsetzen und die zur Kantstraße erhalten - als natürliche Grundstücksgrenze. Auf die freien Flächen kam Saatgut für Blühwiesen. "Aber sie brauchen eine Zeit, sich voll zu entfalten", sagt die Geschäftsführerin.
Grün bleiben die Grundstücke nach dem Abriss mindestens zehn Jahre, denn daran geknüpft sind die Fördermittel. "Eine lange oder kurze Zeit gemessen an den politischen Rahmenbedingungen zum Neubau von Stadtvillen mit ansprechenden und vor allem zeitgemäßen Grundrissen", erklärt sie. Diese könnten nämlich danach an der Kantstraße entstehen. Nur: "Die Bau- und Finanzierungskosten sind hoch, die Förderungen sporadisch und am besten sollen die Mieter nichts bezahlen müssen."