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Brand in Seifhennersdorf: Ein erster Hoffnungsschimmer für den Bahnhof

Das Bahnhofsgebäude muss nach dem Feuer notgesichert werden. Aber wer macht das? Die Polizei sucht indes weiter den Brandstifter.

Von Frank-Uwe Michel & Jana Ulbrich
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Vor allem der Mittelteil des Bahnhofsgebäudes in Seifhennersdorf hat durch den Brand stark gelitten.
Vor allem der Mittelteil des Bahnhofsgebäudes in Seifhennersdorf hat durch den Brand stark gelitten. © Matthias Weber/photoweber.de

Der Brandstifter ist noch nicht gefasst. "Die Ermittlungen laufen", erklärt Anja Leuschner von der Görlitzer Polizeidirektion. Viel mehr kann sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Nur so viel noch: Bisher gab es einen Zeugenhinweis, dem die Ermittler nachgegangen sind. Und dringend werden nun weitere Zeugen gesucht, die vielleicht irgend etwas bemerkt haben in jener Nacht zum 31. Mai - Mittwoch vor zwei Wochen, als gegen 1.40 Uhr das historische Bahnhofsgebäude in der Grenzstadt Seifhennersdorf in Brand gesteckt wurde und in Flammen aufging.

Seit jener Nacht ist der Mittelteil des denkmalgeschützten Bahnhofs nur noch eine Ruine. "Wir wissen, dass das Gebäude jetzt dringend notgesichert werden muss", sagt Seifhennersdorfs Bürgermeisterin Karin Berndt (parteilos). Aber zu den Eigentümern, die nicht in der Region leben, gibt es so gut wie keinen Kontakt. Karin Berndt wirkt resigniert: "Da hat sich seit elf Jahren nichts getan und ich mache mir keine Illusionen, dass sich jetzt etwas ändert."

Die Behörden könnten für die Notsicherung selbst per Ersatzvornahme sorgen und die Kosten den Besitzern des Gebäudes in Rechnung stellen. Die Stadt aber werde dieses Risiko nicht eingehen können, sagt die Bürgermeisterin. "Wir befinden uns in der Haushaltskonsolidierung. Ich wüsste nicht, wie wir das finanzieren sollten, wenn wir tatsächlich auf den Kosten sitzen bleiben."

In der Nacht zum 31. Mai wurde das Bahnhofsgebäude in Seifhennersdorf durch ein Feuer teilweise zerstört. Nun muss es dringend notgesichert werden.
In der Nacht zum 31. Mai wurde das Bahnhofsgebäude in Seifhennersdorf durch ein Feuer teilweise zerstört. Nun muss es dringend notgesichert werden. © Blaulichtreporter Zittau

Dieses Misstrauen kommt nicht von ungefähr. Seit Jahren versucht die Stadt, die Eigentümer der Immobilie zu erreichen. Im Januar 2012 hatten sie sich im Stadtrat vorgestellt und Zukunftspläne geschmiedet. Seither ist aber nichts passiert. Einer der beiden ist Michael Renn. Der andere war Burkhardt Philipp. Er ist inzwischen verstorben, eine Erbengemeinschaft an seine Stelle getreten. Sie zu erreichen, ist schwierig.

Einst hatten die beiden Geschäftsleute den Seifhennersdorfer Bahnhof als Ausgangspunkt für touristische Elektromobilität gesehen. Entstehen sollten Elektrotankstellen für Fahrräder, Dreiräder und Autos. Auch der Verleih und Verkauf von Elektro-Rädern, -Boards, Scootern und dergleichen sollte möglich werden. Umsetzen wollten sie das mit ihrer Firma Bikeboard GmbH, die in Berlin bereits in diesen Feldern aktiv war.

Im Internet finden sich nur wenige, sehr lückenhafte Spuren des Unternehmens. So taucht es zum Beispiel auf der Wirtschaftsplattform Northdata auf - als Teil eines Firmengeflechts, in deren Mitte Michael Renn steht. Als letzter Eintrag findet sich eine auf den 7. Juni 2021 datierte Löschungsankündigung. Gibt man die Bikeboard GmbH bei Google ein, erscheint der Vermerk "dauerhaft geschlossen".

Nicht nur dort war Renn Geschäftsführer, sondern ist es noch bei der Conceptdrive GmbH, unter deren Namen er einst auch Mails an die Seifhennersdorfer Stadtverwaltung schrieb. Bei Northdata wird der Firmenzweck mit dem Handel und der Entwicklung von Mobilität und E-Mobilität beschrieben. Hinweise auf einen Internetauftritt oder eine Telefonnummer gibt es nicht. Bei Creditreform, einer anderen Wirtschaftsdatenbank, ist zumindest eine Webadresse vermerkt: www.conceptdrive.de. Klickt man darauf, erscheint der Hinweis: "Die aufgerufene Domain ist derzeit nicht erreichbar."

Renn ist laut Northdata aber auch Chef der ebenfalls in Berlin ansässigen MR Forstwirtschaft UG, die sich mit dem Ein- und Verkauf von Holzprodukten sowie Maschinen aller Art beschäftigt. Zum Portfolio gehören zudem der An- und Verkauf von Immobilien und landwirtschaftlichen Wirtschaftsflächen. Damit aber nicht genug, denn der umtriebige Geschäftsmann ist als Prokurist ebenso in die Gross Kreutz Immobilien UG involviert, die sich auf die Vermittlung, Vermietung und Verpachtung von Objekten konzentriert. Geschäftsführer ist hier Robert Choinka. Er könnte das entscheidende Bindeglied zwischen den Eigentümern des Bahnhofes und den Seifhennersdorfer Bürgern rund um Olaf Forker werden, die sich um die Rückübertragung des Gebäudes bemühen.

Denn seit Montag steht der rührige Seifhennersdorfer mit Choinka in Verbindung. Anfangs von Unternehmerseite noch zurückhaltend, später aber mit einem ersten zaghaften Erfolg für die Unentwegten aus der Grenzstadt: Den Kontakt zu Renn könne er zwar nicht vermitteln, so Choinka. Allerdings erklärte er sich bereit, selbst das Thema Bahnhof anzuschneiden. Stunden später die entscheidende Nachricht per WhatsApp: "Ich habe mit Herrn Renn gesprochen. Ich werde eine Bewertung für Gebäude und Grundstück erstellen und komme dann mit einem Angebot auf Sie zu." Dass dies offenbar nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, zeigt eine weitere Nachricht an Olaf Forker: "Sie können sich gerne schon auf die Suche machen nach Geldgebern, Investoren oder Finanzierung."

Olaf Forker mit seiner Tochter Jasmin. Der Seifhennersdorfer hat das Bahnhofsfest am vergangenen Wochenende organisiert und jetzt Kontakt mit den Eigentümern aufgenommen.
Olaf Forker mit seiner Tochter Jasmin. Der Seifhennersdorfer hat das Bahnhofsfest am vergangenen Wochenende organisiert und jetzt Kontakt mit den Eigentümern aufgenommen. © Matthias Weber (Archiv)

Da offenbar auch die Erbengemeinschaft Philipp einverstanden ist mit dem Weiterverkauf des Bahnhofsgebäudes, könnte die Sache jetzt Fahrt aufnehmen. Auch Forker und seine Mitstreiter machen Druck, wollen schnellstmöglich den Verein gründen, der die Immobilie erwerben soll. "In der Satzung wollen wir einen Passus verankern, der die Übertragung an die Stadt vorsieht, sobald die finanziell wieder in der Lage ist, sich darum zu kümmern."

Weil dies aufgrund der laufenden Haushaltskonsolidierung nicht absehbar ist, will der künftige Verein als neuer Eigentümer in spé die Notsicherung selbst in Angriff nehmen. Zuerst müsse das kaputte Dach wieder geschlossen werden, so Forker. Hier sieht er die Spendenbereitschaft der Bürger gefordert. Später, so seine Idee, könnten in der Stadt ansässige Unternehmen aktiv werden, auf eigene Kosten Teilbereiche sanieren und danach in Schauräumen ihre Leistungen präsentieren.

Seit vergangenem Sonntag halten wieder Züge in Seifhennersdorf. Der heruntergekommene Bahnhof ist beim Ausstieg allerdings ein trauriger Anblick.
Seit vergangenem Sonntag halten wieder Züge in Seifhennersdorf. Der heruntergekommene Bahnhof ist beim Ausstieg allerdings ein trauriger Anblick. © Matthias Weber/photoweber.de

Sollte der jetzt aufflackernde Hoffnungsschimmer doch noch erlöschen, könnte die Untere Denkmalbehörde des Landkreises aktiv werden. Weil das historische Bahnhofsgebäude auf der Liste der technischen Baudenkmale des Kreises Görlitz als "repräsentatives Gebäude in mehreren Teilen, baugeschichtlich und ortsgeschichtlich von Bedeutung" gelistet ist, wäre die Behörde ein Partner für die Notsicherung.