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Wenn Schrottimmobilien zum Ärgernis werden

Überall in den Städten und Gemeinden gibt es Gebäude, die allmählich verfallen. Das stört nicht nur Anwohner, sondern wird für die Kommunen zur Belastung. So gehen Mittelherwigsdorf, Zittau und Großschönau damit um.

Von Frank-Uwe Michel
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Steffen Grimm ist sauer, dass das frühere Milchgut in Eckartsberg immer mehr verwildert und verfällt.
Steffen Grimm ist sauer, dass das frühere Milchgut in Eckartsberg immer mehr verwildert und verfällt. © Matthias Weber/photoweber.de

Steffen Grimm steht der Ärger ins Gesicht geschrieben. Vor ein paar Jahren ist der junge Mann nach Eckartsberg gezogen. In die dörfliche Idylle, mit Ruhe und beschaulichem Umfeld. Wohlfühlen ist also angesagt. Wenn nicht das alte Milchgut in der Nachbarschaft wäre. Das Püschel-Gut, wie es im Ort genannt wird.

Von der Geschwister-Scholl-Straße, die vom Krematorium aus hoch zum "Balkon von Zittau" führt, ist das riesige Gebäude gut zu sehen. Vor Jahren war hier schon mal teilweise die Stützmauer eingestürzt. Die ist zwar im Moment intakt. Alles andere in dem großen Grundstück aber verfällt. Längst sind die Fensterscheiben eingeschlagen, ganz zu schweigen vom bröckelnden Putz, den Löchern im Dach, durch die Wasser in das Gebäude dringt. "Nachts wedeln die Fensterflügel hin und her, im Haus selbst haben sich allerlei Tiere einquartiert. Ich befürchte, dass das zum Abenteuerspielplatz wird."

Steffen Grimm beobachtet den Verfall seit Jahren, hat - obwohl er niemanden fragen konnte - zweimal im Jahr die wuchernde Wiese am Grundstücksrand gemäht. Einst, hat man ihm erzählt, hat Napoleon hier gestanden und seinen Blick über Zittau schweifen lassen. "Ob das stimmt, weiß ich natürlich nicht. Angeblich hat ihm das Fleckchen so gut gefallen, dass er es kaufte." Wer der heutige Eigentümer ist, kann der Eckartsberger nur vermuten. Vor Jahren soll ein Franzose das Anwesen erworben haben. "Ich habe ihn auch mal gesehen - das ist aber wirklich schon einige Zeit her." Danach sei ein Hausmeisterdienst vor Ort gewesen. "Seit zwei oder drei Jahren ist aber gar nichts mehr passiert."

Angeblich soll es sich bei dem Besitzer um jenen Mann handeln, über den die SZ im September 2008 als neuen Eigentümer eines Teils des früheren Robur-Werkes am Zittauer Bahnhof berichtete. 6.000 Quadratmeter, teils wild von Pflanzen überwuchert, teils von Schutt übersät, die marode Werkhalle mittendrin. Wo der Franzose aufgeht, ob es ihn noch gibt, er das Milchgut inzwischen wieder abgestoßen hat, lässt sich nicht nachprüfen. Marc Plüschke vom Bauamt der Gemeindeverwaltung Mittelherwigsdorf bedauert: Es gebe keinen Ansprechpartner, an die bekannte Adresse verschickte Mails kämen wegen Unzustellbarkeit zurück. Auch Kämmerin Stephanie Bräuer kann keine Auskunft geben. Zwar werde die Grundsteuer für das Objekt bezahlt. Aber ob sie vom Eigentümer überwiesen werde - sie wisse es nicht.

Schrottimmobilien in Zittau: Bis zu 30 Fälle pro Jahr

In Mittelherwigsdorf ist das verfallende Milchgut kein Einzelfall. Laut Marc Plüschke befinden sich bis zu 20 Gebäude im Brachenkataster der Gemeinde - alle mehr oder weniger baufällig und in schlechtem Zustand. Man versuche, den Besitzern klar zu machen, dass sie für ihre Immobilie verantwortlich sind. Doch dies sei eine aufwendige, selten von Erfolg gekrönte Prozedur.

Ähnlich schwierig sieht der Umgang mit sogenannten Schrottimmobilien in Zittau aus. Laut Stadtsprecher Kai Grebasch geht es hier in 25 bis 30 Fällen pro Jahr um marode Bausubstanz mit öffentlicher Gefährdung. Durchschnittlich zehn Mal müsse die Stadt Ersatzvornahmen anordnen und Sicherungsarbeiten veranlassen. Bei einigen Objekten liefen die sogar über mehrere Jahre.

In Großschönau umfasst die "schwarze Liste" etwa 20 Objekte. "Das sind Gebäude, wo Forderungen aufgelaufen oder die Besitzer nicht greifbar sind", erläutert Bürgermeister Frank Peuker (parteilos). In mehreren Fällen sei es der Gemeinde bereits gelungen, den Schandfleck entweder zu beseitigen oder zu neuer Blüte zu führen. Aber: "Das ist eine Tippel-Tappel-Tour. Sehr zeitaufwendig in der Bearbeitung. Und es dauert gefühlt ewig, bis man einen Erfolg erzielt."

Das einst heruntergekommene Haus, in dem sich heute die Vital Quelle befindet, wurde vor Jahren von der Gemeinde Großschönau ersteigert und danach an einheimische Gewerbetreibende weiterverkauft.
Das einst heruntergekommene Haus, in dem sich heute die Vital Quelle befindet, wurde vor Jahren von der Gemeinde Großschönau ersteigert und danach an einheimische Gewerbetreibende weiterverkauft. © Matthias Weber/photoweber.de

Als Beispiele führt der Rathauschef ein Objekt in Großschönau und eins in Waltersdorf an. Direkt hinter dem "Quirle-Häusl" gab es einst die Bekleidungswerke Waltersdorf - im Volksmund Bewa genannt. Nach einer Zwangsversteigerung übernahm die Gemeinde das Gelände, die maroden Gebäude wurden abgerissen - und es entstand der heutige Naturpark-Garten. Ähnlich die Entwicklung des imposanten Hauses an der Großschönauer Hauptstraße, in dem jetzt die Vital-Quelle untergebracht ist. "Früher war das ein Einkaufszentrum, später Sitz von NKD und anschließend eine Spielhölle", erinnert sich Peuker. Auch dieses Objekt ersteigerte die Gemeinde, verkaufte es aber an einheimische Gewerbetreibende. Heute ist das Haus ein Schmuckstück und durch seine Nutzung gut frequentiert.

Manchmal hilft nur die Zwangsversteigerung der Immobilie

Bis zu einer solchen Verwandlung ist es jedoch ein steiniger Weg. Zuerst gelte es, sich im Grundbuch die aufgelaufenen Forderungen zu sichern, erklärt der Bürgermeister, natürlich auch die übergeordneten Behörden des Landkreises und bei alten Gebäuden in der Regel den Denkmalschutz mit einzubeziehen. "Denn Eigentum ist in Deutschland besonders geschützt. Solange keine Gefahr für den öffentlichen Raum besteht, ist kein Herankommen." Man müsse dem Eigentümer - wenn er denn bekannt ist - signalisieren: Jetzt wird es ernst. Das gehe bis zur Zwangsversteigerung - zum Beispiel wenn die Grundsteuern in Größenordnungen nicht beglichen wurden. "Wir als Gemeinde müssen sämtliche Schritte nachweisen - selbstverständlich auch, dass wir alles versucht haben, uns zu einigen."

Sind der Eigentümer oder dessen Erben unbekannt, kann das Gericht auf Betreiben der Gemeinde einen sogenannten Abwesenheitspfleger bestellen. Seine Aufgabe ist es, die betreffende Immobilie im Interesse des Besitzers - auch wenn er nicht greifbar ist - zu verwerten. Der dabei erzielte Kaufpreis wird eine bestimmte Zeit lang für den Fall hinterlegt, dass der - dann - einstige Eigentümer doch noch auftaucht oder sich Erben melden. Am Verkauf der Immobilie und den neuen Eigentumsverhältnissen lässt sich dann aber nicht mehr rütteln.