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Leutersdorf geht beim Aufforsten eigene Wege

Nach dem Abholzen der Wälder werden jede Menge Jungpflanzen gebraucht. Die einzige große Baumschule im Kreis hat sich gegen deren Aufzucht entschieden. Das hat Gründe.

Von Frank-Uwe Michel
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An vielen Stellen müsste der dem Borkenkäfer zum Opfer gefallene Wald aufgeforstet werden. Dafür werden Pflanzen benötigt. Die Leutersdorfer Baumschulen steigen jedoch nicht in dieses Geschäft ein.
An vielen Stellen müsste der dem Borkenkäfer zum Opfer gefallene Wald aufgeforstet werden. Dafür werden Pflanzen benötigt. Die Leutersdorfer Baumschulen steigen jedoch nicht in dieses Geschäft ein. © André Schulze

Die Leutersdorfer Baumschule hat sich seit vielen Jahrzehnten unter Hobbygärtnern, aber auch Gartenarchitekten und professionellen Landschaftsbauern einen Namen gemacht. Sie ist die einzige große ihrer Art im Kreis. Hier gibt es Bäume und Gehölze jeglicher Art. Aber auch für kommunale und private Waldbesitzer? Kleine Fichten, Kiefern, Buchen oder Weiden, Pappeln, Birken, die in den kommenden Jahrzehnten einen möglichst schädlings- und trockenheitsresistenten Mischwald bilden sollen? "Natürlich gibt es diese Jungpflanzen bei uns auch, aber nicht aus eigener Produktion", erklärt Jens Freiberg. Denn: Zur Forstbaumschule werde sich das Unternehmen nicht entwickeln, sagt der Betriebsleiter.

Gedanklich hat man sich mit der Erweiterung des Produktportfolios zwar befasst. Nach reiflicher Überlegung aber Abstand genommen. Warum? "Die Böden hier sind nicht ideal dafür. Zur Aufzucht werden im Forstbereich eher lehmig-sandige oder direkt sandige Böden gebraucht. In Leutersdorf gibt es nur schwere Lehmböden, sogenannte Minutenböden", stellt der Fachmann klar.

Vor allem von Herbst bis Anfang März ist eine für Forstbaumschulen kritische Zeit. Dann werden die Jungpflanzen im Wald gebraucht, weil es wetterbedingt nur ein enges Zeitfenster gibt, in dem sie einigermaßen gut anwachsen können. Kurz zuvor müssen sie natürlich in der Baumschule geerntet werden. "Da ist der Boden aber zu nass, nicht krümelfähig. Fürs Aufforsten ist das gut. Aber wir könnten die kleinen Pflanzen kaum aus der Erde nehmen", erklärt Freiberg. Durch den Lehmboden fließe leider das Wasser nicht ab.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum sich die Leutersdorfer Baumschulen schwertun mit dem Thema. Den erklärt Zittaus Forstamtsleiterin Angela Bültemeier so: "Durch den Borkenkäferbefall wird zurzeit viel zu viel Holz in den Wäldern geschlagen. So viel, dass es in etwa fünf Jahren fast nichts mehr geben dürfte, was vermarktbar ist." Hier knüpft wiederum Jens Freiberg an. "Wenn die Waldbesitzer dann kein Geld mehr verdienen, können sie auch nichts ins Aufforsten investieren. Für sie und ihre Flächen wird die Situation dann dramatisch. Aber auch wir müssen aus wirtschaftlicher Sicht unsere Schlussfolgerungen ziehen."

Billige Produktion funktioniert auf Dauer nicht

Und die besagen: Der Schritt zur Forstbaumschule wäre mit zu großen Risiken verbunden. "Man braucht vier bis sechs Jahre Anlaufzeit, ehe verkaufsfähige Pflanzen zur Verfügung stehen. Wenn dann die Nachfrage einbricht, weil sich keiner mehr unsere Produkte leisten kann, ist das zweifellos nicht der richtige Weg", erklärt der Betriebsleiter.

Hier räche sich, argumentiert Freiberg weiter, dass in den vergangenen 30 Jahren auch im Forst die "Geiz ist geil"-Mentalität gang und gäbe war. Den Zuschlag habe immer der billigste Anbieter erhalten, egal wo die Pflanzen produziert wurden. "Regionalität spielte dabei leider gar keine Rolle." Dies funktioniere aber auf Dauer nicht, denn die Aufzucht koste Zeit und Geld. Vor allem, weil hier - klimatisch bedingt - längere Produktionszeiten und höhere Kosten auflaufen. In den vergangenen Jahren, so Freiberg, hätten deshalb bereits mehrere Forstbaumschulen in Sachsen das Handtuch geworfen, unter anderem auch zwei im Landkreis Görlitz. "So geht inzwischen viel Fachwissen verloren. Man braucht aber den sprichwörtlichen 'grünen Forstbaumschul-Daumen', um erfolgreich zu sein." Letztlich gehe es auch um die Anerkennung des unternehmerischen Tuns. "Aber da habe ich im Bund aktuell meine Zweifel."

Und es kommt noch ein drittes Problem hinzu: das Saatgut. Es gebe zwar Baumbestände, in denen geerntet werde. Auch hier im Kreis. Aber: "Die Qualität war in den vergangenen Jahren nicht so gut, wie es die Menge erwarten ließ. Die Ernte ist zudem teurer geworden, es fehlt an geschultem Personal mit Interesse an körperlicher Arbeit. Insgesamt sind es eben viele Schritte bis zur Saat", gibt Jens Freiberg zu bedenken.

Um die Lage zu verbessern, ist seiner Meinung nach auch der Staat gefragt. "Es braucht Signale aus der Politik, damit sich private Baumschulen engagieren können. Das heißt: Klare Anbauziele in den nächsten 10 bis 20 Jahren, den Abbau der Bürokratie und eine Pflanzenschutzgesetzgebung, die praktikabel ist." Solange der Freistaat mit Sachsenforst wirtschaftlich ein Mitspieler sei und eigene Forstbaumschulen unterhalte, werde sich aber nicht viel ändern.

Das Leutersdorfer Unternehmen geht inzwischen einen Mittelweg: Mit Jungpflanzen zuverlässiger und persönlich bekannter Betriebe wird gehandelt. Und: Die Landschaftsgärtner der Firma helfen im Forst mit beim Pflanzen und der Kulturpflege.