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Minna von Barnhelm: Köstliche Komödie in Zittau

Lessings Lustspiel hatte am Sonnabend Premiere im Gerhart-Hauptmann-Theater. Das Ensemble kann sich in der Inszenierung komödiantisch voll ausleben.

Von Ines Eifler
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Aleksandra Kienitz (l.) als Minna von Barnhelm mit David Thomas Pawlak. Im Hintergrund Katharina Stehr als Zofe Franziska.
Aleksandra Kienitz (l.) als Minna von Barnhelm mit David Thomas Pawlak. Im Hintergrund Katharina Stehr als Zofe Franziska. © Pawel Sosnowski

So ein durchweg lustiges Stück hat es im Zittauer Theater schon lange nicht mehr gegeben! Lessings Komödie "Minna von Barnhelm" behandelt wie viele Klassiker lebenswichtige Themen wie Liebe und Gleichberechtigung, sodass man sie zu allen Zeiten auf die Bühne bringen kann. Der Inszenierung von Sewan Latchinian ist das mit dem Zittauer Ensemble besonders gut gelungen.

Das deutet sich schon an, bevor es losgeht. Die Bühne von Stephan Fernau, der seit vielen Jahren an Berliner und anderen großen Theatern arbeitet, ist der Blick in eine elegante Hotellobby im Art-Deco-Stil: mit einer geschwungenen Treppe, mit Drehtür aus honigfarbenem Holz und Glas, mit Marmorsäulen, Klavier, stilechtem Kronleuchter und zur Tapete passenden Sesseln. Die Kostüme: aus den Goldenen Zwanzigern, als die Frauen stark wurden.

Gestraffte Fassung mit sprühendem Sprachwitz

Lessings 250 Jahre alter Text ist so gerafft und gestrafft, dass die geistreichen Dialoge auch für ein heutiges, mediengewohntes Publikum nur so vor Ironie und Sprachwitz sprühen, die kunstvolle Sprache aber dennoch erhalten bleibt. Die Fassung stammt von Regisseur Latchinian selbst, der als Schauspieler am Deutschen Theater begann, später Intendant in Senftenberg wurde und heute Künstlerischer Leiter der Hamburger Kammerspiele ist.

Schon der erste Auftritt von Minna (Aleksandra von Kienitz, l.) und Franziska (Katharina Stehr) in der Hoteldrehtür bringt das Publikum zum Lachen.
Schon der erste Auftritt von Minna (Aleksandra von Kienitz, l.) und Franziska (Katharina Stehr) in der Hoteldrehtür bringt das Publikum zum Lachen. © Pawel Sosnowski
Aleksandra Kienitz (vorn) macht aus Minna von Barnhelm eine resolute junge Verlobte voller Witz und Ironie.
Aleksandra Kienitz (vorn) macht aus Minna von Barnhelm eine resolute junge Verlobte voller Witz und Ironie. © Pawel Sosnowski
Paul-Antoine Nörpel in der Pose des Soldaten, die schon anachronistisch wirkt und seinen Herrn, den Major Tellheim (David Thomas Pawlak) wundert.
Paul-Antoine Nörpel in der Pose des Soldaten, die schon anachronistisch wirkt und seinen Herrn, den Major Tellheim (David Thomas Pawlak) wundert. © Pawel Sosnowski

Allein der erste Akt mit ursprünglich zwölf Szenen ist in wenigen actionreichen Minuten erzählt, in denen Gepäck und einzelne Habseligkeiten von der Treppe in die Lobby segeln und klar wird: Der unehrenhaft aus dem preußischen Militärdienst entlassene, kriegsverletzte Major Tellheim muss das Hotel aus Armut verlassen und deshalb den Ring seiner Verlobten versetzen.

Die wiederum weiß noch nichts von ihrem Glück, als sie kurz darauf mit ihrer Zofe in ebendiesem Hotel eincheckt und herausfindet, wie nahe Tellheim ist, den sie sucht. Weil sich der Major in seiner aktuellen Lage der Ehe mit Minna nicht gewachsen fühlt, will er die Verbindung lösen, während sie ihn um jeden Preis – unabhängig von Geld, Erfolg und Ehre – zurückhaben will. Doch dafür muss sie etwas tricksen.

Zittauer Ensemble wie gemacht für diese Komödie

Für die Inszenierung des tragikomischen Hin und Her zwischen großer Liebe, Zweifeln und moralischen Skrupeln ist Latchinian in Zittau auf ein Team getroffen, das großes komödiantisches Potenzial und sichtlich Spaß daran hat, dieses Stück zu spielen. Allen voran Aleksandra Kienitz als Minna mit ihrer Zofe Franziska alias Katharina Stehr, die einander die Bälle nur so zuspielen und schauspielerisch-pantomimisch enorm stark sind.

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Aleksandra Kienitz hat das in jüngeren Inszenierungen wie "Straße der Besten" oder den "Bremer Stadtmusikanten" immer wieder bewiesen, aber diese Rolle der resoluten jungen Frau, die alles daran setzt, ihren Verlobten zurückzugewinnen, ist noch einmal mehr wie für sie gemacht. Wie sie in fast militärischer Manier Befehle gibt, mit piepsiger Stimme Damen imitiert, die den Bauch einziehen, sich hüpfend freut, hinter die Szene schleicht, auch wenn sie nicht im Mittelpunkt steht, in Ohnmacht sinkt oder vielsagende Blicke ins Publikum wirft, ist ironisch immer leicht übertrieben, aber köstlich.

Katharina Stehrs Humor ist subtiler, bricht sich jedoch besonders im Zusammenspiel mit Paul-Antoine Nörpel als Tellheims Wachtmeister umso stärker Bahn, der in Worten, Gestik und Lachen keinen Zweifel daran lässt, wie sehr er die Zofe begehrt. Das erwidert sie nicht nur in einer toll gespielten Mischung aus Leidenschaft und Zurückhaltung. Sie muss auch mit imaginären Pistolen schießen, umsichtig Blumen vom Tisch nehmen, damit Minna darauf niedersinken kann, oder sich an Tellheims Bein geklammert über den Boden schleifen lassen. Auch die beiden Nebenfiguren – Ireneusz Rosinski als Wirt mit feinem Humor und Philipp Scholz als Offiziersparodie – sorgen immer wieder für Lachen im Publikum.

Ernste Rolle hat es schwerer

David Thomas Pawlak hat es in der Rolle des ernsten Tellheim nicht so leicht, sich zwischen den anderen allesamt komödiantischen Rollen zu behaupten, auch wenn er ihnen als Betrunkener oder in den Sessel Eingekeilter darin in nichts nachsteht. Hinter dem "Verschulden" des Majors im Krieg steht eigentlich eine gute Tat, die seinem hohen moralischen Anspruch entspricht und auch ein Grund für Minnas Liebe ist.

Die Inszenierung setzt jedoch weniger darauf, den inneren Konflikt Tellheims auszuleuchten. Themen wie soldatische Ehre, die Kritik daran, das Elend nach dem Siebenjährigen Krieg, auch die Bestechlichkeit, die Tellheim vorgeworfen wird, sind in Latchinians Inszenierung auf ein sinnvolles Minimum reduziert. Doch die Figur des Majors ist womöglich dadurch im Vergleich zu Minna ein wenig blass und der leise Eindruck entsteht, Tellheim könnte ihr in einer Ehe vielleicht tatsächlich nicht gewachsen sein, was Lessings postulierte Gleichberechtigung umkehren würde. Dem Erfolg der Inszenierung wird das keinen Abbruch tun.

Das Publikum ist sich dennoch uneins. Während ein großer Teil bei der Premiere am 16. März Szenenbeifall gibt, frenetisch applaudiert und "Bravo" ruft, sind einige enttäuscht, finden Lessings Stück als Klamotte verhunzt oder wundern sich über das Gelächter. Doch schon bevor das Stück 1767 große Erfolge feierte und zu den wichtigsten Komödien der deutschsprachigen Literatur wurde, nannte Lessing es "Lustspiel". Dem macht die Zittauer Inszenierung alle Ehre.