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"Holländer"-Regisseur bringt Erfahrung von den Bayreuther Festspielen mit nach Görlitz

Vom Publikum umjubelt, ist die Wagner-Oper seit Sonnabend im Theater zu sehen. Inszeniert hat sie Andreas Rosar, der seit 2009 immer wieder in Bayreuth arbeitet.

Von Ines Eifler
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Andreas Rosar, Regisseur der Oper "Der fliegende Holländer" auf der Bühne des Gerhart-Hauptmann-Theaters in Görlitz.
Andreas Rosar, Regisseur der Oper "Der fliegende Holländer" auf der Bühne des Gerhart-Hauptmann-Theaters in Görlitz. © Martin Schneider

Unter tosendem Applaus endete am 9. März die Premiere des "Fliegenden Holländers" von Richard Wagner am Görlitzer Theater – mit Christian Henneberg, Patricia Bänsch und Peter Fabig in den Hauptrollen. Regisseur der ergreifenden Inszenierung ist Andreas Rosar, der bereits "Des Simplicius Simplicissimus Jugend" in Görlitz inszeniert hätte, wäre im November 2022 nicht der Wasserschaden auf der großen Bühne dazwischengekommen.

Richard Wagner beschäftigt Andreas Rosar schon seit vielen Jahren. Seit 2009 wirkt er immer wieder an großen Opernaufführungen bei den Bayreuther Festspielen mit, zuletzt und aktuell auch dort am "Fliegenden Holländer".

Spielleiter in Bayreuth

Werden seine eigenen Inszenierungen der Werke verschiedener Komponisten an Theatern in Deutschland und der Schweiz aufgeführt, begann Andreas Rosar in Bayreuth bereits vor seinem Regiedebüt als Spielleiter und Regieassistent. "Dort habe ich eine Art Scharnierfunktion, wenn der Regisseur nicht mehr da ist", sagt er, "aber keine konzeptionelle Verantwortung."

Christian Henneberg spielt den Fliegenden Holländer in der gleichnamigen Oper im Theater Görlitz.
Christian Henneberg spielt den Fliegenden Holländer in der gleichnamigen Oper im Theater Görlitz. © Pawel Sosnowski
Im Hintergrund der Seefahrer Daland, gespielt von Peter Fabig vom Gerhart-Hauptmann-Theater.
Im Hintergrund der Seefahrer Daland, gespielt von Peter Fabig vom Gerhart-Hauptmann-Theater. © Pawel Sosnowski
Die Spinnstube wird in Andreas Rosars Inszenierung zu Sentas Puppenwelt. In der Mitte Johanna Brault als Mary.
Die Spinnstube wird in Andreas Rosars Inszenierung zu Sentas Puppenwelt. In der Mitte Johanna Brault als Mary. © Pawel Sosnowski
Christian Henneberg und Patricia Bänsch als Holländer und Senta.
Christian Henneberg und Patricia Bänsch als Holländer und Senta. © Pawel Sosnowski

So übernimmt er in Bayreuth die Vorbereitung und Betreuung von Wiederaufnahmen bestehender Inszenierungen. Darunter waren zum Beispiel "Tristan und Isolde" von Christoph Marthaler seit 2009, "Lohengrin" von Hans Neuenfels, der "Ring des Nibelungen" von Frank Castorf oder "Die Meistersinger von Nürnberg" von Barrie Kosky. Den "Fliegenden Holländer" inszenierte 2021 der russische Regisseur Dmitrij Tscherniakow bei den Bayreuther Festspielen. Seit 2022 und einigen Umbesetzungen kümmert sich Andreas Rosar um die Aufführungen.

Holländer zwischen nächtlichen Wolkenkratzern

Die Frage, ob es schwer sei, ein eigenes Regiekonzept zu einem Werk zu entwickeln, das man mehrfach nach den Ideen eines anderen geprobt hat, sagt er: "Ich schätze Dmitrij Tscherniakow sehr, aber seine 'Holländer'-Interpretation ist nicht mein Zugang." So sei es ihm leichter gefallen, sich davon zu entfernen.

Spielt die aktuelle Bayreuther Version der Oper in einer Kleinstadt mit Marktplatz und Kneipe und erklärt Tscherniakow den Fluch des Holländers durch den Suizid der Mutter, als er noch Kind war, so siedelt Andreas Rosar die Geschichte in einer sich durch Spiegel vervielfachenden Kulisse aus nächtlichen Wolkenkratzern mit erleuchteten Fenstern an.

Das Trauma, das zur Verlorenheit des Mannes führt, ist die seit der Kindheit immer wiederkehrende Erfahrung der Zurückweisung in der Familie und später durch Frauen, die in filmischen Traumsequenzen sichtbar wird. Senta, die sich in das düstere Schicksal des Holländers verliebt und mit ihm vergehen will, ist in Bayreuth eine junge Frau, die gegen das in ihrer Familie vorgelebte traditionelle Frauenbild rebelliert. In Görlitz versucht Senta dem vom Vater auferlegten Bild eines Mädchens in rosa Pantoffeln zu entfliehen, das noch mit Puppen spielt und zur Ehe verschachert werden soll.

Der Fluch heute

"Wenn wir uns heute mit dem Stoff beschäftigen, müssen wir fragen: Was ist eigentlich dieser Fluch, der den Holländer nicht zur Ruhe kommen lässt?", sagt Rosar. Auf der Görlitzer Bühne sieht man den Kapitän des Geisterschiffes mit einem Aktenordner in den Händen, sichtlich von Arbeit und Zahlen überlastet: einen Mann, der sich in Arbeit flüchtet, weil er Liebe und Nähe misstraut. Der, sobald er sich entschieden hat, lieber wieder Abstand nimmt, bevor er verletzt wird.

"Wir erzählen mit dem 'Fliegenden Holländer' von den Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten der Menschen", sagt der Regisseur. "Dabei sehe ich mich eher als Vermittler zwischen Stück und Publikum und inszeniere nicht, um meine persönliche Wahrheit zu verkaufen." Jeder einzelne Zuschauer habe ohnehin seine eigene Lesart und finde seinen individuellen Weg durch das Stück.

Vom Saarland in die Schweiz

Ursprünglich stammt Andreas Rosar aus dem Saarland, von der deutsch-französischen Grenze. "Mir gefällt auch an Görlitz besonders, dass es an einer Grenze liegt." Derzeit lebt er in Biel/Bienne, der größten zweisprachigen Stadt der Schweiz.

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Rosar wollte schon immer zum Theater, war schon früh Statist und Sänger im Extrachor, doch sein Weg zur Regie führte über einen Umweg: Zunächst studierte er Philosophie, Theologie und Germanistik in Mainz und Rom, zu praktischen Theatererfahrungen kam er parallel über Hospitanzen und Regieassistenzen. 2010 gab er sein vielbeachtetes Regiedebüt mit der Schweizer Erstaufführung von Händels "Ezio" am Theater Biel, dem er über mehrere Spielzeiten fest verbunden blieb.

Zusammenarbeit mit Frank Castorf

Seine "Antigona" gastierte mit großem Erfolg am Ungarischen Nationaltheater Szeged, wurde von Arte ausgezeichnet und erhielt eine Nominierung im Jahrbuch der Opernwelt 2011. Danach brachte Rosar Werke wie Tschaikowskys "Eugen Onegin" bei einer Tournee durch die gesamte Schweiz auf die Bühne, Mozarts "Cosi fan tutte" in Münster, Offenbachs "La Vie Parisienne" in Trier oder Verdis "Aida" in Plauen/Zwickau. Auch in Dortmund, Annaberg-Buchholz und bei verschiedenen Festivals hat er inszeniert.

Nach Bayreuth kam er durch eine Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin von Christoph Marthaler. "Sie suchten einen Spielleiter und waren mit mir einverstanden", sagt Andreas Rosar. Mit Marthaler habe er zwar nie selbst zusammengearbeitet; später mit Frank Castorf, dem langjährigen Intendanten der Berliner Volksbühne, hingegen über mehrere Jahre. "Von ihm kann man sich viel Gelassenheit und Unbedingtheit abschauen", sagt Rosar, "und miterleben, wie Inszenierungen zunächst abgelehnt und schließlich geliebt werden."

Nächste Vorstellung am Freitag, 15. März, 19.30 Uhr, im Görlitzer Theater.