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Was hat die Oberlausitz mit Kolonialismus zu tun?

Dass Kolonialismus und Rassismus im Kreis Görlitz tief verwurzelt waren, zeigen Beispiele aus Zittau und Bad Muskau - und ein neues Projekt des IBZ St. Marienthal.

Von Anja Beutler
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2016 besuchte der deutsch-ägyptische Autor Asfa-Wossen Asserate (vorn) das Grab von Machbuba. Das junge Mädchen hatte Fürst Pückler einst als Sklavin gekauft und in die Oberlausitz gebracht.
2016 besuchte der deutsch-ägyptische Autor Asfa-Wossen Asserate (vorn) das Grab von Machbuba. Das junge Mädchen hatte Fürst Pückler einst als Sklavin gekauft und in die Oberlausitz gebracht. © SZ-Archiv: Joachim Rehle

Ein Projekt zu kolonialer Vergangenheit in Sachsen ausgerechnet im Kreis Görlitz? Wo es zwar das Herrnhuter Völkerkundemuseum gibt, das bislang aber trotz anhaltender Herkunftsforschung keine besonders problematischen Stücke in seiner Sammlung ausmachen konnte? Und doch ist dieses Thema hier genau richtig, betont Mathias Piwko, der beim Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal das Projekt zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit leitet. Denn auch zum Kreis Görlitz - beispielsweise nach Zittau - gibt es zahlreiche Verbindungen, die ganz wesentlich mit dem Kolonialismus zu tun haben.

Piwko nennt zwei Namen, die das illustrieren: Paul Graetz aus Zittau und Ernst Wilhelm Pinkert aus Hirschfelde. Graetz war Offizier, Unternehmer und Verleger und hatte in einer Sache großen Ehrgeiz: Er wollte beweisen, dass man mit einem Automobil Afrika auf einer Ost-West-Verbindung durchqueren kann. Das schaffte er mit einer Reise, die von 1907 bis 1909 dauerte. "Möglich geworden ist das alles aber nicht nur durch seine Abenteuerlust, sondern durch den Kolonialismus", knüpft Mathias Piwko die Verbindung.

Noch deutlicher wird das bei Ernst Wilhelm Pinkert. Der Gastwirt gründete 1877/78 den Leipziger Zoo und veranstaltete dort auch sogenannte Völkerschauen. Dabei wurden unter Zwang verschleppte Menschen zur Schau gestellt, die aus anderen Erdteilen stammten und anders aussahen als ein durchschnittlicher Europäer. "Das rassistische Menschenbild, das dahintersteht, die Stereotype, waren hier in der Region genau wie überall in Deutschland weit verbreitet", verdeutlicht Piwko an diesem Beispiel. Für das Projekt einer "modellhaften Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit im ländlichen Raum Sachsens", ergeben sich so viele Anknüpfungspunkte. Erst recht, wenn man auch die verbreiteten Kolonialwarenläden betrachtet oder, dass ein Zittauer Textilbetrieb einst eine Plantage in Südafrika unterhielt.

Selbst bei Fürst Pückler, dessen Muskauer Park inzwischen Welterbe ist, finden sich genügend Anknüpfungspunkte: Von einer Orientreise brachte er die versklavte Abessienerin Machbuba mit nach Hause. Ihr Grab ist noch heute in Bad Muskau zu finden. Erreichen wollen das IBZ, dass dieses Projekt gemeinsam mit der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen trägt, aber nicht nur Lehrer und Schüler, sondern mit Workshops und Diskussionsforen eine möglichst breite Öffentlichkeit.