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Jetzt sind die Zittauer Grenzkameras scharf - so funktionieren sie

Seit Freitag werden die Grenz-Übergänge zu Polen auf der B178, der Friedens- und Chopinstraße in Zittau mit Video-Technik überwacht. In Görlitz hat sich das System bereits bewährt.

Von Thomas Christmann
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Die Kamerasäulen - wie hier an der Friedensstraße - in Zittau sind zwar nun in Betrieb, eine 24-Stunden-Überwachung durch die Polizei geht damit aber nicht einher.
Die Kamerasäulen - wie hier an der Friedensstraße - in Zittau sind zwar nun in Betrieb, eine 24-Stunden-Überwachung durch die Polizei geht damit aber nicht einher. © Jens Kaczmarek

Im Kampf gegen Kriminelle sollen nun Kameras an Zittaus Grenze zu Polen helfen. Am Freitag haben Vertreter von Freistaat, Landkreis, Stadt und Polizei die Technik in Betrieb genommen, die in den sieben Säulen an den Übergängen auf der B178, Friedens- und Chopinstraße verbaut ist. Diese liefert hochauflösende, lichtstarke und gerichtsfeste Bilder bis zu einer Distanz von 20 Metern. Und das bei allen Witterungsbedingungen, zu jeder Tages- wie Nachtzeit sowie unabhängig von der Geschwindigkeit von Fahrzeugen - ohne in den Verkehr einzugreifen.

Das berichtet Martin Reiner, der das dahinter steckende Personenidentifizierungssystem (Peris) verantwortet. Das hat die Polizeidirektion Görlitz mit einer Technologiefirma aus Bremen entwickelt und auf der Rennstrecke von Porsche in Leipzig ausgiebig getestet. Das Ergebnis der Fahrten: Selbst bei Tempo 300, unter Bengal-Feuer und Beschuss von Wasserwerfern blieben die Aufnahmen von Fahrer, Beifahrer und Kennzeichen scharf.

Die Videoüberwachung soll zur Prävention und Strafverfolgung dienen, die Kameras sind prinzipiell zu jeder Zeit im Einsatz. "Doch niemand wertet nonstop Live-Aufnahmen aus", berichtet Martin Rainer, der bis Oktober die dafür zuständige Soko Argus leitete. Zudem ist eine dauerhafte Überwachung in Deutschland datenschutzrechtlich nicht zulässig. Deshalb liegt der Fokus der Beamten auf Zeiträumen, die im Zusammenhang mit Straftaten stehen könnten. Die lassen sich die Nutzung der Daten sogar gerichtlich bestätigen, die über ein geschlossenes Glasfaser-Netz auf Servern des Reviers Zittau der Polizeidirektion Görlitz landen.

Mit dem System lassen sich auch Gesichter und Kennzeichen automatisch abgleichen. Doch davon machen die Polizisten laut Martin Rainer in 99,9 Prozent der Fälle keinen Gebrauch. Eine entsprechende Verordnung läuft auch Ende des Jahres aus. Bilder ohne einen Straftat-Zusammenhang werden vom System automatisch nach 96 Stunden gelöscht. "Das lässt sich durch uns auch nicht manipulieren", sagt er. Die Säulen selbst sind seewasser-, spreng-, brandgeschützt.

Zur Inbetriebnahme dabei: Der Präsident der Polizeidirektion Görlitz Manfred Weißbach, der erste Beigeordnete des Landkreises Thomas Gampe, Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker, der erste Kriminalhauptkommissar Martin Rainer und der Inspekteur der Polizei Petric Kleine (v. l. n. r.)
Zur Inbetriebnahme dabei: Der Präsident der Polizeidirektion Görlitz Manfred Weißbach, der erste Beigeordnete des Landkreises Thomas Gampe, Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker, der erste Kriminalhauptkommissar Martin Rainer und der Inspekteur der Polizei Petric Kleine (v. l. n. r.) © Jens Kaczmarek
Petric Kleine legte auch den Schalter des Stromkasten an der Friedensstraße in Zittau um, womit die Kamerasäulen an dem Standort in Betrieb gingen.
Petric Kleine legte auch den Schalter des Stromkasten an der Friedensstraße in Zittau um, womit die Kamerasäulen an dem Standort in Betrieb gingen. © Jens Kaczmarek
Martin Rainer erklärte Medienvertretern das System, das hinter der Videotechnik steckt.
Martin Rainer erklärte Medienvertretern das System, das hinter der Videotechnik steckt. © Jens Kaczmarek

Erfahrung mit Peris sammelt die Polizei seit 2019 in Görlitz, wo zehn stationäre Kameras und zwei mobile Geräte im Einsatz sind. "In den meisten Delikts-Bereichen waren wir fast blind", berichtet Martin Rainer zur Situation in der Stadt vor dem System. Unmittelbar danach erlebte er "dramatische Rückgänge" der Fall-Zahlen, zeitweise über 30 Prozent. Bis heute konnten dank der Videoüberwachung 931 verfahrensrelevante Treffer erzielt werden - Tendenz steigend: Allein 2023 lag die Zahl bei 375. Schwerpunkt: die Eigentumskriminalität.

In Görlitz haben Diebe beispielsweise regelmäßig Fahrräder über die Altstadtbrücke gebracht. Der Sachschaden wird allein in einem Quartal 2022 mit 230.000 Euro beziffert. Mittels Peris konnte eine Vielzahl der Straftaten aufgeklärt und Wiederholungstätern zugeordnet werden. "Was wir dauerhaft erreicht haben, ist eine geänderte Deliktstruktur", so Martin Rainer. "Es bagatellisiert sich mehr." So spielen Wohnungseinbrüche keine nennenswerte Rolle mehr, ebenso Raubstraftaten. Das System hat die Polizei auch schon genutzt, um in Fällen von Enkeltrickbetrug, bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz oder bei Tötungsdelikte zu ermitteln. Bis jetzt konnten Taten mit einem Schaden von über zehn Millionen aufgeklärt werden.

Martin Rainer spricht bei Peris deshalb von einem "Gamechanger", also einem Spieländerer oder -entscheider. Zittau ist in Sachsen der zweite Standort, der davon profitieren soll. Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) hatte die Videoüberwachung aufgrund der hohen Zahl von Eigentumsdelikten schon vor längerer Zeit gefordert. Er befürchtete zwischenzeitlich sogar, dass durch den Einsatz der Kameras in Görlitz die Kriminalität verlagert wird.

Nicht nur er wünscht sich ähnliche Aufklärungserfolge wie in Görlitz. "Wir erhoffen uns Abschreckung, ein besseres Gefühl der Sicherheit für unsere Einwohner", sagt Thomas Gampe, Erster Beigeordneter des Landkreises. "Wir sind zuversichtlich, dass die Kameras ihren Dienst hier genauso erfüllen." Weitere Peris-Standorte im Freistaat sind nicht geplant. "Und Technik allein klärt keine Straftaten auf", sagt Martin Reiner. Selbst wenn die gesamte sächsische Grenze mit Kameras bestückt werden könnte, hätte er noch nicht das Personal dazu.

Die Anschaffungskosten für Hard- und Software belaufen sich für den Freistaat in Zittau auf rund eine Million Euro. Dazu kommen weitere 460.000 Euro für das Strom- und Glasfasernetz. Polizei-Inspekteur Petric Kleine spricht von "gut angelegtem Geld für unser aller Sicherheit", um Straftaten im grenznahen Raum beweissicher aufzuklären.