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Lehrermangel: Seiteneinsteiger enttäuscht

Dominique Hausmann wäre gern Lehrer geworden. An seiner Schule hätte man ihn auch gern behalten. Aber das Schulamt Bautzen mutete ihm zuviel zu.

Von Jana Ulbrich
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Dominique Hausmann ist diplomierter Wirtschaftsingenieur - und wollte als Seiteneinsteiger Lehrer werden. Das wird der 30-Jährige nun doch nicht.
Dominique Hausmann ist diplomierter Wirtschaftsingenieur - und wollte als Seiteneinsteiger Lehrer werden. Das wird der 30-Jährige nun doch nicht. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Bestimmt wäre Dominique Hausmann ein guter Lehrer geworden. So jedenfalls empfindet es der 30-Jährige nach den zwei Monaten, in denen er schon vor einer Klasse stehen durfte. Und so schätzen das auch der Schulleiter, seine Mentorin und die anderen Kollegen ein, die in seinen Unterrichtstunden hospitiert haben.

Dominique Hausmann wird aber kein Lehrer. Ein halbes Jahr, nachdem er beim Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) in Bautzen seinen Arbeitsvertrag als Seiteneinsteiger unterschrieben hatte, hat er wieder gekündigt. Er pendelt jetzt von seinem Heimatort Spitzkunnersdorf wieder nach Hessen. Bei seinem vorherigen Arbeitgeber, einer Maschinenbaufirma in der Nähe von Frankfurt/Main, hat man sich über seine überraschende Rückkehr sehr gefreut.

"Ich konnte sofort und problemlos wieder anfangen", sagt Dominique Hausmann. Aber er kann seine Enttäuschung nicht verbergen. "Die Arbeit mit den Schülern hat mir riesengroßen Spaß gemacht", schwärmt er. "Es hat wunderbar funktioniert. Ich hab mich reingekniet, bin super mit den Schülern klargekommen, hatte auch immer ein positives Feedback von den Kollegen." Aber so, wie man beim Schulamt in Bautzen mit ihm umgegangen sei, und das, was man ihm dort zumuten wollte, sagt er, das habe er sich dann doch nicht antun wollen. Aber der Reihe nach:

Dominique Hausmann studiert an der Hochschule in Zittau Wirtschaftsingenieurwesen. Mit dem Diplom in der Tasche bekommt er einen gut bezahlten Job in Hessen. Weil es ihn aber zurück in die Heimat zieht, weil er eigentlich auch ganz gerne Lehrer geworden wäre, und weil er erfahren hat, dass an den Schulen der Oberlausitz auch Seiteneinsteiger gesucht werden, bewirbt er sich im Februar 2020 um eine Stelle an einer Oberschule im Raum Löbau-Zittau. Als mögliche Fächerkombination gibt der Wirtschaftsingenieur Physik und WTH (Wirtschaft/Technik/Hauswirtschaft) an. Das deckt sich gut mit dem, was er studiert hat, denkt er.

Auf seine Bewerbung aber folgt keinerlei Reaktion. "Als ich Monate später beim Lasub in Bautzen mal nachgefragt habe, sagte man mir, es gäbe gerade keinen Bedarf." Im Sommer 2020 bewirbt er sich ein zweites Mal, bekommt auch diesmal wochenlang keine Reaktion vom Amt, dann aber eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Man sagt ihm, er könne eine Stelle für WTH an einer Oberschule in der Nähe seines Wohnorts bekommen.

"Ich war richtig glücklich und voll motiviert", erzählt Dominique Hausmann. Er nimmt auch in Kauf, dass er zunächst nur eine befristete Anstellung für zwei Jahre bekommen soll. Dass er erst danach - wenn die Stelle entfristet wird - mit dem Studium für die noch benötigten Abschlüsse beginnen kann, das sieht er da noch nicht als das große Problem.

Vom Lasub bekommt er ein Schreiben, was er für seinen neuen Beruf noch studieren muss: Für das Fach WTH sind das "Ernährungswissenschaftliche Grundlagen" und "Wohnen und Textil". Auch sein Abschluss in Physik wird vom Schulamt nicht anerkannt. Außerdem muss er ja auch noch Fachdidaktik und Pädagogik studieren. Alles in allem, erklärt man ihm beim Schulamt, muss er dafür noch insgesamt mit fünf Jahren Studium rechnen. Auch das sieht er anfangs locker. Man hatte ihm ja beim Bewerbungsgespräch gesagt, der Schulleiter könne die Stelle entfristen, er könne dann auch sofort anfangen zu studieren.

Zehn Jahre bis zum Ausbildungs-Ende

Sein neuer Job beginnt mit einem dreimonatigen Crashkurs zu den wichtigsten Grundlagen der Pädagogik in Löbau. "Wir waren um die 13 Leute", erzählt Dominique Hausmann. "Die Ausbildung war richtig top. Die beiden Lehrerinnen haben uns so gut vorbereitet, wie sie nur konnten." Nach den drei Monaten beginnt er zu unterrichten: WTH in den Klassen 7, 8 und 9. Die Kollegin, die die Schule ihm als Mentorin zur Seite stellt, ist ihm eine tolle Hilfe. Im Kollegium ist er anerkannt. Er fühlt sich wohl.

"Ich dachte, das Studium kriege ich bestimmt auch parallel und schneller hin, wenn ich mich für das Lückenschlussverfahren entscheide und selber um die Studienplätze kümmere", erzählt er. Zwei Fächer gleichzeitig studieren darf er aber nicht: Zuerst kommt eine zweijährige wissenschaftliche Ausbildung für das erste Fach, danach ein Jahr schulpraktische Ausbildung, danach die zweite zweijährige wissenschaftliche Ausbildung für das zweite Fach.

"Ich hab dann also die Unis abgeklappert in Dresden und Leipzig - aber vergeblich: Einmal war kein Platz mehr frei, ein andermal fand der Kurs mangels Teilnehmern nicht statt, für einen nächsten gab es gerade keinen Professor, manche Kurse werden nur im Sommer- oder nur im Wintersemester oder nur alle zwei Jahre angeboten - ich hätte auch zwischendurch immer wieder Wartezeiten gehabt." Alles in allem, sagt Dominique Hausmann, hätte er in seinem speziellen Fall - die zwei Jahre befristete Anstellung eingerechnet - erst nach zehn Jahren als voll ausgebildeter Lehrer gegolten.

Bis dahin aber bekommt er nur ein niedrigeres Anfangsgehalt. Und selbst, wenn er das Studium dann geschafft hätte, würde er immer eine Lohngruppe tiefer stehen als ein vergleichsweise direkt ausgebildeter Lehrer - obwohl er am Ende dieselben Abschlüsse an derselben Uni in der Tasche hätte. "Und da bin ich dann 40", sagt er resigniert. Als Wirtschaftsingenieur verdient er schon jetzt deutlich mehr.

"Ich habe dann abgewogen und mich gefragt, ob ich mir das wirklich alles antun will", sagt er. "Da lässt man uns erst zwei Jahre ohne Ausbildung unterrichten - und dann dieser Marathon. Ich hätte ja dann auch nur Teilzeit arbeiten können. " Vom Schulamt sei er sehr enttäuscht, sagt er. "Man hatte mir anfangs auch einiges versprochen, das dann gar nicht stimmte - zum Beispiel, dass die befristete Stelle auch vorzeitig entfristet werden könnte." Am Ende, sagt Dominique Hausmann, habe er gekündigt. Unter anderen Bedingungen würde er aber gerne wiederkommen.

34 neue Seiteneinsteiger beginnen im September in der Oberlausitz

Beim Lasub bestätigt und verteidigt man diesen langen Werdegang für Berufsumsteiger: Das Sächsische Kultusministerium halte weiterhin an dem Einstellungsverfahren für Seiteneinsteiger fest, um den Bedarf an Lehrkräften decken zu können, erklärt eine Sprecherin. Der Weg, um als vollständig ausgebildete Lehrkraft anerkannt zu werden, sei dabei unterschiedlich und hänge von den Qualifikationen ab.

Nach Angaben aus dem Kultusministerium arbeiten inzwischen rund 2.600 Seiteneinsteiger an sächsischen Schulen. Wie viele wieder gekündigt haben, darüber könne man keine Auskunft geben, heißt es. In Löbau werden gerade 34 neue Berufsumsteiger in einem Crashkurs fitgemacht. Mit Beginn des neuen Schuljahres sollen sie dann an einer Schule in der Oberlausitz zu unterrichten beginnen.

Insgesamt sind an den Schulen der Oberlausitz zum neuen Schuljahr 140 offene Stellen zu besetzen. Wie viele davon drei Wochen vor Schuljahresbeginn noch unbesetzt sind - auch dazu will man im Schulamt noch nichts sagen. Die Einstellungsverfahren laufen noch.