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Erste Konsequenzen nach schweren Stürzen beim Bob-Weltcup in Altenberg

Top-Piloten stürzen, ein Anschieber schwebt in Lebensgefahr. Kurz vor der WM gibt es eine Sicherheitsdebatte. Die Forderung, die Rennen in Altenberg abzusagen, lehnt der Verband ab. Ein Weltklasse-Pilot zieht dennoch zurück.

Von Tino Meyer
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Der schwere Sturz des Schweizer Teams um Pilot Michael Vogt überschattet den Bob-Weltcup in Altenberg. Nun ist eine neue Sicherheitsdebatte entbrannt. Das britische Team um Brad Hall (kleines Foto) hat seinen Start für dieses Jahr nun abgesagt.
Der schwere Sturz des Schweizer Teams um Pilot Michael Vogt überschattet den Bob-Weltcup in Altenberg. Nun ist eine neue Sicherheitsdebatte entbrannt. Das britische Team um Brad Hall (kleines Foto) hat seinen Start für dieses Jahr nun abgesagt. © Archiv dpa-Zentralbild, Arvid Müller, SZ-Montage

Altenberg. Die Bob- und Rennschlittenbahn in Altenberg gehört zu den anspruchsvollsten der Welt, selbst für Top-Athleten ist der Eiskanal im Osterzgebirge eine Herausforderung - wie gleich das erste Training für den Bob- und Skeleton-Weltcup an diesem Wochenende (16. bis 18. Februar) wieder gezeigt hat.

Die Stürze der Weltklasse-Piloten Michael Vogt und Johannes Lochner, jeweils mit dem Viererbob in der Bahn, verbunden mit gravierenden Verletzungen haben eine neuer Sicherheitsdebatte in der Rennsportart Bob ausgelöst - und nun auch erste Konsequenzen. Toppilot Brad Hall und sein Team haben ihre Teilnahme an den Weltcup-Rennen am Samstag (17.2.) und Sonntag (18.2.) abgesagt.

"Der Rückzug soll unsere Solidarität mit der Schweizer Bob-Familie zeigen", teilte das Team Hall am Mittwochabend via Instagram mit. Es fühle sich nicht gut an, angesichts der Vorfälle zu starten und vom Fehlen der Konkurrenten womöglich zu profitieren. Gleichzeitig mahnte das Team festgelegte Sicherheitsstandards an. So sei ein Unfall, wie er tags zuvor in Altenberg geschehen ist, auf den Bahnen in Whistler oder Sigulda nicht möglich. "Unsere Nichtteilnahme soll zeigen, wie stark unser Wunsch nach Veränderungen ist. Wir lieben unseren Sport und hoffen auf eine positive Zukunft", so Team Hall.

Weltverband und Athleten treffen sich am Freitag

Mit dem Rückzug wolle man jedoch keinesfalls Druck auf andere Nationen ausüben, dem Beispiel der Briten zu folgen. Auch der Weltverband IBSF erklärte: "Das offizielle Training wird fortgeführt. Die Rennen werden gemäß Zeitplan stattfinden."

Thomas Schwab, Sportdirektor des deutschen Bob- und Schlittenverbandes sprach von einem "tragischen Unfall. Auf so einen Vorfall muss natürlich reagiert werden, und der Veranstalter in Altenberg wird entsprechende Maßnahmen einleiten, damit kein Bob, der stürzt, wieder den Zielauslauf hoch- und zurückrutscht - soweit man das sicherstellen kann."

Zudem soll es bereits am Freitag in Altenberg eine "Aussprache zum Thema Sicherheit im Bobsport" zwischen Athleten und dem Weltverband geben. "Man wird das sehr ernst nehmen und versuchen, auf die Dinge, die die Athleten vorbringen, zu reagieren", so Schwab in der Erklärung des deutschen Verbandes am Tag nach den zwei schweren Stürzen am Dienstag binnen weniger Stunden.

Beim Vormittagstraining am Dienstag stürzte zunächst Zweier-Weltmeister Lochner aus Berchtesgaden mit seinem Viererbob in der kniffligen Kurvenkombination 13/14. Entgegen dem ersten Eindruck, der Weltcupführende sei mit dem Schrecken davongekommen, erlitt er doch ernstere Verletzungen.

Weltmeister Lochner bangt um seinen WM-Start

"Johannes Lochner ist auf dem Weg nach München und hat morgen einen MRT-Termin, um seine Verletzung an der Halswirbelsäule untersuchen zu lassen", sagte Bundestrainer René Spies am Mittwoch. In jedem Fall muss Lochner, der vergangene Saison erstmals Zweierbob-Weltmeister wurde und mit dem früheren Dresdner Georg Fleischhauer als Anschieber der alles dominierende Mann ist, mindestens auf den Weltcup in Altenberg verzichten.

"Jetzt müssen wir schauen, ob es für die WM in Winterberg reicht", sagte Spies. Der Saisonhöhepunkt im Hochsauerland beginnt in der kommenden Woche.

Leichte Entwarnung gibt es indes für Lochners Anschieber Erec Bruckert, der bei dem Sturz aus dem Bob geschleudert und danach zur Untersuchung ins Krankenhaus gefahren wurde. Auch er fällt für den Weltcup aus, ein WM-Start scheint - Stand jetzt - offenbar möglich zu sein.

Bei der EM in Altenberg vor einem Jahr zusammen auf dem Podest: die Europameister Johannes Lochner und Erec Bruckert (oben rechts) sowie die Zweitplatzierten Michael Vogt und Sandro Michel (oben links).
Bei der EM in Altenberg vor einem Jahr zusammen auf dem Podest: die Europameister Johannes Lochner und Erec Bruckert (oben rechts) sowie die Zweitplatzierten Michael Vogt und Sandro Michel (oben links). © Arvid Müller

Mit schwerwiegenderen Folgen endete am Dienstagnachmittag dagegen der Sturz des Schweizer Teams um Pilot Michael Vogt. Wie der Schweizer Verband "Swiss Sliding" bekanntgab, verletzte sich Anschieber Sandro Michel dabei schwer.

Demnach kippte der Bob, mit rund 130 km/h in diesem Trainingslauf der Schnellste, ebenfalls im unteren Teil der Bahn um und rutschte auf der Seite liegend in den aufsteigenden Zielbereich - dann aber wieder unkontrolliert zurück und erfasste den in der Bahn befindlichen und nach Informationen von Sächsische.de dort benommen liegenden Michel. In einer solchen Situation kann der rund 600 Kilogramm schwere Viererbob eine Geschwindigkeit von rund 50 bis 60 Kilometer pro Stunde erreichen.

Anschieber Michel wird noch in der Nacht operiert

Der 27-jährige Anschieber, der beim Sturz aus dem Schlitten geschleudert wurde, wurde sofort notärztlich versorgt, mit einem Hubschrauber in die Uniklinik nach Dresden geflogen und dort in der Nacht zum Mittwoch operiert. Laut Verband bestand für Michel zeitweise Lebensgefahr, mittlerweile befinde er sich in stabilem Zustand.

"Michel zog sich Verletzungen im Becken- und Oberschenkelbereich zu", heißt es in einer Medienteilung. Und weiter: "Das genauere Ausmaß der Verletzungen von Sandro Michel, der auch im Brustkorb verletzt wurde, sollen die weiteren Untersuchungen ergeben."

Vor einem Jahr, im Januar 2023, belegten die Schweizer Michael Vogt (links) und sein Anschieber Sandro Michel beim Weltcup in Altenberg den zweiten Platz.
Vor einem Jahr, im Januar 2023, belegten die Schweizer Michael Vogt (links) und sein Anschieber Sandro Michel beim Weltcup in Altenberg den zweiten Platz. © picture alliance / foto2press | Steffen Proessdorf

Pilot Vogt (26) wurde ebenfalls schwer, aber nicht lebensbedrohlich verletzt. Er erlitt eine schwere Gehirnerschütterung sowie Prellungen und kam in ein umliegendes Krankenhaus. Die zwei weiteren Anschieber des Viererbobs, Andreas Haas (27) und Dominik Hufschmid (25), blieben ohne größere Blessuren.

"Der Trainingssturz von Michael Vogt und seinem Team und die dadurch entstandenen teils schwersten Verletzungen sind ein tragisches Unglück, das uns zutiefst erschüttert und betroffen macht", sagte der Altenberger Bahnchef Jens Morgenstern.

Altenberger Bahnchef dankt den Rettungskräften

Zugleich dankte er den Rettungskräften, "die die verletzten Athleten vor Ort auf höchstem Niveau versorgt und anschließend ins Krankenhaus gebracht haben. Ebenso danke ich dem Kriseninterventionsteam des Deutschen Roten Kreuzes, das nach diesem tragischen Ereignis sowohl unseren Mitarbeitern als auch dem Schweizer Team unterstützend zur Seite steht". Den verletzten Athleten wünsche er "von Herzen alles Gute und eine schnelle Genesung".

Das Training in Altenberg war das erste überhaupt für dieses neu zusammengestellte Schweizer Team. Vogt und Michel sind im Zweier bereits seit Jahren ein eingespieltes und erfolgreiches Duo, das insbesondere in dieser Saison zu den stärksten Konkurrenten der deutschen Teams um den viermaligen Olympiasieger Francesco Friedrich aus Pirna sowie Weltmeister Lochner zählt.

Anschieber fordern neue Sicherheitsstandards

Bei Olympia 2022 wurden Vogt/Michel zuletzt Vierte. Vor einem Jahr bei der WM in St. Moritz gewannen sie die Bronzemedaille, und im Dezember 2023 im französischen La Plagne fuhr das Duo zu seinem ersten Weltcupsieg. Um mit Blick auf die bevorstehende WM in Winterberg sowie Olympia 2026 auch im Viererbob noch konkurrenzfähiger zu sein, wurden Vogt nun für den großen Schlitten die besten Anschieber des Landes zugeteilt. Zumindest diese Saison dürfte vorzeitig beendet sein.

Der Verband hat es den anderen Schweizer Teams freigestellt, ob sie an den Trainings- und Wettkampffahrten teilnehmen. Zugleich erklärte "Swiss Sliding", dass an der Bahn in Altenberg mittlerweile eine Untersuchung zum Unfallhergang eingeleitet worden ist.

Das Schweizer Team um Pilot Michael Vogt gehört zu den Besten der Welt - und wurde nun noch mal verstärkt. Beim Training für den Weltcup in Altenberg kam es zu einem schweren Unfall.
Das Schweizer Team um Pilot Michael Vogt gehört zu den Besten der Welt - und wurde nun noch mal verstärkt. Beim Training für den Weltcup in Altenberg kam es zu einem schweren Unfall. © picture alliance/dpa/Robert Michael

Auf der Instagram-Seite "the.brakeman", einer internationalen Kommunikationsplattform von und für Anschieber, heißt es in Richtung Weltverband: "Es gibt Sicherheitsbedenken in unserem Sport, und als Athleten müssen wir unsere Meinung mit mehr Nachdruck vertreten. Wir müssen sehen, dass die IBSF die Sicherheit der Athleten tatsächlich ernst nimmt."

Der Unfall von Michel sei einer, "der buchstäblich gewartet hat zu passieren, weil man verunglückte Schlitten auffängt oder nicht auffängt. Das muss sich ändern". Schon am Freitagnachmittag wollen sich Athletinnen und Athleten in Altenberg nun treffen, um sich auszutauschen und sich gegenüber der IBSF zu positionieren. Zudem gibt es die Forderung eines Anschiebers, die Weltcup-Rennen in Altenberg aufgrund der aktuellen Ereignisse abzusagen. Dem widersprach der Weltverband.