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Warum Sachsen gezielte Zuwanderung von Fachkräften braucht

Auf dem Fachkräftegipfel Ost in Schwerin wird die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ein Schwerpunkt sein. Welche Hürden der Unternehmerverband Sachsen sieht, erklärt sein Geschäftsführer in einem Gastbeitrag.

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Lars Schaller ist Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Sachsen. Dieser vertritt seit 1990 vor allem die Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen.
Lars Schaller ist Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Sachsen. Dieser vertritt seit 1990 vor allem die Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen. © PR

Von Lars Schaller

In Deutschland sind derzeit rund zwei Millionen Stellen unbesetzt. Sachsen fehlen nach offiziellen Berechnungen bis 2030 bis zu 150.000 Beschäftigte, bis 2035 werden es bereits 210.000 sein. Die Deckung dieses Fachkräfte- und Mitarbeiterbedarfs wird über die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit Deutschlands und Sachsens entscheiden. Aufträge bei den Unternehmen werden nur bearbeitet und Investitionen getroffen, Ansiedlungen nur erfolgen, wenn wir die entsprechend qualifizierten und motivierten Mitarbeiter im Freistaat haben beziehungsweise gewinnen.

Einen Beitrag zur Schließung der durch den demografischen Wandel anwachsenden Lücke soll die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland leisten. Wenn die Bundesregierung und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 27. Februar in Schwerin zusammenkommen, wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein wesentliches Thema sein. Die Bundesregierung hat mit ihren Eckpunkten zur Novellierung des Gesetzes auf die Forderungen der Wirtschaft reagiert. Zentrale Kritikpunkte der Mitgliedsunternehmen des Unternehmerverbandes (UV) Sachsen waren die bürokratischen Hürden, die sowohl für die ausländischen Fachkräfte also auch für die Unternehmen zu hoch sind.

Die Anerkennung von Abschlüssen und die Erteilung von Visa dauern zu lang. Der UV Sachsen fordert seit jeher, die Schwellen des Einstiegs in den Arbeitsmarkt so gering wie nötig zu halten. Des Weiteren fehlt es an zentralen Anlaufstellen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, denen aufgrund ihrer Größe keine Personalabteilung zur Verfügung stehen, brauchen einen Ansprechpartner und Unterstützung seitens der Verwaltung.

Die drei Säulen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes

Auf einige kritische Punkte gibt das Papier der Ampel-Koalition Antworten. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Im Wesentlichen fußen die Neuerung auf drei Säulen: Erstens auf der Fachkräftesäule: Hier sind Personen mit einer anerkannten Qualifikation grundsätzlich zu jeder Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen berechtigt, auch wenn sie fachfremd sind. Die Erfahrung der Unternehmen, die am besten wissen, wer für die Aufgabe geeignet ist, erhält damit mehr Gewicht. Sinnvoll sind auch die erweiterten Spielräume für Personen ohne gleichwertigen Abschluss, aber mit Berufserfahrung. Diese finden sich in der zweiten Säule, der Erfahrungssäule, wieder. Die Potenzialsäule als dritte Säule ermöglicht die Einwanderung auch ohne deutschen Arbeitsvertrag, wenn ein entsprechendes „gutes“ Potenzial erkennbar ist. Das Potenzial soll an Kriterien wie den Qualifikationen, Sprachkenntnissen, der Berufserfahrung, dem Alter und Deutschlandbezug festgemacht werden.

Trotz dieser Änderungen stellen sich für die sächsischen Unternehmen weitere Fragen, für die wir schnelle Lösungen benötigen. Wie erfolgt unter anderem die Gewichtung die Kriterien bei der Potenzialsäule? Das Einkommen der Fachkräfte bei rund 39.500 Euro als Untergrenze festzulegen, ist ein weiterer Kritikpunkt. Wir fordern mehr Flexibilität für unsere Unternehmen. Wie gehen wir mit den vielen freien Ausbildungsstellen um? Wie werden die Fachkräfte im Ausland auf Deutschland bzw. Sachsen als Arbeitsstandort aufmerksam? Die Ansprache der Menschen muss in den Ländern organisiert und fokussiert erfolgen. Die mittelständische Wirtschaft fordert eine politische Unterstützung vor Ort.

Darüber hinaus braucht es einen Wandel in unserer Willkommenskultur, die es Menschen erleichtert, in Deutschland anzukommen. Dies beginnt bereits in den Botschaften, die sich als „Welcome-Center“ und „Ermöglicher“ verstehen müssen. Ein reibungsloser Ablauf zwischen allen beteiligten Behörden im Ausland und Deutschland muss gewährleistet sein. Vielfach ist das schon der Flaschenhals, an dem die Fachkräfte scheitern oder die Lust verlieren.

Aber so ehrlich müssen wir sein, beim Schließen der Lücke kann der Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland nur ein Baustein sein. Der UV Sachsen setzt sich daher dafür ein, die (Aus)Bildung neu zu denken. Wie führen wir Schüler an die Berufe und deren Anforderungen heran? Welche Fähigkeiten sind Voraussetzung, um in einer sich schneller wandelnden Welt, agil zu bleiben? Wie flexibel sind wir in der Ausbildung von neuen Berufsbereichen und ganzen Branchen? Jugendliche ohne Bildungsabschlüsse können wir uns nicht mehr erlauben. Die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen durch die Politik weiter verbessert werden. Digitalisierung darf nicht nur ein Schlagwort sein, sondern die Infrastrukturen durch Breitbandausbau besonders in den ländlichen Regionen müssen durch die Politik geschaffen werden. Weiterqualifizierung durch die sich wandelnden Bedingungen sind unerlässlich. Lebenslanges Lernen wird wesentlicher Bestandteil des Arbeitslebens werden.

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Bund und die Länder am 27. Februar in Schwerin nicht in Parteipolitik oder Bundes- und Länderhoheiten verlieren, sondern das Ziel, Deutschland - nicht nur bei der Frage der Einwanderung von Fachkräften - zukunftssicher aufzustellen, konsequent verfolgen.

  • Zum Autor: Lars Schaller ist Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Sachsen. Dieser vertritt seit 1990 vor allem die Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen.