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Wozu Dresdner Bosch-Ingenieure farbige Pappen über sich halten

Vor der Mikrochipfabrik von Bosch in Dresden haben am Dienstag Beschäftigte gegen Ungleichbehandlung im Konzern demonstriert. Was sie fordern - und was ihre Chefs dazu sagen.

Von Georg Moeritz
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Kundgebung vor der Mikrochipfabrik von Bosch in Dresden: Beschäftigte protestieren gegen Ungleichbehandlung im Konzern.
Kundgebung vor der Mikrochipfabrik von Bosch in Dresden: Beschäftigte protestieren gegen Ungleichbehandlung im Konzern. © dpa/Robert Michael

Dresden. Bitte jeder auf ein Kreuz: Auf dem Robert-Bosch-Ring vor der Mikrochipfabrik war am Dienstag mit gelben Kreuzchen markiert, wo die rund 200 Demonstrierenden bei ihrer Protest-Choreografie zu stehen hatten. Auf ein Kommando hin hoben sie rote und weiße Pappen über ihre Köpfe. Die Farbflächen sollten nacheinander eine Null und eine 3.000 ergeben. Betriebsrat und Industriegewerkschaft Metall wollten damit zeigen, dass die 500 Beschäftigten der Bosch-Fabrik 3.000 Euro Inflationsausgleichsprämie fordern, aber bisher null Euro bekommen sollen.

Der Betriebsratsvorsitzende Markus Gunia, ein promovierter Chemiker, lobte den Protest über Lautsprecher: "Ich hatte Spaß, zu sehen, wie Ingenieure rumhampeln." Dann wurde Gunia wieder ernst: Die Bosch-Beschäftigten in Dresden würden schlechter entlohnt als beispielsweise in Reutlingen in Baden-Württemberg, sagte er. Dort gebe es außerdem die Inflationsausgleichsprämie. Auf Nachfrage schätzte der Arbeitnehmervertreter den Unterschied in den Jahresgehältern auf eine zweistellige Prozentzahl. Genau berechnen könne er sie wegen unterschiedlicher Eingruppierungssysteme nicht.

Andere Bosch-Betriebsräte wiesen darauf hin, dass Bosch in Dresden keinen Tarifvertrag anwende. Der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Unternehmensbereichs Mobility Solutions, Stefan Störmer aus Hildesheim, sagte, es gehe dem Konzern "nur um Gewinnmaximierung". Für den Bau der Dresdner Mikrochipfabrik, die vor zwei Jahren eröffnet wurde, habe Bosch "Fördergelder abgegriffen", aber zahle nicht nach Tarif - anders als im Westen. Er rief seine Kollegen auf, sich der "starken Gemeinschaft" der IG Metall anzuschließen.

Forderungen zuvor nach Reutlingen gebracht

Stefan Ehly, Bevollmächtigter der IG Metall für die Region Dresden, berichtete von seinen Verhandlungen in Betrieben der Metallbranche: Dort seien die Inflationsausgleichsprämien weit verbreitet. Bis zu 3.000 Euro können steuerfrei gezahlt werden. Auf die Frage, weshalb es in dem Werk keinen Tarifvertrag gebe, sagte Ehly, der junge Betrieb sei noch im Aufbau, und mit dem Verhandeln müsse man irgendwo anfangen. Infineon Dresden habe auch keine Tarifverträge. In den Dresdner Mikrochipfabriken von Globalfoundries und X-Fab gelten Verträge mit der Chemiegewerkschaft IG BCE, bei Globalfoundries sind sie nach jahrelangen Forderungen in diesem April unterschrieben worden.

Der Chemiker Markus Gunia (Bildmitte mit Brille) ist Betriebsratsvorsitzender in der Bosch-Mikrochipfabrik in Dresden. Er fordert die Inflationsausgleichsprämie für alle im Werk.
Der Chemiker Markus Gunia (Bildmitte mit Brille) ist Betriebsratsvorsitzender in der Bosch-Mikrochipfabrik in Dresden. Er fordert die Inflationsausgleichsprämie für alle im Werk. © SZ/Georg Moeritz

Vor dem öffentlichen Protest auf der Kreuzung hatten die Protestierenden schon eine Petition abgegeben, eine "aktive Kaffeepause" veranstaltet und ihre Forderungen der Unternehmensleitung in Reutlingen überbracht. Dort sei ihnen gesagt worden, die lokalen Verantwortlichen in Dresden hätten die Freiheit, über Zahlungen zu entscheiden.

Noch keine Verhandlungen über Tarifvertrag für Dresden

Marek Jakowatz, der kaufmännische Leiter der Robert Bosch Semiconductor Manufacturing Dresden GmbH, sagte, statt der Inflationsausgleichsprämie hätten die Beschäftigten in Dresden zu Jahresanfang eine "deutliche und nachhaltige Gehaltserhöhung bekommen". Die prozentuale Erhöhung habe sich an der Inflation im vorigen Jahr orientiert. Zahlen nannte Jakowatz nicht. Er sagte, eine einmalige Zahlung "verpufft relativ schnell".

Demo mit roten und weißen Pappen: Vor der Mikrochipfabrik formen Bosch-Beschäftigte gemeinsam Zahlen.
Demo mit roten und weißen Pappen: Vor der Mikrochipfabrik formen Bosch-Beschäftigte gemeinsam Zahlen. © SZ/Georg Moeritz

Die Gehaltserhöhung wirke dagegen dauerhaft und erhöhe auch den jährlichen Bonus, den alle Mitarbeiter am Standort Dresden bekämen. Nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden Gunia macht der Bosch-Performance-Bonus bis zu 20 Prozent des Jahresgehalts aus. Ein Vergleich mit dem Entgeltrahmentarif im Westen sei schwierig. In Dresden gebe es ein Eingruppierungssystem mit zehn Klassen.

Gunia sagte, die Beschäftigen in Dresden hätten auch viele Überstunden während der Aufbauphase angesammelt. Der kaufmännische Leiter Jakowatz sagte, zu diesem Thema sei er im Austausch mit der Arbeitnehmervertretung. Diskussionen über einen Tarifvertrag habe es in Dresden noch nicht gegeben. Doch viele Bosch-Standorte weltweit seien tarifgebunden, sodass grundsätzlich nichts dagegen spreche. Regionale Unterschiede gebe es aber in den Verträgen.