SZ + Bautzen
Merken

Cannabis-Legalisierung: So kommen die Pläne im Kreis Bautzen an

Der Bund will Anbau und Verkauf von Cannabis an Erwachsene freigeben. Was Jugendarbeiter, Suchtberater, Polizei, ein Richter und eine Konsumentin aus dem Kreis Bautzen dazu sagen.

Von David Berndt
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Bundesregierung will Konsum, Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene legalisieren. Im Landkreis Bautzen stößt das auf unterschiedliche Reaktionen.
Die Bundesregierung will Konsum, Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene legalisieren. Im Landkreis Bautzen stößt das auf unterschiedliche Reaktionen. ©  Symbolbild: Annette Riedl/dpa

Bautzen. Die Bundesregierung will den Anbau, Besitz und Verkauf von Cannabis legalisieren - und damit unter anderem den Schwarzmarkt zurückdrängen. Für Minderjährige sollen Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis jedoch verboten bleiben. Sächsische.de hat Betroffene und Experten im Landkreis Bautzen dazu befragt, was sie von den Plänen halten.

Polizei: Mehr als 50 Prozent der Rauschgift-Delikte mit Cannabis

Die Polizeidirektion Görlitz hat regelmäßig mit Cannabis zu tun. Erst Anfang April 2023 etwa hatten Polizeibeamte Cannabisprodukte in Bautzen und Bischofswerda sichergestellt. Anfang März fanden Polizisten bei einer Kontrolle auf dem Pendlerparkplatz in Uhyst in einem Auto mit zwei Insassen Cannabis.

Die Polizeidirektion Görlitz erwartet, dass sich der Trend aus den Jahren 2021 und 2022 bei den Fällen mit Rauschgift fortsetzen wird, erklärt Sprecher Maximilian Funke. „Unter den Rauschgiftdelikten war mehr als die Hälfte in Zusammenhang mit Cannabis und seinen Zubereitungen.“ 2021 seien es 925 und 2022 1.081 Fälle mit Cannabisprodukten gewesen. Insgesamt betrage der Anteil aller Rauschgiftdelikte rund fünf Prozent an der Gesamtkriminalität.

Mögliche Auswirkungen der Pläne der Bundesregierung auf die Polizeiarbeit ließen sich noch nicht abschätzen, da „die endgültigen Rahmenbedingungen für die Legalisierung noch nicht definiert sind“, sagt Maximilian Funke.

Bautzener Amtsrichter lehnt Cannabis-Legalisierung ab

Dr. Dirk Hertle, Richter am Amtsgericht Bautzen, lehnt die Freigabe von Cannabis ab. Bereits Ende 2021 hatte er sich in einem Interview mit Sächsische.de deutlich positioniert. „Für die Justiz wäre das keine Entlastung. Denn die neuen Regeln müssten kontrolliert werden, also etwa der private Anbau von maximal drei Pflanzen, der maximale Besitz in der Öffentlichkeit von 25 Gramm oder die Mitgliedschaft in einem und nicht mehreren Anbau-Vereinen“, sagt Hertle heute.

Seine Erfahrungen als Richter würden zeigen, welche Gefahr von Cannabis ausgehen kann. „Sieben von zehn Angeklagten, die härtere Drogen wie etwa Crystal konsumieren, sagen, dass Cannabis für sie die Einstiegsdroge war.“

Dass die neuen Cannabis-Regeln den Schwarzmarkt eingrenzen können, glaubt der Amtsrichter nicht. „Dort bekommen die Kunden auch härtere Sachen oder Cannabis mit höherem THC-Gehalt, dort ist es wahrscheinlich preiswerter und ganz sicher anonym. Wer will sich schon registrieren, um Cannabis zu kaufen?“

Bautzener Konsumentin ist für die Legalisierung

Ramona Paul aus Bautzen wäre bereit, sauberes Cannabis legal zu kaufen und dafür Steuern zu zahlen. Der Schwarzmarkt müsse weg. „Eine Legalisierung muss zwingend kommen“, sagt die 52-jährige Konsumentin. Sie ist Mitglied im Hanfverband, nimmt an Plakataktionen für die Legalisierung teil und bekennt sich öffentlich zum Cannabis-Konsum. „Unsere Gesellschaft ist in einem allgemein akzeptierten Alkoholrausch, wir verabreichen unseren Kindern Ritalin, Jugendliche und Erwachsene trinken, rauchen, nehmen Crystal Meth oder Tabletten. Da ist Cannabis das kleinste Problem“, sagt sie.

Jugendarbeiter sieht Cannabis als Einstiegsdroge

Zwar will die Bundesregierung Minderjährige vor dem Kontakt mit Cannabis schützen und Kriminalität eindämmen, aber Sozialarbeiter Torsten Kluge sieht die Pläne für eine Legalisierung trotzdem problematisch. Er arbeitet im Regionalteam Westlausitz des Netzwerks für Kinder- und Jugendarbeit. „Alle sogenannten weichen Drogen sind ein möglicher Einstieg für mehr und für härtere Drogen“, sagt er. Im Landkreis Bautzen gebe es eine Szene, die Cannabis verteilt und konsumiert.

Aus Kluges Sicht gibt es zu wenig Jugendhäuser mit sozialpädagogischer Betreuung. „Unser Ziel sind geschützte Räume, in denen sich Jugendliche ausprobieren können und dabei begleitet werden, natürlich ohne Alkohol, Nikotin und illegale Drogen.“ Öffentliche Plätze, auf denen sich junge Menschen treffen, stellten eine potenzielle Gefahr dar. Sie böten zwar die Chance für Kommunikation und Gestaltung, aber auch für den Kontakt mit Drogen.

Diakonie befürchtet stärkere Belastung für die Suchthilfe

Die Diakonie Sachsen, die auch im Landkreis Bautzen Suchtberatungsstellen betreibt, fordert in einem Positionspapier unter anderem den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Bei Minderjährigen störe der Cannabis-Konsum etwa die Hirnentwicklung. Chronischer Konsum könne bei Erwachsenen das Risiko von Herz- und Hirninfarkten sowie Durchblutungsstörungen der Gliedmaßen erhöhen. In Sachsen stand 2020 Cannabis demnach mit 14,6 Prozent auf Platz drei der Suchtdiagnosen nach Alkohol (48 Prozent) und Stimulanzien (20 Prozent), wozu etwa Ecstasy gehört. Mit einer Legalisierung sei davon auszugehen, „dass der illegale Markt entgehende Umsätze durch günstigere Preise und den Verkauf von Cannabis an Minderjährige auszugleichen versuchen wird“, heißt es.

Zudem befürchtet die Diakonie, dass mit einer Cannabis-Legalisierung die Suchthilfe stärker belastet wird. „Sie kann mit den bisherigen finanziellen Mitteln keinesfalls kompensiert werden, da notwendige Präventionsangebote schon jetzt aus Gründen der Unterfinanzierung häufig nicht stattfinden.“ Die Steuereinnahmen aus dem Cannabis-Verkauf sollten deshalb in diese Angebote investiert werden, fordert die Diakonie.