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"Wir haben keinen Knopp mehr in der Tasche"

Großpostwitz muss 1,35 Millionen Euro an Steuern zurückzahlen. Der Bürgermeister stellt sich auf zwei klamme Jahre ein - hofft aber auf eine Besserung.

Von Franziska Springer
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Insbesondere im Gewerbegebiet in Ebendörfel sitzen viele Unternehmen, die in Großpostwitz Steuern zahlen. Was ehemals für einen stabilen Haushalt sorgte, wird für Bürgermeister Markus Michauk jetzt zum Problem.
Insbesondere im Gewerbegebiet in Ebendörfel sitzen viele Unternehmen, die in Großpostwitz Steuern zahlen. Was ehemals für einen stabilen Haushalt sorgte, wird für Bürgermeister Markus Michauk jetzt zum Problem. © SZ/Uwe Soeder

Großpostwitz. Was Bürgermeister für gewöhnlich gern in die Vorwörter ihrer Gemeindeblätter schreiben: gute Nachrichten, fromme Wünsche, Dankesworte und positive Prognosen. Was der Großpostwitzer Bürgermeister Markus Michauk (OLG) in der jüngsten Ausgabe seines Amtsblattes verkünden musste, dürfte ihm vor diesem Hintergrund schwergefallen sein: "Uns gingen mehrere Gewerbesteuerbescheide zu, die die Gemeindekasse zur Erstattung von circa 1,35 Millionen Euro veranlassen und uns damit in schwere finanzielle Bedrängnis bringen", ist da zu lesen und: "Es wird nun leider nicht mehr alles möglich sein, was wünschenswert, nötig und bisher auch finanzierbar war." Wie kommt es zu dieser Situation?

Wie war die Ausgangslage bis zum Sommer?

Großpostwitz stand finanziell auf sicheren Füßen. Für die fixen Ausgaben der Gemeinde und einige Sonderwünsche standen stabile Erträge durch Mittelzuweisungen und Steuereinnahmen zur Verfügung. "Unser Steueraufkommen war über viele Jahre hinweg so hoch, dass wir gut wirtschaften konnten", sagt Markus Michauk. Im Rahmen des Finanzausgleichs musste die Gemeinde sogar Einnahmen abgeben, um finanzschwächere Kommunen zu unterstützen.

Wieso ist das so plötzlich anders?

Unternehmen zahlen ihre Gewerbesteuern im Voraus an die Kommunen. Basis sind Berechnungen der Finanzämter. Diese werden nach Abschluss der Geschäftsjahre mit der tatsächlichen Situation abgeglichen. In Großpostwitz haben eine ganze Reihe größerer Unternehmen ihren Sitz. Offenbar, so schreibt es der Bürgermeister in seinem Amtsblatt, haben mehrere von ihnen in den Jahren 2019 und 2020 zu viele Steuern im Voraus bezahlt. Diese muss die Kommune nun zurückerstatten. Hinzu kommen Vorauszahlungen auf das Jahr 2021. Auch diese müssen zurückgezahlt werden. In Summe entstehen Verbindlichkeiten von 1,35 Millionen Euro.

War diese Entwicklung absehbar?

Sicher vorhersagen ließen sich die enormen Einnahmeverluste nicht - aber man konnte sie erahnen. Schon länger war in den Kommunen gemutmaßt worden, dass die Gewerbesteuererträge unter anderem infolge der Corona-Pandemie rückläufig sein könnten. Das war in Großpostwitz nicht anders: "Wir haben unseren Haushalt sehr vorsichtig und auf Sicherheit geplant", erklärt Markus Michauk. Demnach ging die Gemeindeverwaltung lediglich von 1,8 Millionen Euro an Steuereinnahmen aus - statt der eigentlich erwarteten 2,5 Millionen. "700.000 Euro haben wir als Risiko einkalkuliert", so Michauk. Mit den Rückzahlungsforderungen von 1,35 Millionen Euro sei die Summe aber plötzlich doppelt so hoch ausgefallen wie schlimmstenfalls erwartet. Sie beträgt nunmehr ein Drittel des fünf Millionen Euro großen Gemeindehaushalts. Die Folge: "Ich hatte einen ausgeglichenen Haushalt, der aufgegangen wäre. Jetzt hab ich keinen Knopp mehr in der Tasche. Die Liquidität ist weg", so Michauk.

Die Spreebrücke in der Großpostwitzer Bahnhofstraße muss dringend saniert werden. Weil der Freistaat die Mittel dafür strich, bleibt das Vorhaben liegen.
Die Spreebrücke in der Großpostwitzer Bahnhofstraße muss dringend saniert werden. Weil der Freistaat die Mittel dafür strich, bleibt das Vorhaben liegen. © Steffen Unger

Wie geht es jetzt für Großpostwitz weiter?

"Wir müssen sparsamst sein", stellt Michauk klar. Erst 2023 wird die Gemeinde durch ihre nunmehr klamme Lage vom kommunalen Finanzausgleich profitieren. Bis dahin erhält die Kommune lediglich Finanzhilfe vom Freistaat in Höhe von 539.000 Euro. Dieses Geld muss zurückgezahlt werden, dennoch helfe es vorerst wirtschaften, so Michauk. Projekte, die bereits durchgeplant oder in Umsetzung sind - etwa der Ausbau der Haltestelle Pilgerschänke zum Buswendeplatz oder der Umbau des Bahnhofes zum Gemeindeamt - werden weiterhin realisiert. "Ich kann ja nicht plötzlich den Dachdecker heimschicken", so Michauk. Die Umsetzung anderer Vorhaben aber bleiben vorerst bis voraussichtlich 2023 liegen. Michauk nennt hier beispielsweise den Bahnradweg, die Erneuerung der Spreebrücke, den Unterhalt von Straßen, Gebäuden und Fahrzeugen aber auch kleine Ausgaben wie die Anschaffung neuen Mobiliars für das Gemeindeamt, neuer Mülleimer oder Sitzbänke.

Bedeutet das jetzt zwei Jahre Investitionsstopp?

Nicht, wenn es nach dem Bürgermeister geht. Der ist sich sicher: "Wir kommen nach zwei Jahren aus dieser Lage wieder raus." Bis dahin will er aber ein sichtbares Zeichen setzen. Den Umbau des jetzigen Gemeindeamtes am Gemeindeplatz zum Ärzte- und Gesundheitszentrum will Michauk nämlich weiter vorantreiben - sofern die Rechtsaufsicht als Kontrollinstanz ihn lässt.

Gibt es Konsequenzen für andere Kommunen?

Nicht direkt. Aber im Rahmen des Finanzausgleichs werden auch andere Kommunen zu spüren bekommen, wenn ehemals einnahmestarke Städte und Gemeinden plötzlich keine Umlagen mehr zahlen können. Insbesondere im Hinblick auf die Kürzung von Mitteln für den kommunalen Straßenbau findet Markus Michauk daher: "Die, die das Geld reinbringen, sollten dabei unterstützt werden, dass es auch so bleibt."