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Kohleausstieg: Bürgermeister bangen ums Geld

Welche Projekte profitieren vom Strukturwandel, welche nicht? Diese Frage sei noch immer nicht beantwortet, kritisieren Kommunen im Kreis Bautzen.

Von Franziska Springer
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Auf diesem Feld neben der Bäckerei Fehrmann in Göda hätten Bürgermeister Gerald Meyer und sein Gemeinderat gern die neue Oberschule entstehen sehen. Aus dem Vorhaben wird nichts - wenigstens vorerst.
Auf diesem Feld neben der Bäckerei Fehrmann in Göda hätten Bürgermeister Gerald Meyer und sein Gemeinderat gern die neue Oberschule entstehen sehen. Aus dem Vorhaben wird nichts - wenigstens vorerst. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen/Dresden. Gödas Bürgermeister Gerald Meyer (parteilos) klingt frustriert: Gemeinsam mit seinem Gemeinderat hat er 2020 einen mutigen Vorstoß gewagt, hat - in Aussicht der milliardenschweren Investitionen, die im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg in Aussicht stehen - ein Konzept ersonnen, dass aus der Gemeinde einen besonderen Schulstandort machen sollte. Von einer "Oberschule Plus" auf der freien Fläche neben der Bäckerei Fehrmann hatte die Gemeinde geträumt; von einem Ort, an dem längeres gemeinsames Lernen möglich wird; von einer Bildungseinrichtung mit Strahlkraft für die gesamte Region. Das Modellprojekt sollte 23 Millionen Euro kosten - bei 90-prozentiger Förderung.

"Der Zahn ist uns inzwischen gezogen worden", sagt Gerald Meyer. Er berichtet von einem Termin im Sächsischen Kultusministerium Anfang Mai. Davor sei die Hoffnung noch groß gewesen, dass das Projekt förderfähig sei. Sinn sei dem Vorhaben seitens des Ministeriums auch bescheinigt worden. Aber: Der Bund, der bis 2038 insgesamt rund 40 Milliarden für den Kohleausstieg bereitstellt, darf Schulneubauprojekte nicht fördern. Die sind Ländersache. Das war auch schon vor Inkrafttreten Strukturänderungsgesetzes im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg so. Was von Meyers Vorhaben nach dieser Erkenntnis aus dem Topf für die Strukturförderung noch beantragt werden kann, ist allenfalls eine Mehrzweckhalle, berichtet er.

Unsicherheit bei den Antragstellern

Vor diesem Hintergrund mag Gödas neue Oberschule im großen Pool der 65 Projekte, die im Lausitzer Revier zur Prüfung der Förderfähigkeit eingereicht wurden, eine Sonderrolle einnehmen. Beispielhaft ist sie dennoch. Weil sie die Unsicherheit aufzeigt, die die derzeitigen Fördermodalitäten, die am 1. Mai in einer überarbeiteten Fassung in Kraft traten, in den Kommunen hervorrufen.

Unsicherheit plagt etwa auch Cunewaldes Bürgermeister Thomas Martolock (CDU). Die Gemeinde plant mit Strukturfördermitteln die Umnutzung eines altes Postverteilzentrums in Weigsdorf-Köblitz zur Kinderkrippe. Das Projekt hat zwar gute Aussichten auf Realisierung. Bis zur Förderzusage soll die Gemeinde die Planung aber weiter vorantreiben. Das irritiert den Bürgermeister, denn es ist mit Kosten verbunden.

Er kritisiert das seiner Meinung nach undurchsichtige und viel zu komplizierte Antragsverfahren als "bürokratisches Monstrum" und sagt: "Seit über einem Jahr stehen wir mit dem Projekt in den Startlöchern. Solange ich aber nicht weiß, ob es förderfähig ist, kann ich es nicht voranbringen. So eine Ingenieurplanung würde etwa 100.000 Euro kosten. Das kann ich doch nicht ins Blaue hinein investieren." An dieser Stelle, findet Martolock, gerate das Förderprogramm in eine Schleife. Das lässt ihn an die Mittel zur Hochwasserschadensbeseitigung 2010 zurückdenken. "Damals wurde uns auch gesagt, es sei alles ganz einfach, und letztlich wurde es zu einem irren bürokratischen Unterfangen", sagt er.

Entschieden wird von Vertretern aus der Region

Entschieden wird über die kommunalen Anträge für Förderung des Strukturwandels, von denen viele bereits im Herbst 2019 eingereicht wurden, in einem zweistufigen Bewertungsverfahren. Nach einer Beratung in einer interministeriellen Arbeitsgruppe der Staatsregierung würden die Regionalen Begleitausschüsse anhand der Ergebnisse einer Wertung entscheiden, welche Projekte gefördert werden sollen, erklärt der Pressesprecher des zuständigen Staatsministeriums für Regionalentwicklung, Frank Meyer, und betont, dass letztlich über die Förderung eines Projekts von Menschen aus der Region entschieden werde.

Den Regionalen Begleitausschuss für das Lausitzer Revier, zu dem auch der Landkreis Bautzen zählt, besetzen Vertreter aus Institutionen, Landkreisen und Kommunen, unterschiedliche Vereine und Verbände. Ihnen sitzt Birgit Weber, die zweite Beigeordnete des Bautzener Landrats vor. Sie bestätigt, dass das Förderprozedere durchaus komplex sei und es nun gelte, "klare Bilder für die Antragsteller" zu schaffen.

Gleichzeitig appelliert sie an die Geduld der Antragsteller und macht ihnen Hoffnung: "In sechs Jahren müssen 800 Millionen Euro kassenwirksam umgesetzt werden. Aufgrund der geringeren Planungsdauer liegt es daher nahe, dass viele kleinteilige Projekte umgesetzt werden, sofern sie dazu beitragen, die Region zu entwickeln."

Förderverfahren muss sich erst einspielen

Klarheit wird spätestens die Praxis schaffen: Am 29. Juni wird der Regionale Begleitausschuss zusammensitzen und erstmals über die Förderfähigkeit einzelner Projekte beraten. 20 von 65 Projekten, teilt Weber mit, seien grundsätzlich als förderfähig eingestuft worden. Sie werden nun gegeneinander abgewogen. Das könne am Anfang noch holprig sein, denn die neu geschaffenen Institution, die über die Geldvergabe entscheide, sei ein "lernendes System".

Gerald Meyer tröstet das zunächst wenig. Er findet die Absage an sein Schulprojekt "zermürbend". "Wir als Verwaltung, ich als Bürgermeister, wir stehen ziemlich albern da", sagt er. Entmutigen lassen will er sich von diesem Rückschlag aber nicht. Auch er glaubt an die Lernfähigkeit bei der Fördermittelvergabe: "Ich gebe das Projekt jetzt nicht verloren." In fünf Jahren werde man das Vorhaben im Hinblick auf den neuen Schulnetzplan erneut prüfen, kündigt er an.

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