SZ + Bautzen
Merken

Fünf Fakten zum Bismarck-Denkmal in Bautzen

Wie groß, wie schwer, wie einzigartig war das Denkmal auf dem Czorneboh, das ein Bautzener Verein wieder aufbauen will? Ein Blick ins Archiv zeigt Überraschendes.

Von Theresa Hellwig
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Auf dem Czorneboh thronte einst eine Bismarck-Plastik. Ein Bautzener Verein will sie wieder aufbauen - daran gibt es Kritik.
Auf dem Czorneboh thronte einst eine Bismarck-Plastik. Ein Bautzener Verein will sie wieder aufbauen - daran gibt es Kritik. © SZ/Uwe Soeder, privat

Bautzen. Dass Otto von Bismarck einst preußischer Minister und Reichskanzler war, wissen sicherlich noch die meisten. Dass ein Denkmal von ihm früher mal auf dem Czorneboh im Bautzener Stadtwald stand, wird zumindest den regelmäßigen Lesern von Sächsische.de nicht entgangen sein. Schließlich bestimmt die Debatte um die mögliche Wiedererrichtung des Denkmals seit Tagen die Berichterstattung. Wie das Denkmal einmal aussah, zeigen alte Postkarten. Soweit, so gut – das sind die bekannten Fakten. Aber wie groß war denn eigentlich das Denkmal? Wie hat der Steinkoloss seinen Weg auf den Berg geschafft? Und war das Denkmal wirklich so einzigartig? Wo ist die Skulptur jetzt? Historiker Friedrich Pollack vom Sorbischen Institut hat im Archiv nach Spuren gesucht. Fünf Fakten zum Denkmal.

1. Kult um Reichskanzler: Deshalb entstand des Denkmal

Fest steht: Das Bismarck-Denkmal auf dem Bautzener Czorneboh ist am 28. August 1904 enthüllt worden. Schon etwa 15 Jahre zuvor hatte es hierfür erste Überlegungen gegeben. Aus den historischen Dokumenten geht hervor, dass sich etwa um 1890 herum unter dem Vorsitz eines Apothekers mit dem Namen Emil Menzner ein „Ausschuss zur Errichtung eines Bismarck-Denkmals auf dem Czorneboh“ bildete, berichtet Friedrich Pollack.

„Das Denkmal entsteht zweifellos im Kontext des anschwellenden Bismarck-Kults, der sich besonders ab 1895 zum 80. Geburtstag Bismarcks sowie nach seinem Tod in ganz Deutschland ausbreitete“, sagt Friedrich Pollack. Er geht davon aus, dass Otto von Bismarck selbst nie in Bautzen war – bisher habe er dazu zumindest nichts im Archiv entdeckt.

2. Fast drei Meter hoch: So sah das Denkmal aus

Das Bismarck-Denkmal auf dem Czorneboh war ein Standbild. In der rechten Hand hielt die Bismarck-Skulptur ein Schriftstück, das die Reichsverfassung darstellen sollte. Mit der linken Hand stützte sich Bismarck auf sein Schwert, das linke Bein hielt der ehemalige Reichskanzler nach vorn gestellt. Er trug eine Pickelhaube, einen preußischen Uniformrock und hohe Reiterstiefel.

Die Skulptur bestand aus weißem Elbsandstein, berichtet Friedrich Pollack. Ohne Sockel war sie etwa 2,60 Meter hoch. Rund 1,5 Tonnen war das Denkmal schwer. Ein stilisierter Eichenstamm stützte die Figur.

3. Ähnliche Skulpturen: So wenig einzigartig war die Plastik

Der „Ausschuss zur Errichtung des Bismarck-Denkmals auf dem Czorneboh“ kaufte das Denkmal für 2.500 Reichsmark – und schenkte es dann der Stadt Bautzen. Hergestellt wurde es von den Bildhauern Gebrüder Schwarz aus Dresden.

„Das Denkmal ist in seiner künstlerischen Ausführung nicht gerade originell, sondern eher konventionell“, sagt Friedrich Pollack. Vergleichbare Standbilder Bismarcks, so berichtet er, befinden sich in ganz Deutschland. Eine nahezu identische Skulptur aus der Werkstatt der Brüder Schwarz stand in Dresden-Loschwitz. 1897 wurde in Reichenbach im Vogtland ein Bismarck-Standbild in Bronze errichtet, das dem Bautzener bis ins Detail gleicht.

Alten Berichten der Sächsischen Zeitung zufolge war die Bautzener Skulptur Modell für mehrere Bronzeabgüsse. So entdeckte Friedrich Pollack im Archiv eine Entwurf-Zeichnung, die das Modell mit verschiedenen Sockeln zur Auswahl darstellte. „Das Bautzener Denkmal war also kein Unikat; es war Produkt einer Serie“, so Pollack.

4. Anderthalb Tonnen: So kam der Koloss auf den Berg

Aus Artikeln der Sächsischen Zeitung von vor 30 Jahren geht hervor, dass der Ausschuss zunächst eine acht Meter hohe Bismarcksäule plante – statt der Skulptur. Spenden wurden gesammelt. Weil die Säule dennoch zu teuer war, verwarf der Ausschuss diese Idee. Die Stadt wollte das Projekt nicht in größerem Stil unterstützen. Archivmaterial zufolge hatte für die Stadt damals stattdessen das Denkmal des Sächsischen Königs Albert Priorität.

Und: Eigentlich wollte der Ausschuss das Bismarck-Denkmal demzufolge auch in Bautzen aufstellen, doch der Rat hatte das damals abgelehnt. Stattdessen kam die 1,5 Tonnen schwere Plastik also in den Stadtwald auf den Czorneboh. Wie? Auch das steht in alten Zeitungsartikeln: Sechs Pferde zogen den Koloss 1904 von Cunewalde aus auf den Berg.

So berichtete die Sächsische Zeitung Bautzen 1992 über die Bruchstücke des Denkmals, die auf dem Czorneboh gefunden wurden.
So berichtete die Sächsische Zeitung Bautzen 1992 über die Bruchstücke des Denkmals, die auf dem Czorneboh gefunden wurden. © SZ

5. Großes Rätsel: Was mit dem Denkmal passiert ist

In den 90er Jahren war zunächst vermutet worden – so berichtete damals die Sächsische Zeitung – dass die Skulptur nach 1945 auf dem Czorneboh vergraben worden ist. Nach einem Artikel meldete sich allerdings offensichtlich ein Leser in der Redaktion: Er hatte Teile des Denkmals unter einer Erdschicht entdeckt, und zwar zerschlagen. Damals wurden die rund 50 Einzelteile geborgen.

Es sei zu erkennen gewesen, dass die Skulptur mit einem Vorschlaghammer zerstört worden ist. Laut dem Artikel sind die Einzelteile damals geborgen und eingelagert worden. Aber: Der Kopf, die Hände, der Oberkörper und ein Fuß sind verschwunden geblieben. Wo die Stücke jetzt sind? Dazu ist nichts bekannt.

Unklar ist indes, von wem das Denkmal zerstört worden ist. Erzählt wird heute, dass die FDJ - die Jugendorganisation der DDR - dafür verantwortlich ist. Anhaltspunkte dazu hat Friedrich Pollack im Archiv bisher nicht gefunden.