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So viel Mikroplastik schwimmt im Bautzener Stausee

Kleinste Kunststoffteile vergiften Pflanzen und Tiere. Sind sie zu stoppen, bevor sie ins Meer gelangen? Ein Forschungsprojekt, das auch in Bautzen lief, stimmt optimistisch.

Von Theresa Hellwig
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Katrin Wendt-Potthoff, Biologin am Helmholtz-Zentrum, war bei Wind und Wetter auf dem Bautzener Stausee unterwegs. Dort entnahm sie gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern Gewässer- und Sedimentproben; auf der Suche nach Mikroplastik.
Katrin Wendt-Potthoff, Biologin am Helmholtz-Zentrum, war bei Wind und Wetter auf dem Bautzener Stausee unterwegs. Dort entnahm sie gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern Gewässer- und Sedimentproben; auf der Suche nach Mikroplastik. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Bei Wind und Wetter haben sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren immer wieder Wissenschaftler mit ihren Booten in die Wellen des Bautzener Stausees geschmissen. Dass die ganz schön groß sein können, hat sich gezeigt, als die SZ im Dezember 2018 bei einem dieser Forschungsausflüge mit an Bord war. Das Ziel der Wissenschaftler: Sie haben Gewässer- und Sedimentproben aus dem See geholt. Sie wollten herausfinden, ob Mikroplastik im Wasser ist – und wie sich die Plastikteilchen in Stauseen im Vergleich zu Flüssen verhalten. „MikroPlaTaS“ nennt sich das Projekt, an dem das Helmholtz-Zentrum, drei Universitäten und zwei Firmen beteiligt waren. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Wie die Forschungsarbeit lief

Die Wissenschaftler haben immer wieder Gewässer- und Sedimentproben aus Flüssen und Talsperren entnommen. Darunter: Die Bautzener Talsperre, die Talsperre Malter bei Dippoldiswalde und die Talsperre Quitzdorf bei Niesky, die Lippe, die ehemaligen Rieselfelder bei Münster und die Ems-Seen in Mecklenburg-Vorpommern. Wichtig war den Wissenschaftlern, dass gestaute Fließgewässer und stehende Gewässer dabei waren. In Bautzen haben sie deshalb auch an unterschiedlichen Orten Proben entnommen. So waren sie an verschiedenen Stellen auf dem Vorstau unterwegs, wo das Wasser sich mehr bewegt. Und sie haben Proben im ruhigeren Hauptstau entnommen.

Neben den Gewässerproben haben sie auch immer wieder Laborversuche durchgeführt. Sie wollten herausfinden, ob Mikroplastik in stehenden Gewässern absinkt – und in der Sedimentschicht am Boden gebunden wird. Und sie wollten wissen, welche Rolle dabei Algen oder Bakterien, wie Blaualgen, und Mineralien, wie ausflockendes Eisen, spielen. Das haben sie – mit Wasser und Blaualgen aus dem Stausee – im Labor nachgestellt.

Was die Wissenschaftler im Stausee gefunden haben

„In der Vorsperre bei Oehna haben wir das volle Sortiment an Mikroplastik gefunden“, sagt Dr. Katrin Wendt-Potthoff, Biologin am Helmholtz-Zentrum in Magdeburg. Sie hat das Forschungsprojekt geleitet. Sie zählt auf: Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol – und Naturgummi. Aus Ersterem sind viele Folien und Verpackungen gemacht. Aus dem Zweiten Fasern für Stoffe oder festeres Plastik. Polystyrol wird oft für Joghurtbecher verwendet, und Naturgummi kommt zum Beispiel bei Latex zum Einsatz.

Anders, als im Vorstau bei Oehna waren die Ergebnisse im Hauptstau – also im stilleren Wasser. „Dort haben wir im Wasser kein Mikroplastik gefunden“, sagt Katrin Wendt-Potthoff. Es sei allerdings auch nur Plastik erfasst worden, das größer als ein Zehntelmillimeter ist. „Wir haben einen Unterschied erwartet – aber dass er so deutlich ist, hat uns überrascht.“ Zumal eines sicher sei: Dass sich Plastik im See befinde. Im Uferbereich sei Müll gefunden worden.

Wo also ist es hin, das Mikroplastik im Hauptstau-Wasser? Gefunden wurde es in anderen Proben. Denn im Gegensatz zum Wasser konnten die Wissenschaftler im Sediment des Hauptstaus Mikroplastik nachweisen.

Was die Ergebnisse bedeuten

Dass im Sediment Mikroplastik gefunden wurde, passt zu der These der Forschenden, dass die Mikroplastikteilchen in stillen Gewässern von Bakterien, Algen oder Mineralien beschwert werden – und absinken. „Das ist in der Hauptsperre möglich oder direkt vor der Staumauer im Vorstau. Dort bewegt sich das Wasser ebenfalls nur langsam“, erklärt Katrin Wendt-Potthoff. Durch die Proben und die Laborversuche sehen die Wissenschaftler ihre These bestätigt, dass Mikroplastik in stillen Gewässern gebunden wird und zu Boden sinkt. Für die Tierwelt könnte das besser sein; so gelangt das Plastik beispielsweise dort nicht in die Mägen von Fischen.

Wie die Ergebnisse genutzt werden können

„Aus den Ergebnissen nehmen wir mit, dass es günstig ist, Mikroplastik zurückzuhalten, bevor es ins Meer gelangt. Dort könnte es von Wassertieren aufgenommen werden“, sagt Katrin Wendt-Potthoff. „Wir haben in Laborversuchen auch herausgefunden, dass Mikroplastik, wenn es erst einmal sedimentiert ist, in der Regel nicht wieder aufsteigt“, sagt sie. „Dieses Wissen kann man sich zu Nutzen machen.“ Zwar würde man wohl kaum Flüsse anhalten – zumal die Sedimentierung ja Zeit beansprucht. „Wir wissen jetzt aber, dass Talsperren noch mehr positive Eigenschaften haben, als wir bisher dachten.“

Was gegen das Mikroplastik getan werden kann

Was gegen das Mikroplastik-Problem getan werden kann, dazu sagt das Ergebnis leider nicht viel. „Es hilft nur, regelmäßig das Plastik im Uferbereich abzusammeln“, sagt Katrin Wendt-Potthoff.

Wie das Forschungsprojekt weitergeht

Der Großteil des Forschungsprojekts, das der Bund mit rund 1,5 Millionen Euro gefördert hat, ist abgeschlossen. Für Katrin Wendt-Potthoff geht es aber noch weiter: Sie wertet jetzt weitere Ergebnisse aus. Der Bericht über die genaue Mikroplastik-Konzentration in den untersuchten Gewässern, zum Beispiel, steht noch aus.