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Bautzen: Lohnplus trotz Corona-Jahr

Für mehrere Unternehmen im Kreis Bautzen haben Gewerkschaften und Arbeitgeber Tarifverträge abgeschlossen. Doch es gibt auch Sorgenkinder.

Von Tilo Berger
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Mehrmals streikten in diesem Jahr Beschäftigte der Bautz'ner Senffabrik für höhere Löhne. Ende September gab es einen Abschluss, die Gehälter steigen bis 2024 deutlich.
Mehrmals streikten in diesem Jahr Beschäftigte der Bautz'ner Senffabrik für höhere Löhne. Ende September gab es einen Abschluss, die Gehälter steigen bis 2024 deutlich. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Solche Tage wie den jüngsten Freitag hätte Jan Otto, der Ostsachsen-Chef der IG Metall, gern öfter. Extra aus Belgien kamen die Chefs der Ontex-Gruppe nach Großpostwitz, um für das hiesige Werk mit der Industriegewerkschaft Metall einen Zukunftstarifvertrag zu unterschreiben.

Das Papier sichert nicht nur eine anständige Bezahlung der mehr als 400 Mitarbeiter, sondern gibt auch eine Beschäftigungssicherung und eine Standortgarantie für den Betrieb, der weltweit zu den größten Herstellern von Damenhygieneartikeln gehört. "Das ist ein richtig guter Vertrag", freut sich Jan Otto. Er sieht die Ontex-Vereinbarung als Muster für die ganze Region. "Wir sind sehr stolz auf die Belegschaft, die diesen Vertrag mit uns durchgesetzt hat."

Höhere Löhne, mehr Betriebsräte

Wenn der ehrgeizige Gewerkschafter auf das scheidende Jahr zurückblickt, fallen ihm spontan noch mehr Firmen ein, für deren Mitarbeiter sich einiges verbessert hat. Vor zwölf Monaten hatten die Beschäftigten zweier Zulieferbetriebe von Airbus in Kodersdorf noch keinen Tarifvertrag, jetzt gibt es einen. Für das Maja-Möbelwerk in Wittichenau konnte die IG Metall ein deutliches Lohnplus durchsetzen. Auch der Hubarbeitsbühnen-Hersteller Palfinger in Löbau hat jetzt ein Tarifwerk.

Beim Automobilzulieferer Linde + Wiemann in Elstra wurden immerhin Verhandlungen aufgenommen. "Hier hat die Krise reingehauen", weiß Otto um die komplizierte Lage. Aber trotz oder gerade wegen Corona finden die Gewerkschaften, dass gute Tarifverträge und starke Betriebsräte auch durch Krisenzeiten helfen können.

Der TG Autohandel, ein Mercedes-Händler mit mehreren Filialen in der Region, hat jetzt einen Betriebsrat. Ebenso der Rohrleitungssystem-Spezialist Sanha in Großharthau, berichtet Jan Otto. Und nicht zuletzt haben die mehr als 800 Beschäftigten des Wohnmobilbauers Capron in Neustadt bei Sebnitz jetzt einen Betriebsrat. Die Gegend um Sebnitz wird mit von der Bautzener Verwaltungsstelle der IG Metall betreut.

"Bei Accumotive in Kamenz wird 2021 die nächste Stufe gezündet", kündigt der Gewerkschafter an. Ab Juli sei hier die Ost-West-Angleichung im Entgelt vollendet. "Der Standort platzt aus allen Nähten und wir müssen schauen, wie wir ihn zukunftsfähig ausbauen." Genau das plant auch die Firmenmutter Daimler.

Augenmerk auf Bombardier-Übernahme

"Aktuell schauen wir gespannt auf die bevorstehende Übernahme von Bombardier durch Alstom", sagt Otto. Der französische Schienenfahrzeugbauer Alstom möchte im ersten Quartal 2021 den angeschlagenen Noch-Konkurrenten Bombardier mit seinen Werken in Bautzen und Görlitz übernehmen.

Seit einigen Wochen pendelt Jan Otto zwischen seinem Wohnort Dresden und den IG-Metall-Geschäftsstellen Bautzen und Berlin, wo er gleichfalls zum Ersten Bevollmächtigten der Gewerkschaft gewählt wurde. "Ich bekomme beides gut unter den Hut, da mangelnde Energie noch nie mein Problem war", sagt er. "Weiterhin arbeite ich gerade an einer Machbarkeitsstudie, die die Verbindung zwischen Berlin und der Oberlausitz im Rahmen des Strukturwandels herstellt."

Grund zu einer guten - aber keiner sehr guten - Jahresbilanz in puncto Tarife hat auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Ende September meldete die NGG eine Einigung bei der Senffabrik Bautz'ner. Nach wiederholten Streiks in dem Tochterbetrieb des bayerischen Feinkost-Spezialisten Develey stand fest, dass die rund 50 Mitarbeiter im Bautzener Ortsteil Kleinwelka mehr Geld verdienen.

Verhärtete Fronten bei der Firma Lausitzer

Nach erfolgreichen Tarifabschlüssen bei Bautz'ner Senf, im Tiefkühlwerks Frosta in Lommatzsch und im Cargill-Ölwerk in Riesa wollte die NGG auch bei der Lausitzer Früchteverabeitung in Sohland zu einer Vereinbarung über deutlich steigende Löhne kommen. Doch hier erwiesen sich die Verhandlungen mit der Unternehmensführung als besonders schwierig. Die Streiks setzte die NGG Anfang November bis auf Weiteres aus - wegen Corona. NGG-Verhandlungsführer Olaf Klenke kündigt aber an, die Gewerkschaft werde "nicht locker lassen. Wir hoffen auf ein Umdenken im Unternehmen, das eine motivierte Mannschaft braucht."

Im kommenden Jahr steht unter anderem für die Milchwirtschaft eine Tarifrunde an. "Wir arbeiten daran, dass Sachsenmilch mit in den Tarifvertrag kommt", erklärt Klenke. Zurzeit sei das Werk des bayerischen Milchmoguls Müller in Leppersdorf nicht tarifgebunden. Die Gewerkschaft möchte das gern ändern. "In der Lebensmittelindustrie brummt das Geschäft", sagt Olaf Klenke. "Das muss sich auch im Verdienst und in den Arbeitsbedingungen niederschlagen."

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