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Geheime RKI-Protokolle: Debatte über Fehler in der Corona-Politik in Sachsen

Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie waren teils heftig umstritten. Nun werden Protokolle zu Beratungen des RKI publik. Die Veröffentlichung entfacht eine neue Debatte auch in Sachsen.

Von Karin Schlottmann & Stephan Schön
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Die im März 2020 verkündete Verschärfung der Risikobewertung von „mäßig“ auf „hoch“ – Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile dazu – gründete, anders als bislang behauptet, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI.
Die im März 2020 verkündete Verschärfung der Risikobewertung von „mäßig“ auf „hoch“ – Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile dazu – gründete, anders als bislang behauptet, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI. © dpa

Dresden. Vier Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie wird der Ruf nach einer Aufarbeitung der Krisenpolitik immer lauter. Nach der Veröffentlichung von Protokollen des Robert-Koch-Instituts (RKI) mit vielen geschwärzten Stellen hat der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) volle Transparenz verlangt. „Ich fordere Karl Lauterbach deshalb auf, sämtliche Protokolle des RKI-Krisenstabs ohne Schwärzungen zu veröffentlichen“, sagte der FDP-Politiker am Montag in Berlin.

Das RKI hat nach einer Klage zahlreiche Protokolle und Tagesordnungen des Krisenstabes veröffentlicht. Die Unterlagen gewähren teils interessante Einblicke in die Expertenrunde. Ende Oktober 2020 gab es Zweifel, ob die für den Arbeitsschutz gedachten FFP-2-Masken zur Pandemiebekämpfung geeignet sind. Die Öffentlichkeit erfuhr davon nichts. Kurze Zeit später wurden diese Masken in manchen Bundesländern zur Pflicht.

Nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums lässt sich aus den Papieren jedoch nicht ableiten, dass das Institut seine Risikoeinschätzungen nicht unabhängig getroffen habe. Eine teils geschwärzte Passage hatte den Verdacht nahe gelegt, dass Personen außerhalb des RKI bei der Höherstufung des Risikos im März 2020 das letzte Wort gehabt hätten. Das sei nicht der Fall, teilte eine Sprecherin in Berlin mit.

Köpping: Corona war absolute Ausnahme

Die Bewertungen des Instituts unter der Leitung des damaligen Präsidenten Lothar Wieler waren maßgeblich für das Vorgehen von Bund und Ländern, die im Kampf gegen die Pandemie das öffentliche Leben phasenweise vollständig lahmgelegt hatten.

Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) hat sich vorigen Donnerstag im Landtag erneut für eine Überprüfung der Corona-Politik ausgesprochen. Eine Enquetekommission des Landtags solle in der nächsten Legislaturperiode damit beginnen. Corona sei eine „absolute Ausnahmesituation“ gewesen, in der die Verantwortlichen nach bestem Wissen und Gewissen entschieden hätten. Es sei nicht nur eine Grippe gewesen. Menschen seien qualvoll gestorben. Über mögliche Fehler sollte gesprochen werden, um daraus zu lernen.

Auch der Chef des Dresdner Universitätsklinikum, Professor Michael Albrecht, hält eine Aufarbeitung in ausgewogener Form für angemessen, auch wenn das Land die Pandemie gut überstanden habe. Vor allem den alleinigen Deutungsanspruch des RKI habe er stets für kritikwürdig gehalten. Regionale Maßnahmen und regionale Prognosemodelle wären richtiger gewesen. Es sei auch nicht gut gewesen, die maximale Vorsicht auf die Omikron-Variante zu übertragen.

Sachsen: Freie Wähler fordern Entschuldigung

Die Freien Wähler in Sachsen und die AfD verlangen eine Aufarbeitung der politischen Entscheidungen aus dieser Zeit. "Nachdem das Schließen von Kindergärten und Schulen im Nachhinein als Fehler deklariert wurde, wird nunmehr auch klar, dass weitere Maßnahmen in der Corona-Krise nicht zwingend erforderlich waren. Solche Fehlentscheidungen dürfen sich nicht wiederholen. Wir müssen daraus lernen und deshalb bedarf es einer offensiven Aufarbeitung des Geschehenen", erklärte FW-Chef Thomas Weidinger am Montag.

Freie-Wähler-Chef Thomas Weidinger fordert eine Entschuldigung von der Landesregierung.
Freie-Wähler-Chef Thomas Weidinger fordert eine Entschuldigung von der Landesregierung. © Jan Woitas/dpa

Als Beispiel für Fehler in der Pandemie nannte Weidinger unter anderem die mangelnde Kommunikation. Kritiker der Impfpflicht seien als Leugner der Wissenschaft oder Pandemietreiber verunglimpft worden. "Die ganze Kommunikation mit der Bevölkerung und der Umgang mit Kritikern und Skeptikern war ein einziges Desaster. Auch diese Art und Weise der Ansprache wirkt bis heute durch mangelndes Vertrauen in die Politik nach. Daher fordern wir die Bundes- und Landesregierungen in Deutschland auf, sich bei der Bevölkerung zu entschuldigen." (mit dpa)