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Corona: Versammlungsverbot war laut Gericht unverhältnismäßig

Das generelle Verbot von Versammlungen zu Beginn der Corona-Pandemie war nicht gerechtfertigt. Andere Regelungen bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Von Andrea Schawe
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Zur Eindämmung des Coronavirus hatte Sachsen alle Ansammlungen ab drei Personen in der Öffentlichkeit verboten.
Zur Eindämmung des Coronavirus hatte Sachsen alle Ansammlungen ab drei Personen in der Öffentlichkeit verboten. ©   dpa/Robert Michael

Leipzig. Das generelle Versammlungsverbot im April 2020 war nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unverhältnismäßig. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig stufte am Mittwoch die entsprechende Passage der sächsischen Corona-Schutzverordnung als unwirksam ein.

Nach der Verordnung waren alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstigen Ansammlungen untersagt. Die Landkreise und kreisfreien Städte konnten im Einzelfall Ausnahmen für Kundgebungen genehmigen. Andere Bundesländer hatten ähnliche Regelungen erlassen und Versammlungen untersagt.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte in seinem Urteil, dass eine Pandemie Einschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigen könne und diese mit dem Infektionsschutzgesetz begründet werden können. Die Behörden durften das Risiko für Leben und Gesundheit als hoch einschätzen und dabei auch davon ausgehen, dass andere Schutzmaßnahmen wie Abstandsgebote nicht gleich wirksam gewesen wären.

"Dieser Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung standen jedoch außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs", heißt es in dem Urteil. Das komplette Verbot sei "ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit" gewesen. Im Frühjahr 2020 habe sich die Infektionsgeschwindigkeit auch nach Einschätzung des Freistaats verlangsamt. Vor diesem Hintergrund sei ein generelles Versammlungsverbot nicht mehr gerechtfertigt gewesen.

Sachsen hätte Versammlungen möglich machen müssen

Auch die möglichen Ausnahmen änderten daran nichts. Aus der Vorschrift sei nicht erkennbar gewesen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen trotz Pandemie vertretbar gewesen sein könnten. Die Landesregierung hätte dies regeln müssen, "um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen".

Geklagt hatte ein 36-Jähriger, der gegen eine Einschränkung der Grundrechte vor dem Gesundheitsministerium in Dresden demonstrieren wollte. In der Vorinstanz hatte das Oberverwaltungsgericht in Bautzen die Klage noch abgewiesen. Seine Anwältin betonte in der mündlichen Verhandlung die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit gerade in der Pandemie. Die Bürgerinnen und Bürger hätten die Möglichkeit haben müssen, ihre Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun. Die sächsische Corona-Schutzverordnung habe überhaupt nicht plausibel gemacht, warum Versammlungen verboten wurden, Gottesdienste mit 15 Menschen dagegen erlaubt blieben. Der Vertreter des sächsischen Gesundheitsministeriums sagte dagegen: "Es war ein einzigartiger Eingriff, es war aber auch eine einzigartige Situation."

Kontaktbeschränkung und Schließungen rechtmäßig

Schon im November 2022 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Corona-Schutzverordnung vom 17. April 2020 in einem Normenkontrollverfahren befasst. Das Gericht hatte entschieden, dass die Kontaktbeschränkungen für den Aufenthalt im öffentlichen Raum, die Untersagung von Gastronomiebetrieben und die Schließung von Sportstätten verhältnismäßig und auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes verfassungsgemäß waren. Die Ge- und Verbote in der Verordnung waren nach Auffassung des Gerichts erforderlich, um das Ziel der Verordnung zu erreichen, nämlich physische Kontakte zu vermeiden, um die Ausbreitung des Virus und der Krankheit Covid-19 zu verlangsamen.

Im Mai hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auch einen Schlussstrich unter die Diskussion gezogen, ob die Corona-Maßnahmen in der zweiten Welle im Herbst 2020 auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage getroffen worden sind. Es entschied, dass die Bundesländer ihre Regeln zur Schließung von Gaststätten, Hotels und Sportanlagen auf das Infektionsschutzgesetz in der damals geltenden Fassung stützen durften.

Die Regeln der sächsischen Verordnung vom Herbst 2020 – Schließung von Restaurants und Verbot von touristischen Übernachtungen – bestätigte das Bundesverwaltungsgericht. Die Bundesrichter gaben einem Kläger, der in Chemnitz ein Freizeit- und Hotelzentrum betreibt, nur in einem Einzelpunkt recht. Der Freistaat hatte das Sporttreiben alleine oder zu zweit in Amateursportanlagen zugelassen, in Fitnessstudios jedoch nicht. Das sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. (mit dpa)