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"Das ist wie zwei Monate Hausarrest"

Innerhalb von vier Monaten musste ein Dresdner Volleyballer gleich viermal in Corona-Quarantäne. Der 20-jährige Sportschüler hoffte auf einen Impftermin.

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Nils Püschel (links) war innerhalb von vier Monaten viermal in Quarantäne. Für die Nerven, aber auch seine sportliche Entwicklung keine leichte Zeit.
Nils Püschel (links) war innerhalb von vier Monaten viermal in Quarantäne. Für die Nerven, aber auch seine sportliche Entwicklung keine leichte Zeit. © Jürgen Lösel

Dresden. Eigentlich gehört Nils Püschel zu den Privilegierten. Er durfte im Gegensatz zu Millionen anderen in Sachsen auch im Lockdown weiter seinem Sport nachgehen. Seine bisherige Mannschaft, der Volleyball Club Dresden, spielt in der 2. Bundesliga der Männer. Die Liga wird professionell als GmbH geführt. Deshalb darf weiter gespielt und trainiert werden. Vom Status her ist das ähnlich dem der Fußballer von Dynamo Dresden oder den Volleyballerinnen des Dresdner SC, die sich vorige Saison die Deutsche Meisterschaft gesichert haben.

Püschel ist aber kein Profi. Seine Hauptbeschäftigung ist es, das Abitur am Sportgymnasium in Dresden zu erreichen. "Da sind das Training und die Spiele mit der Mannschaft der Höhepunkt der Woche", sagt der zwei Meter große Athlet. Doch was sich am Anfang der Saison im September noch so gut anfühlte, hat die Corona-Pandemie arg ins Stocken gebracht. Die leistungssportliche Entwicklung kam nicht so in Fahrt wie erhofft. Doch darauf hatte Nils Püschel nur bedingt Einfluss.

Von Ende Dezember bis Anfang Mai hat ihn das Coronavirus gleich viermal erwischt, also nicht persönlich, sondern indirekt. "Jedes Mal musste ich als enge Kontaktperson in Quarantäne. Blieb aber jedes Mal gesund", erzählt er. Das ist natürlich Grund zur Freude. Es hätte auch anders kommen können. Als Leistungssportler weiß er, wie wichtig die eigene Gesundheit ist. Er hat sich auch immer vorgesehen und sich so gut es geht geschützt.

Abi-Prüfung muss er in einem Extra-Raum schreiben

Lediglich in der Familie saß er mal länger ohne Maske mit anderen in Innenräumen oder kam seinen Mitspielern beim Sport zwangsläufig mal näher. Doch das reichte, um vier mal für die vorgeschriebenen 14 Tage in häusliche Absonderung zu müssen. "In so kurzer Zeit wie bei mir, war das wie zwei Monate Hausarrest", sagt er.

Zweimal erhielt er so etwas wie "Hofgang" zur Schule. Zwei Abiturprüfungen fielen ins Ende der vierten Quarantäne. "In Absprache mit Schule und Gesundheitsamt durften Quarantäne-Schüler der Abschlussklassen, die ohne Symptome und negativ getestet waren, die Prüfung in einem separaten Raum in der Schule schreiben", erklärt er. Das war wie bei der sogenannten "Arbeitsquarantäne", dass die Schüler ausschließlich für diesen Weg aus der häuslichen Absonderung durften. Ein Arzt an einem separaten Eingang testete sie vor Prüfungsteilnahme noch mal.

Wie oft der 20-Jährige in den vergangenen Monaten getestet wurde, kann er gar nicht aufzählen. Vor jedem Punktspiel wurde getestet, nach Wiederöffnung der Schule mindestens jede Woche und auch als Kontaktperson. Ob Antigen-Test, Selbsttest oder PCR-Test: Jedes Mal waren sie negativ. Vor insgesamt fast acht Wochen Quarantäne hat ihn das nicht geschützt.

Beim ersten Mal war es wegen der Infektion eines Elternteils, dann war es ein Familienmitglied der Freundin. Wegen dem gemeinsamen Training in einer Sporthalle musste er noch zweimal als Kontaktperson eines Mitspielers in Quarantäne.

Die sportliche Entwicklung stagnierte komplett

Da wusste er sich zwar zu beschäftigen. Im Team hat er viele Freunde, die ihn immer virtuell wieder bei Laune hielten. Was aber so überhaupt nicht gelingen konnte war, sich sportlich weiter zu entwickeln. Der VC Dresden war nicht nur Aufsteiger, sondern stellt auch das jüngste Männer-Team in der gesamten Bundesliga. Um den angestrebten Klassenerhalt zu schaffen, war unbedingt eine Leistungssteigerung im Verlauf der Saison nötig. Im Großen und Ganzen ist das gelungen. Der VC Dresden hatte schon fünf Spieltage vor Saisonschluss den Ligaverbleib perfekt gemacht.

Dafür war auch Nils Püschel als wichtiges Teil im mannschaftlichen Räderwerk eingeplant. Doch meist kam er nur zu Kurzeinsätzen. Als er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder herangekämpft hat, musste er wieder in Quarantäne. Mit Fitness-Training kann man auch in der Wohnung seinen Körper stählen. Doch der Erfolg im Volleyball gelingt nur mit perfektem Zusammenspiel. Das fehlte natürlich. Der Trainingsrückstand war einfach nicht aufzuholen.

Die Quarantäne-Regeln in Sachsen wurden zwar etwas gelockert. Wer vollständig geimpft ist oder nach einer Infektion als genesen gilt, musste nicht mehr zwangsläufig in häusliche Absonderung, wenn er symptomlos ist. Deshalb konnten einige Freunde schon weiter trainieren, während Püschel noch in seinem Zimmer hocken musste. Wenigstens die Abi-Prüfungen sind so gelaufen sind, wie er sich das erhofft hatte. "Wenn die Lernzeit zu Hause auch noch umsonst gewesen wäre, das wäre bitter", sagt er.

Antikörper-Untersuchung bringt sehr niedrigen Wert

Insgeheim hatte er gehofft, dass er sich in den vier Fällen, in denen er enge Kontaktperson war, angesteckt hat, ohne es zu merken. "Das soll es ja geben", sagt Püschel. Dann würde er als genesen gelten und müsste die nächsten sechs Monate nicht mehr als Kontaktperson in Quarantäne. Weil sein Fall so außergewöhnlich ist, hat er sogar eine Untersuchung auf Antikörper in seinem Blut veranlassen können. Der Wert war aber so niedrig, dass es auszuschließen ist, dass er eine Infektion durchgestanden hat und genesen ist.

Seine letzte Hoffnung, noch mal um eine mögliche Quarantäne-Anordnung herumzukommen, war eine Impfung. Als er endlich dran war, nutzte er sofort die erstbeste Gelegenheit. Für das Bundesliga-Team nutzt ihm das erst mal nichts mehr. Der VC Dresden plant vorerst nicht mehr mit ihm.

Das Ende einer sportlichen Karriere soll das aber nicht zwangsläufig sein. Als leidenschaftlicher Sportler hat er nicht nur Kampfgeist, sondern auch großen Optimismus. Ganz vorn steht nach dem erfolgreichen Abi nun aber erst mal seine Ausbildung, wie er sagt.