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Kreis Görlitz: Landrat Lange verärgert über Impfstart

Das Corona-Geschehen spielt sich in Alten- und Behindertenheimen ab. Schnelles Impfen könnte jetzt die Pandemie treffen. Doch genau das findet nicht statt.

Von Sebastian Beutler
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Am Montag begann das Löbauer Impfzentrum zu impfen - doch in dieser Woche ist nur medizinisches oder Pflegepersonal dran.
Am Montag begann das Löbauer Impfzentrum zu impfen - doch in dieser Woche ist nur medizinisches oder Pflegepersonal dran. © Rafael Sampedro

Der Görlitzer Landrat Bernd Lange hat das Sozialministerium für die Umsetzung der Impfstrategie hart kritisiert und seiner Verärgerung vor Journalisten am Dienstag Ausdruck gegeben.

Das Ministerium sollte mal nach Mecklenburg-Vorpommern schauen, um sich ein Beispiel dafür zu nehmen, wie das Impfen funktionieren könnte. Mecklenburg-Vorpommern ist das deutsche Bundesland, das nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bislang am meisten gegen das Coronavirus geimpft hat - Sachsen ist das Schlusslicht.

Im Landkreis Görlitz startete zwar am Montag das Impfzentrum in Löbau, doch bis Montag nächster Woche sollen zunächst nur Mitarbeiter von Pflegediensten geimpft werden. Für über 80-Jährige ist es im Moment ganz schwer bis unmöglich, an einen Termin zu kommen - obwohl sie die Gruppe sind, die als Erste geimpft werden sollen.

183 Impfdosen stehen täglich nur zur Verfügung

Nach SZ-Recherchen hatten nach dem Impfstart im Landkreis Görlitz in einem Heim in Ebersbach-Neugersdorf zwar die Kliniken in Eigenregie ihre Mitarbeiter auf den Intensivstationen geimpft. In Heimen des Landkreises war das mobile Impfteam des ASB aber bis Freitag vergangener Woche nur an zwei Tagen unterwegs gewesen. Täglich stehen in dieser Woche nur 183 Impfdosen im Kreis zur Verfügung.

Der Kreis hatte den Freistaat gebeten, die acht Altenheime zuerst durchzuimpfen, wo bislang keine Corona-Infektionen aufgetreten waren, um die Bewohner dort endgültig vor dem Coronavirus schützen zu können. Ob das geschieht, ist dem Landkreis nicht bekannt. "Es findet keine Abstimmung mit uns statt", kritisierte Lange. "Wir tragen zwar keine Verantwortung beim Impfen, wir sind aber auch nicht eingebunden". Seiner Ansicht nach ist Impfstoff ausreichend vorhanden, woran es fehle, sei eine gute Organisation der Impfungen.

Günstiger Moment, um die Pandemie einzuhegen

Eine enge Verzahnung von Impfung in den Heimen und der Kontaktverfolgung wäre aber gerade im Moment wichtig. Denn die Corona-Pandemie im Kreis Görlitz spielt sich vor allem in den Alten- und Behindertenheimen ab. 19 Altenheime stehen unter Quarantäne, 47 Alten- und Behindertenheime kommen gerade aus ihr, nachdem dort ein Corona-Ausbruch überstanden worden ist. Landrat Bernd Lange führt bis zu 50 Prozent aller Corona-Neuinfektionen auf Alten- und Behindertenheime sowie das soziale Umfeld von Mitarbeitern dieser Einrichtungen zurück. "Wir sehen zwar immer noch eine hohe Zahl an Neuinfektionen, aber ich habe den Eindruck, dass sie sich stabilisieren", sagt Lange. Es sei zu früh, von Entspannung zu reden oder gar Entwarnung zu geben. Aber die Lage sei derzeit unter Kontrolle. Die Zahlen sind jetzt nach den Feiertagen seiner Einschätzung zufolge auch wieder belastbar.

Kliniken können derzeit alle Corona-Patienten behandeln

Zwar wurden dem Kreis-Gesundheitsamt in Görlitz binnen 24 Stunden bis Dienstagmittag weitere 124 Neuinfektionen, darunter ein Kind, gemeldet. Aber am Dienstag vor einer Woche waren es 202 neue Fälle gewesen. Die 7-Tage-Indizenz gibt der Landkreis jetzt mit 436 an. Weitere elf Todesfälle wurden für den Zeitraum vom 16. Dezember bis 12. Januar nachgemeldet, so dass es jetzt 577 Menschen sind, die nach einer Corona-Infektion gestorben sind.

Die Zahl der aktuell Infizierten sank erneut drastisch um 671 auf nur noch 3.011 - so wenige wie seit Anfang Dezember nicht mehr. In den Krankenhäusern werden derzeit 222 Patienten behandelt, 23 intensivmedizinisch, elf von ihnen müssen beatmet werden.

Zwischen Anfang November und Weihnachten wurden 40 Patienten aus dem Landkreis nach Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen verlegt. Das sei im Moment nicht nötig. "Wir können unsere Patienten in den Kliniken im Kreis versorgen", erklärte Sozialbeigeordnete Martina Weber. Dazu trägt auch die Einbindung des Krankenhauses in Rothenburg bei, wo 30 Betten zur Kurzzeitpflege zur Verfügung stehen. Bislang waren maximal 25 von ihnen belegt. Dadurch soll die Verweildauer der Patienten in den Kliniken reduziert und die Betten dort für weitere Aufnahmen freigemacht werden.

Enormer personeller Aufwand

Der personelle Aufwand, um diese Pandemie im Landkreis unter Kontrolle zu halten, ist allerdings enorm. Das Gesundheitsamt hat sonst 63 Mitarbeiter, derzeit sind 718 Mitarbeiter des Kreises in der Kontrollverfolgung tätig, hinzu kommen einige Mitarbeiter von Landesbehörden und Soldaten der Bundeswehr. Ihr Einsatz im Landkreis Görlitz ist bis 19. Februar verlängert worden, wenn auch mit weniger Personal. So stehen ab Sonnabend dieser Woche 111 Soldaten der Bundeswehr im Corona-Einsatz im Kreis Görlitz, darunter 63 in den Kliniken. Bislang waren es insgesamt 156. "Ohne die vielfältige Hilfe der Bundeswehr, ohne den Einsatz in den Kliniken und bei den Hilfsorganisationen", so sagte Lange, "hätten wir das nicht leisten können".

So aber gelang dem Kreis, dass die Infektionsketten nachverfolgt werden können. Hilfreich dafür sind auch die Wirkungen der Corona-Auflagen: die sozialen Kontakte sind deutlich geringer als noch im November, es gibt keine Familienfeiern, keine betroffenen Kita-Gruppen oder Schulklassen. Nach Angaben von Gesundheitsamtsleiterin Annegret Schynol sind es jetzt meist unter 10 Kontaktpersonen bei einem positiven Corona-Fall, zuvor waren es teilweise 50 bis 60.

Doch auf Dauer müssen die Neuinfektionen deutlich sinken. Denn irgendwann muss das Gesundheitsamt mit seinen 63 Mitarbeitern die Pandemie wieder kontrollieren.

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