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Die Faxen dicke vom "Corona-Mist"

Wer sind die Ungeimpften und wie denken sie? Ein Besuch vor einem Testzentrum in Görlitz.

Von Matthias Klaus
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Ein Corona-Test, hier ein Symbolbild: Aber warum nicht einfach impfen?
Ein Corona-Test, hier ein Symbolbild: Aber warum nicht einfach impfen? © Claudia Hübschmann

Es ist ein grauer Vormittag in Görlitz. Der Nebel hängt noch tief, die Sonne hatte bisher keine Chance, ihn zu vertreiben. Grau, so könnte man vielleicht auch die Stimmung bezeichnen, die gerade vor dem Corona-Testzentrum auf der Bahnhofstraße herrscht.

Der Container ist gut besucht. Warum lassen sich die Leute hier testen, warum nicht impfen? Der Versuch, eine Antwort zu finden, ist - das schon mal vorweg - schwierig. Denn gesprächsbereit ist hier kaum jemand. "Zeitung, na klar", sagt eine ältere Dame aus Görlitz. "Ihr schreibt doch sowieso nur Blödsinn. Ab und zu gucke ich mal bei der Nachbarin mit rein. Das reicht mir schon." Und warum lässt sie sich heute hier testen?

"Naja". Sie druckst ein bisschen rum. "Ich will meine Freundin im Krankenhaus besuchen. Nein, sie hat kein Corona. Aber ich will ja auch nicht das Virus reinbringen", sagt sie. Impfen, nein, das will sie nicht. "Wer weiß, was da drin ist", sagt die Frau.

"Wenn du was schreiben willst, nenn mich Frank", fordert ein Mann mittleren Alters auf dem Penny-Parkplatz. Der Görlitzer, Ende 40, ist gerade auf dem Weg zum Testzentrum. Frank hat die Faxen dicke, wie er selber sagt, von diesem "Corona-Mist", von Politikern, die in Talkshows auch nur immer dasselbe "rumlabern", von 2G, 3G, "dann neuerdings irgendwas noch mit Plus, da findet sich doch keine Sau mehr rein".

Impfen, nein, das kommt für ihn jetzt erst mal nicht infrage. Frank hat sich im Internet schlau gemacht. "Hast du dort schon mal gelesen, was dieser Impfstoff für Nebenwirkungen haben kann? Dass man daran sterben kann? Nein, natürlich nicht." Er wird ein bisschen ärgerlich. "Denkst du wirklich, das sind alles Fake News? Glaub ich nicht." Frank schüttelt den Kopf. Nein, ein Corona-Leugner ist er nicht, sagt er. Aber er wolle sich auch nicht "alles Mögliche" impfen lassen, bei dem er nicht weiß, was in ein paar Monaten oder Jahren an Nachwirkungen auftreten.

Es sind die gängigen Argumente der Impfskeptiker: fehlende Langzeitstudien, Zweifel am Impfstoff und an der Impfwirkung. Dabei bestätigten erst wieder vergangene Woche die Chefs von Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut (RKI): Es gibt keine Langzeit-Nebenwirkungen von Impfungen, die nicht schon in den ersten Wochen nach dem Pieks zu erkennen sind; es gibt kein Metall im Impfstoff und die RNA ist bereits nach wenigen Tagen im Körper nicht mehr nachweisbar, die DNA kann sie gar nicht beeinflussen, das sind zwei verschiedene Dinge; und schließlich ist die Impfwirkung gegen eine schwere Erkrankung nachgewiesenermaßen bei den gängigen Impfstoffen gegeben. Und Testen, so erklärte auch RKI-Chef Lothar Wieler, verhindere keine Ansteckung - anders als die Impfung.

Warum lässt sich Frank dann testen? "Weil ich muss", sagt er. Sein Arbeitgeber, den er nicht nennen will, verlange es. Zwar gebe es am Arbeitsplatz auch individuelle Testmöglichkeiten. "Aber was Offizielles ist ja immer besser", findet er. Dass er, nach aktuellem Stand der Dinge, mit einer Impfung eher gegen einen schweren Verlauf einer möglichen Corona-Infektion geschützt wäre, dazu winkt er nur ab: "Die einen sagen so, die anderen so. Guck ins Internet."

Der Nebel lichtet sich inzwischen etwas über Görlitz, die Schlange vor dem Testzentrum aber nicht. Corona-Leugner will hier, so eine kleine SZ-Umfrage, keiner sein. Auch Roman Nowak nicht. Er kommt aus der Nähe von Zgorzelec und hat eine große Sorge: "Hoffentlich machen sie die Grenze nicht wieder dicht." Denn Roman Nowak, Anfang 30, arbeitet diesseits der Neiße und eine geschlossene Grenze - nein, daran hat er wirklich schlechte Erinnerungen.

Warum lässt er sich nicht einfach impfen? "Warum denn?", fragt er ein bisschen erstaunt zurück. Er sei gesund, habe in diesem Herbst noch nicht mal einen Schnupfen gehabt. "Ich brauche keine Impfung. Irgendwann ist diese Virensache vorbei, und ich habe was im Körper, was da eigentlich nicht hineingehört", findet er. Testen lässt er sich nur wegen der Arbeit, weil es verlangt wird. "Ich fühle mich doch gut, eigentlich brauche ich nicht mal den Test", sagt er.

Studien zeigen, dass Ungeimpfte tendenziell jünger und aus Ostdeutschland sind. Die letzten vier Plätze in der Impfstatistik belegen ostdeutsche Bundesländer In Sachsen liegt die Impfquote gerade einmal bei 59,4 Prozent. Zum Vergleich: In Bremen sind es mittlerweile 81,5 Prozent, Stand vergangene Woche.

Ostdeutsche sind weniger impfbereit und haben weniger Vertrauen in die Sicherheit der Impfung. Laut aktueller Forsa-Studie stimmt das damit überein, dass im Osten das Vertrauen in die Bundesregierung wesentlich geringer ist als im Westen.

Einer Umfrage des Forsa-Instituts mit knapp 3.000 Befragten zufolge haben 50 Prozent der Ungeimpften bei der Bundestagswahl im September für die AfD gestimmt. Der Stimmenanteil der rechten Partei unter den Ungeimpften wäre damit fast fünfmal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung in Deutschland. 15 Prozent der Befragten stimmten für die "Querdenker"-Partei "Die Basis", die in der Pandemie gegründet wurde. Im Landkreis Görlitz erhielt die AfD 32,5 Prozent der Zweitstimmen, "Die Basis" 1,7.

Bernd Wölker kommt aus Brandenburg und steuert gerade das Testzentrum in Görlitz an. Er ist zweimal geimpft. "Ich arbeite im Außendienst. Da brauche ich Sicherheit", sagt er. Als Virenschleuder zu gelten, dass könne er sich in seinem Job nicht leisten. "Da hängt doch mein Auskommen dran", sagt er.

Die ältere Dame vom Anfang der Schlange hat inzwischen ihr Ergebnis bekommen, negativ. Dem Besuch der Freundin im Krankenhaus steht ruhigen Gewissens nichts mehr im Wege, aus ihrer Sicht. "Können Sie ruhig schreiben in ihrer Zeitung. Geht auch ohne Impfung", so ihre Meinung. Das Problem: Wegen Corona gibt es im Klinikum Görlitz und im St. Carolus eh einen Besuchsstopp.