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Hausarzt muss Impfdosen wegwerfen

Die Biontech-Rationierung kommt zur falschen Zeit. Aus organisatorischen, nicht aus medizinischen Gründen. Ein Arzt aus Klipphausen wendet sich an Jens Spahn.

Von Marvin Graewert
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Leere Impfampullen in einem Abfallbehälter: Durch die Biontech-Rationierung könnten vermehrt halbvolle Ampullen im Müll landen.
Leere Impfampullen in einem Abfallbehälter: Durch die Biontech-Rationierung könnten vermehrt halbvolle Ampullen im Müll landen. © Gregor Fischer/dpa

Klipphausen. In der Burkhardswalder Praxis von Torsten Schab, Facharzt für Allgemeinmedizin, klingelt das Telefon ununterbrochen. Alle wollen einen Impftermin. Doch seit dieser Woche können Arztpraxen pro Woche vorerst maximal 48 Dosen Biontech bestellen – zwischenzeitlich lag die angekündigte Bestellmenge höchstens bei 30 Impfdosen.

Bei dem dringlichen Impfauftrag komme die Rationierung der Impfdosen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt – obwohl es rein medizinisch kaum einen Unterschied macht, ob Biontech oder Moderna verimpft wird. Die Wirksamkeit sei ähnlich: „Ein Vorteil ist vielleicht, dass man bei der dritten Impfung mit dem gleichen Impfstoff weiß, dass der Patient gut darauf reagiert“, sagt Schab. Das eigentliche Problem sei ein Organisatorisches.

"Herr Spahn, so funktioniert das nicht!"

Mit jedem Fläschchen Moderna lassen sich 20 Auffrischimpfungen oder zehn Erst- und Zweit-Impfungen verabreichen. Bei Biontech sind es zwölf beziehungsweise sechs Impfungen. Das bringt den ganzen Impfplan der Praxis durcheinander, der vorsieht, sechs Patienten auf einmal einzubestellen. „Mehr ist aktuell einfach nicht zu bewältigen, weil wir jeden Tag 20 Corona-Positive in der Praxis haben und die anderen Krankheiten auch keine Pause machen.“ Aber was passiert am Ende des Tages mit den vier Impfdosen der angebrochenen Ampulle?

Letztlich muss Schab ab nächster Woche einen Großteil der Impfstoffe wegwerfen, weil die angestochenen Ampullen nur wenige Stunden haltbar sind: Der Pfizer-Impfstoff muss innerhalb von sechs Stunden nach Anstechen der Ampulle verimpft werden, bei Moderna bleiben 19 Stunden. Für Arztpraxsen ist das zu wenig Zeit, da Impfsprechstunden in der Regel alle 24 Stunden abgehalten werden. Der Impfstoff vom Vortrag darf da schon nicht mehr verwendet werden. “Herr Spahn, so funktioniert das nicht!“, konfrontiert Schab den Bundesgesundheitsminister per E-Mail mit einem Realitätsabgleich.

Wenn die Umstellung nicht von Freitag auf Montag angekündigt worden wäre - sondern drei Wochen vorher - dann hätte Schab die Impftermine noch umplanen können. Jetzt seien die Termine in seiner Arztpraxis bis Januar durchgeplant: „Eigentlich sollen wir keine Impfdosen wegwerfen, doch so werde ich nicht drumherum kommen.“

Ein anderes Problem sei, dass sich seine Patienten auf eine Biontech-Impfung eingestellt haben: „Bei der Ankündigung am Telefon, dass sich der Impfstoff ändert, haben 50 Prozent kein Problem damit, die andere Hälfte diskutiert“, berichtet Schab, der nach Empfehlung der STIKO für Patienten unter 30 Jahren den Biontech-Impfstoff vorhalten soll. Im schlimmsten Fall würden die Patienten stinksauer abspringen und die Arztpraxis für die Rationierung verantwortlich machen.

Dabei betreibt die Burkhardswalder Praxis einen zusätzlichen Aufwand, um möglichst viele Impftermine in der Woche zu ermöglichen. Mit einer extra Impfsprechstunde können pro Woche 60 Impfungen durchgeführt werden. In der vormittäglichen Sprechstunde sind sogar im Dezember noch ein paar Termine frei. Wer einen Termin am Nachmittag sucht, bekommt in diesem Jahr keinen Termin mehr.