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Textilbranche: Wohin mit den Masken?

Masken statt bunter Stoffe - selbst das lohnt sich für Sachsens Textilunternehmen nicht mehr. Denn die Behörden setzen auf importierte Billigware.

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Mitarbeiter nähten bei Damino in Großschönau etwa 60.000 Masken pro Woche.
Mitarbeiter nähten bei Damino in Großschönau etwa 60.000 Masken pro Woche. © Matthias Weber/photoweber.de

Großschönau/Schöneck. Das Rattern der Webmaschinen übertönt alle Gespräche. Geschäftsführer Dirk Ladenberger ist längst daran gewöhnt. Feiner Damast entsteht unter dröhnendem Klackern.

Dabei schweigt ein Drittel der 57 Webmaschinen. "Im März hatten wir Umsatzeinbußen von 60 Prozent. Hotellerie, Wäschereien, Airlines, Kreuzfahrtschiffe, Gastro - das sind unsere Hauptkunden. Die Pandemie hat fast sämtliche Geschäftsfelder weggerissen", sagt er.

Corona hat Aufträge gestoppt, Kurzarbeit steht auf dem Plan. Seit April 2004 leitet der 51-Jährige das Oberlausitzer Textilunternehmen mit 185-jähriger Geschichte und 140 Mitarbeitern.

Alle Abnehmer brachen gleichzeitig weg

Großschönau gilt als Deutschlands Wiege der Damast- und Frotteeherstellung. Der sogenannte Afrika-Damast wandert durch die 40 Meter lange Heißbleichanlage mit Waschmaschine und Trockner. Das Jacquardgewebe entsteht für den afrikanischen Markt - der Stoff ist vor allem bei wohlhabenden Kunden begehrt.

"Gut, dass es diese Abnehmer gibt", sagt Ladenberger. Damino produziert Stoffe für Händler in der Schweiz, Österreich und Deutschland. "Wenn alle Geschäftsfelder gleichzeitig wegbrechen, hat man keinen Plan C. Es ist schwierig, aber nicht aussichtslos", so Ladenberger.

Damino-Geschäftsführer Dirk Ladenberger: "Schwierig, aber nicht aussichtslos."
Damino-Geschäftsführer Dirk Ladenberger: "Schwierig, aber nicht aussichtslos." © Miriam Schönbach/dpa-Zentralbild/dpa

Damino ist kein Einzelfall. In der Corona-Krise haben viele Textilunternehmen zu kämpfen. Jenz Otto, Geschäftsführer des Verbands der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (vti) spricht von einer "massiven Krise mit großem Umsatzminus".

"Vielleicht erwischt es den Osten nicht so schlimm, weil Unternehmensgrößen überschaubar sind. Es sind oft Familienbetriebe. Deshalb bin ich hoffnungsvoll, dass unsere Branche diese Krise überstehen wird", sagt Otto. Allein in Sachen sind in der Textil- und Bekleidungsindustrie rund 12.000 Beschäftigte tätig.

Schutzmasken als neues Geschäftsfeld

"Die Textilindustrie hat anfangs aus der Krise geholfen. Viele haben sofort gehandelt", sagt Otto. Mehr als 30 Textil- und Bekleidungsunternehmen haben laut Verband mit der Herstellung von Masken und Schutzausrüstung im Verbandsgebiet begonnen.

Auch der Unterhaltungselektronik-Hersteller Technisat mit Hauptsitz in Daun (Rheinland-Pfalz) gehört dazu. In der Corona-Krise hat die Firma ein neues Geschäftsfeld entdeckt. Das Unternehmen stellt seit kurzem in Stassfurt (Sachsen-Anhalt) und in Schöneck (Vogtland) Schutzmasken her.

Produziert wird etwa in Sachsen im Dreischicht-Betrieb - rund sechs Millionen Stück pro Monat werden hergestellt. Es gebe zahlreiche Kunden wie Kliniken, Apotheken oder Abnehmer aus der Industrie, berichtet Geschäftsführer Stefan Kön.

"Bei den Behörden zählt nur der Preis"

Enttäuscht hingegen zeigte er sich mit Blick auf die öffentliche Hand, wo man bei Ausschreibungen kaum Erfolg habe. Die Behörden kauften vor allem Billig-Produkte aus China, weil nach der europäischen Vergabenorm vor allem der Preis zähle, sagt Kön. "Für uns deutsche Hersteller ist da kein Platz mehr." Auch wenn sich Kön mehr Abnehmer wünscht, lässt er die Produktion im Vogtland vorerst weiterlaufen.

Auch der Damino-Chef reagierte in der Krise schnell: Ladenberger konfektionierte im Februar 2020 den ersten Masken-Prototyp. Wenige Tage später entstanden in der Damino-Konfektion 3.000 Stück. Die erste Charge ging in die benachbarte Schokoladenfabrik in Niederoderwitz.

Damino-Mitarbeiterin Anett Trenkler behebt an einer Webmaschine den Bruch eines Webfadens unter ohrenbetäubendem Rattern.
Damino-Mitarbeiterin Anett Trenkler behebt an einer Webmaschine den Bruch eines Webfadens unter ohrenbetäubendem Rattern. © Miriam Schönbach/dpa-Zentralbild/dpa

Die Nachfrage explodierte, die Damino-Näherinnen schoben Sonderschichten. 60.000 Masken produzierte das Unternehmen seinerzeit pro Woche. Bayern bestellte, ebenso Sachsen und der Landkreis Görlitz für die Pflege- und Gesundheitseinrichtungen. "Sechs Wochen lang hat uns dieses neue Produkt überleben lassen", so Ladenberger.

Lieferung aus China: Produktion in Sachsen eingestellt

Im April 2020 landet auf dem Leipziger Flughafen ein Frachtflugzeug mit mehr als zehn Millionen Masken aus China an Bord. Die georderte Ware in Großschönau wird noch abgenommen, dann ist "Made in Saxony" vorerst vergessen. Derzeit liegen noch 60.000 Schutzmasken auf Lager - die Produktion ist erst einmal eingestellt.

Nur eins von vielen Beispielen, so Otto. Etliche Unternehmen hätten in neue Maschinen investiert, an mehreren Standorten seien neue Linien für die Produktion von Mund-Nasen-Schutz und andere virenabweisende Mehrweg-Erzeugnisse entstanden. "Projekte mit mäßigem Erfolg", wie er sagt, "da die öffentliche Hand längst nicht in dem Maße Bestellungen in deutschen Unternehmen ausgelöst hat, wie nötig wären". Er fordert, dass Entscheider mehr Gesundheitsschutz-Textilien bei heimischen Herstellern ordern sollen.

Keine Verträge mit heimischen Produzenten

Auf dieses Umdenken hofft auch Ladenberger. Sein Appell geht an den Freistaat, bei Ausschreibungen stärker an die Textilunternehmen zu denken. In Krisenzeiten hätten sie geholfen, so der Damino-Chef.

Seit Juli 2020 arbeitet die Weberei mit einer Auslastung zwischen 35 und 50 Prozent, bis Jahresende ist Kurzarbeit angesetzt. In den Büchern stehen 5,5 Millionen Euro für georderte und in großen Teilen bereits produzierte Waren, die noch nicht abgenommen wurden, weil die meisten Auftraggeber selbst in Finanzierungsnöten sind.

Das Gesundheitsministerium erklärt auf Anfrage, nur in der Anfangszeit der Pandemie Schutzmasken beschafft zu haben. Da zu diesem Zeitpunkt noch keine Schutzmasken aus dem Inland verfügbar gewesen seien, musste auf chinesische Hersteller zurückgegriffen werden.

Nun funktionierten die "normalen Lieferwege" und der Freistaat muss nicht mehr einspringen, um Schutzmasken für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zu beschaffen. Im Gesundheitsministerium gibt es den Angaben zufolge daher zur Zeit keine Verträge über Schutzmasken mit heimischen Produzenten. (dpa)