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Warum Karls Erlebnis-Dorf ein Vorbild ist

In einer Woche eröffnet der Freizeitpark bei Döbeln. Die Sachsen lieben ihn jetzt schon. Dabei bringt Karls mehr als Vergnügen: Das können wir von Karls lernen. Ein Kommentar von Elke Görlitz.

Von Elke Görlitz
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© Daniel Schäfer

Die Sachsen sind im Erdbeerrausch. Seit Mitte Oktober 2020 das Geheimnis gelüftet wurde, dass die Karls Touristik GmbH ihr sechstes Erlebnis-Dorf an der A 14 nördlich von Döbeln errichtet, wächst der Hype um den neuen Freizeitpark.

Wenige Tage vor der Eröffnung wird jede Neuigkeit zu Karls Erlebnis-Dorf Döbeln in sozialen Medien millionenfach geklickt, Google kennt schon die Adresse: Erdbeerstraße 1. In Erwartung eines immensen Besucheransturms hat die Autobahn GmbH veranlasst, die Geschwindigkeit auf der A 14 bei Döbeln zu drosseln, Regiobus pendelt mit der neuen K-Linie zwölfmal am Tag zwischen Hauptbahnhof und Erlebnis-Dorf.

Karls-Chef Robert Dahl spricht von jährlich etwa 900.000 Besuchern, die in dem am südlichsten gelegenen der sechs Karls Erlebnis-Dörfer erwartet werden. Nicht nur aus Sachsen. Genauso freuen sich Bayern und Tschechen auf Erdbeer-Raupenbahn, fliegende Schokoladentafel und Traktorbahn.

Dabei war der Standort Döbeln gar nicht die erste Wahl. Die fiel auf Bannewitz bei Dresden. Vorher hatte sich der Döbelner Oberbürgermeister Sven Liebhauser, wie viele Sachsen Ostsee-Urlauber und Karls-Fan, an Robert Dahl gewandt und Döbeln als optimalen Platz für den Freizeitpark angepriesen. Er bekam eine Absage mit der Begründung, Karls halte Wort und an Bannewitz fest. Erst als dort ein Grundstücksdeal platzte, besann sich Dahl auf Döbeln.

Das sollte sich nicht als Nachteil erweisen: Stadt und beteiligte Behörden legten bei den Genehmigungsverfahren ein hohes Tempo vor, die Stadt kaufte ein Grundstück, um dem Investor ein passendes Baufeld anbieten zu können, und kümmerte sich um den Ausbau des Verkehrsknotens A14/B169. Sogar eine Buslinie gibt es, noch bevor das Erlebnis-Dorf öffnet. Ein Novum für den Unternehmer aus Mecklenburg-Vorpommern.

Nachhaltigkeit, Regionalität, gute Arbeitsatmosphäre

Dass die Sachsen Karls Erlebnis-Dorf mit offenen Armen empfangen, gibt das Familienunternehmen aber auch zurück. In vielerlei Hinsicht ist es Vorbild.

Erstens in Sachen Nachhaltigkeit, die schon im Konzept steckt. Beim Betreten des größten Gebäudes, des Manufakturen-Marktes in Döbeln, fallen sofort die alten Türen auf, die als Wandverkleidung angebracht sind, alte Dielen finden ebenso Verwendung wie alte Nähmaschinentische und Tische, die aus verschiedenen Haushalten zusammengetragen wurden.

Chef Robert Dahl und seine Schwester Ulrike setzen auf Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht. Was andere längst weggeschmissen hätten, wird bei Karls gesammelt und wiederverwendet. Zum Beispiel Baumaterial, das beim Abriss einer Kaserne in Berlin nicht im Container landet, sondern in Döbeln wieder verbaut wird.

Und Karls sammelt. Kaffeekannen zum Beispiel, wovon es indes mehr als 55.200 und damit die weltgrößte Sammlung in den Erlebnis-Dörfern gibt. In Zeiten, in denen niemand mehr repariert, der Plasteverbrauch auf einem Höchststand ist und die Müllberge wachsen, ist dies ein gutes Signal: Was alt ist, muss nicht weg, wie die Eierbechersammlung der Döbelnerin Christiane Hasenwinkel. 4.750 Eierbecher sind es – aus verschiedenen Materialien und Ländern.

Die Mitarbeitenden duzen sich, die Hierarchien sind flach

Ein zweiter Pluspunkt, von dem sich einige etwas abschauen könnten: Robert Dahl kopiert nicht ein Erlebnis-Dorf ins nächste, er schwört auf Regionalität und Kreativität. Jeder Freizeitpark ist ein Unikat und setzt aufs Regionale. In Sachsen gibt es im Erlebnis-Dorf die Döbelner Bockwurst und den Marder-Senf aus Hartha. Finden werden Parkbesucher beides im „Bockwurstland“: „Die Leute mögen Regionalität und Lokalität“, sagt Robert Dahl. Die entdecken Besucher in der Ausgrabungsausstellung und können gleich nebenan selbst archäologische Erfahrungen sammeln. Damit nimmt Karls ein Thema auf, das den Baubeginn lange verzögerte. Der Bauplatz bei Döbeln-Gärtitz gehört zu den größten bislang bekannten Siedlungsplätzen der frühen Jungsteinzeit in der mittelsächsischen Lößregion.

Drittens taugt die Firmenkultur als Vorbild. Mitarbeitende duzen sich, es gibt flache Hierarchien, Besucher heißen Fans. Jeder Mitarbeitende auf der Großbaustelle bekommt ein Mittagessen spendiert. Entsprechend gut gelaunt sind die 500 Bauleute, Handwerker und Karlsianer trotz stressiger und langer Arbeitstage – das sagen alle, die mal die Baustelle besucht haben. Karls Erlebnis-Dorf ist ein Beispiel für moderne Arbeitskultur, in der sich alle wertgeschätzt fühlen und der Chef eher Partner als Vorgesetzter ist.

Viertens ist Karls ein verlässlicher Partner der regionalen Wirtschaft. Neben den 60 Mitarbeitern seiner eigenen Baufirma beauftragt Karls viele Firmen und Lieferanten aus der Region. Die Firmen arbeiten Hand in Hand. Um nicht in Verzug zu geraten, ließ Robert Dahl an den klirrend kalten Tagen und in den frostigen Nächten Mitte Januar die Baustelle sogar beheizen, um mit dem Betonieren voranzukommen. Einmalig in Deutschland. Der Chef scheint keine Probleme zu kennen, nur Lösungen. Der Optimismus steckt an.

In jeder Hinsicht das Potenzial der Region zu nutzen, das ist es, warum Karls Erlebnis-Dorf die sächsische Seele so sehr streichelt. Und vielleicht kann diese Strategie sogar ein Vorbild sein für künftige Unternehmer, wenn diese wieder eine gute Idee nach Sachsen bringen wollen.

E-Mail an Elke Görlitz