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Diese Menschen haben Dresden 2021 bewegt

Corona hat auch dieses Jahr geprägt. Doch das ist nicht alles, was in Erinnerung bleiben wird. Vier Dresdner, die 2021 in den Schlagzeilen standen.

Von Henry Berndt & Julia Vollmer & Alexander Schneider & Andreas Weller
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Vier Dresdner, die 2021 in den Schlagzeilen waren: Polizist Tom Tschernich (o.l), Unternehmerin Vanessa Bravo, Uniklinikum-Vorstand Michael Albrecht (u.l) und Politiker Lars Rohwer.
Vier Dresdner, die 2021 in den Schlagzeilen waren: Polizist Tom Tschernich (o.l), Unternehmerin Vanessa Bravo, Uniklinikum-Vorstand Michael Albrecht (u.l) und Politiker Lars Rohwer. © Montage: SZ

Dresden. 2021 war ein Jahr, das Ärzte und Pflegekräfte abermals an ihre Grenzen brachte, aber auch ein Jahr, das viele Dresdner dazu brachte, über sich hinauszuwachsen, Leben zu retten oder längst überfällige Debatten anzustoßen. Vier Menschen, die die 2021 in den Schlagzeilen standen.

Tom Tschernich rettet zwei Frauen aus der Elbe

Kommissar Tom Tschernich zeigt die Stelle, wo er in der Nacht zuvor zwei betrunkene Mädchen aus der Elbe gerettet hat.
Kommissar Tom Tschernich zeigt die Stelle, wo er in der Nacht zuvor zwei betrunkene Mädchen aus der Elbe gerettet hat. © Sven Ellger

Tom Tschernich hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Der gerade 25 Jahre junge Kommissar ist seit Januar Polizist in seiner Heimatstadt Dresden und hat im Juni zwei Teenagern das Leben gerettet. Er stieg kurzentschlossen und selbstlos in die Elbe, um die beiden betrunkenen Mädchen ans Ufer zu holen. Wie er das geschafft hat, kann er sich auch heute nicht genau erklären. Vielleicht lag es daran, dass er bei der Bundeswehr solche Sachen trainiert hat, sicher ist er sich nicht – aber er würde es wieder tun, sagt er.

Vor seinem Wechsel nach Dresden war der frisch gebackene Kommissar im Revier Zittau eingesetzt. Dort habe er vor allem mit Grenzkriminalität zu tun gehabt, erklärt der junge Mann den wesentlichen Unterschied. "Wir mussten viele Einbrüche aufnehmen." In der Großstadt sei das Aufgabenspektrum größer und abwechslungsreicher. Er ist im Revier Nord eingesetzt.

Am frühen Morgen des 15. Juni, einem Dienstag, war er mit seiner Kollegin auch in einem Mehrfamilienhaus in der Neustadt, um Streit unter den Bewohnern zu schlichten. Als die beiden Beamten dann wieder in ihrem VW Golf saßen, kam der Alarm vom Lagedienstzentrum der Polizeidirektion auf der Schießgasse. Passanten hatte den Notruf gewählt, weil sie in Höhe der Augustusbrücke Hilferufe von der Elbe her gehört hatten. Es war gerade 1.53 Uhr.

Zu diesem Zeitpunkt war Tschernich ganz in der Nähe. Er gab Gas, wendete den Streifenwagen in der Großen Meißner Straße, bog am Bellevue-Hotel rechts ab und fuhr eine schmale Straße hinunter zum Elbufer. Dort stiegen sie aus, um nach Hilferufen zu lauschen. Sie hörten Schreie von der Marienbrücke her. Sie stiegen wieder ins Auto und fuhren ein paar Meter stromabwärts. Dann leuchteten sie mit ihren Taschenlampen über den Fluss.

Da sahen sie einen Kopf in der Mitte der Elbe, in der Fahrrinne in Höhe des Maritim-Hotels. „Die Person ist nicht mehr geschwommen und konnte auch nicht stehen“, beschrieb der Polizist damals seine Eindrücke. Tschernich überlegte nicht lange. Er zog sich die Uniform aus und lief ein paar Meter flussaufwärts. Dann ging er ins Wasser, um mithilfe der Strömung die hilflose Person schnell zu erreichen: „Ich bin einfach hingeschwommen.“

Er habe versucht, die Jugendliche anzusprechen, dann habe er das Mädchen gepackt und ans Ufer gezogen, wo seine Kollegin ihm den Körper abnahm. Weil er erst auf dem Weg zum Ufer „irgendwie mitbekommen“ habe, dass da noch eine zweite Person im Strom trieb, habe er sich sofort wieder in die Elbe begeben und nach ihr gesucht. Das zweite Mädchen sei weit erschöpfter gewesen, habe kaum noch rufen können. Er fand auch diese Teenegerin und brachte sie zum Ufer, wo inzwischen der Rettungsdienst eingetroffen war. Rettungsassistenten behandelten noch am Elbufer beide Teenager und brachten sie in eine Klinik.

Bei den Geretteten handelt es sich um zwei 15 und 17 Jahre alte Jugendliche aus Dresden, das jüngere Mädchen hatte 1,2 Promille Alkohol intus, das ältere 1,5 Promille. Sie waren in der sommerlichen Nacht wohl aus Übermut in die Elbe gestiegen. Genaueres ist nicht bekannt. Zu den näheren Umständen, was die beiden Teenager zu dieser Eselei verleitet hatte, machte die Polizei aus Rücksicht auf ihr Alter keine Angaben. Den beiden wird die Sache wohl sehr peinlich gewesen sein, jedenfalls haben sie sich bis heute nicht bei dem 25-jährigen Kommissar bedankt, der für sie sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatte.

„Ich würde es wieder tun“, sagte Tschernich noch am späten Nachmittag jenes 15.Juni und wiederholt es jetzt im Dezember. Andere vor ihm hätten das schon getan und er sei auch nicht der Letzte gewesen. Das mag sein, es schmälert die Leistung des bescheidenen Beamten nicht. Die Resonanz war groß, erinnert er sich, und freut sich über die Anteilnahme.

Seine Eltern seien stolz auf ihn, die Freunde hätten es „krass“ genannt. „Alle haben sich riesig gefreut“, sagt Tschernich. Auch in den sozialen Medien wie Facebook und Instagram habe der Einsatz für positive Reaktionen gesorgt, einige hätten sich bei ihm bedankt. Er sei oft auf diese Nacht angesprochen worden – und auch sein Dienstherr, die Polizei, hat sich bei dem jungen Beamten für seine „außergewöhnliche Leistung“ erkenntlich gezeigt. In welcher Höhe, verrät der Kommissar nicht.

Wenn Tom Tschernich heute an der Elbe vorbeikommt, muss er hin und wieder an jene Nacht denken. Nein, er sei auch nicht mehr in der Elbe gewesen. Doch halt, einen Einsatz gab es, bei dem er jedoch trocken geblieben sei. Ein paar Monate später war ein Mensch in der Elbe, nach dem Polizei und Feuerwehr erfolglos gesucht hatten. Doch auch diese Geschichte soll positiv ausgegangen sein. Bei dem Gesuchten habe es sich angeblich um einen Schwimmer gehandelt, der in Höhe des Ballhauses Watzke aus eigener Kraft die Elbe verlassen habe. Das jedenfalls habe er später so gehört, sagt der Kommissar.

Tom Tschernich hat sich gut im Revier Nord eingelebt und fühlt sich dort sehr wohl. Zum Jahresende etwa würden die Schichten immer so geändert, dass niemand über die Feiertage benachteiligt werde. Er selbst hatte am Heiligen Abend Nachtschicht – und dann keinen Dienst mehr. Das neue Jahr wird er im verkleinerten Freundeskreis feiern, so wie es eben coronabedingt noch zulässig sei, sagt er, ganz der Polizist. „Sie können gerne auch schreiben, dass die Arbeit Spaß macht, und wir neue Leute suchen.“

Vanessa Bravo stößt eine Rassismus-Debatte an

Die Wahl-Dresdnerin Vanessa Bravo hat im Herbst eine Rassismus-Debatte in Dresden angestoßen.
Die Wahl-Dresdnerin Vanessa Bravo hat im Herbst eine Rassismus-Debatte in Dresden angestoßen. © Marion Doering

Vanessa Bravo ist die Mitbegründerin der Dresdner Eismanufaktur Pau Pau und wird im September weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt - aus einem Anlass, der auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nicht kalt lässt. Sie hatte bei Instagram einen Clip hochgeladen, in dem sie sehr emotional von rassistischen Anfeindungen in Dresden berichtete. Die gebürtige Spanierin kam vor 15 Jahren als Sprachdozentin nach Dresden und baute sich hier eine Familie und eine Karriere als Eis-Unternehmerin auf. Seitdem, so berichtete die 41-Jährige in dem Video, habe sie jedoch immer wieder erschütternde Erlebnisse gehabt, sei von rechten Jugendlichen in ein Auto gezogen, im Supermarkt und im Schnellrestaurant beleidigt worden. Als nun ihr Sohn Alejandro auf einem Parkplatz in der Innenstadt rassistisch beschimpft und fast überfahren wurde, wollte sie nicht länger schweigen.

Mit ihrem Video löste sie eine Welle der Empörung aus - und der Debatte. "Du bist hier nicht nur willkommen", schreibt Kretschmer daraufhin bei Facebook. "Du und deine Familie, ihr seid erwünscht. Hier ist euer Zuhause. Genau wie meins." Bravos Wunsch, dass alle Dresdner diese Haltung auch mehr zeigen sollten, sei berechtigt, so der Ministerpräsident weiter. "Das Schlechte ist leichter zu ertragen, wenn viel mehr Gutes da ist." Die Masse der zum größten Teil positiven Reaktionen überwältigt die Wahl-Dresdnerin. "Ich fühle mich gerade ein wenig überfordert."

Michael Albrecht stellt die Patientenversorgung sicher

Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden.
Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden. © dpa/Robert Michael (Archiv)

Einer, der auch in diesem Jahr mit seinem Team für die Gesundheit der Dresdner gekämpft hat, ist Professor Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand der Uniklinik. Er hat stets gewarnt und gemahnt. Für konsequentere Schutzmaßnahmen und fürs Impfen. "Leider ist dieses Jahr nicht so verlaufen, wie erwartet. Die anfängliche Euphorie, die der Start der Impfungen mit sich brachte, hat leider nicht alle Menschen erreicht", sagt er rückblickend. "Die niedrigen Impfquoten vor allem in einigen Teilen Sachsens lassen mich zweifeln."

Albrecht ist zum Krisenmanager geworden, der mit dem seinem Team die Patientenversorgung sicherstellt. "Wieder müssen wir große Herausforderungen bewältigen, Stationen schließen, Operationen verschieben und Patienten vertrösten. Und wieder bin ich froh, so gute Mitarbeitende in den einzelnen Teams an meiner Seite zu wissen." Albrecht hofft, bangt aber auch: Noch würden seine Mitarbeiter durchhalten und um jeden einzelnen Patienten kämpfen. "Ob dieses Engagement und Durchhaltevermögen auch in einer fünften und sechsten Welle anhält, weiß ich nicht. Das macht mir Sorgen."

Lars Rohwer schnappt der AfD das Direktmandat weg

Bundestagskandidat Lars Rohwer (CDU). Foto: Sven Ellger Foto: Sven Ellger
Bundestagskandidat Lars Rohwer (CDU). Foto: Sven Ellger Foto: Sven Ellger © Sven Ellger

CDU-Mann Lars Rohwer hat mit einem hauchdünnen Vorsprung verhindert, dass die AfD ein Direktmandat in der Landeshauptstadt erobert. Am Wahlabend hatte er 39 Stimmen Vorsprung vor AfD-Kandidat Andreas Harlaß. Bei der späteren Nachzählung und Feststellung des amtlichen Endergebnisses waren es nur noch 35 Stimmen.

Damit sitzt Rohwer für Dresden im neuen Bundestag, ist Mitglied der stärksten Oppositions-Partei. Harlaß ist bereits mehrfach gegen das Ergebnis vorgegangen. Zuletzt hat er offiziell Wahlbeschwerde eingelegt. Dass der Kampf um Dresdens Direktmandate knapp werden würde, war absehbar. Aber mit so einer extrem knappen Entscheidung hatte selbst Rohwer nicht gerechnet. Das zweite Direktmandat holte Markus Reichel, ebenfalls von der CDU.