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Gericht zu Hilbert: Wesentliche Vorschriften bei OB-Wahl in Dresden verletzt

Die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen hat klargestellt, dass die Fehler, die bei der Aufstellung von Dirk Hilbert gemacht wurden, gravierend sind.

Von Andreas Weller
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Haarsträubende Fehler wurden bei der Aufstellung von Dirk Hilbert gemacht. Nun entscheiden Richter, ob die OB-Wahl in Dresden wiederholt werden muss.
Haarsträubende Fehler wurden bei der Aufstellung von Dirk Hilbert gemacht. Nun entscheiden Richter, ob die OB-Wahl in Dresden wiederholt werden muss. © Matthias Rietschel

Dresden/Bautzen. Dass bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden 2022 Fehler gemacht wurden, ist unstrittig. Doch sieht die Landesdirektion diese nicht als so schwerwiegend, dass die Wahl wiederholt werden müsste. Die Rechtsaufsichtsbehörde der Stadt hat die Einsprüche gegen die Wahl 2022 alle abgewiesen. Drei Dresdner zogen dagegen unabhängig voneinander vor Gericht. Das Verwaltungsgericht Dresden hat bestätigt, dass Fehler gemacht wurden, die Klagen aber abgewiesen nur bei einer wurde Berufung zugelassen. Diese wurde nun am Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen verhandelt.

Was ist genau passiert?

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat sich 2022 wie auch 2015 von dem Verein "Unabhängige Bürger für Dresden" aufstellen lassen. Allerdings haben an dieser Versammlung auch zwei Personen teilgenommen, die nicht mehr in Dresden wohnen - der ehemalige Stadtrat Jürgen Schwarz und Dresdens Stadtfest-Macher Frank Schröder. Schwarz als Versammlungsleiter und Schröder als Schriftführer.

Bei der Aufstellung waren 14 Personen anwesend, die alle für den einzigen Kandidaten Hilbert stimmten. Nur hätten Schwarz und Schröder gar nicht mit abstimmen dürfen, weil laut Wahlgesetz nur Personen, die in Dresden wahlberechtigt sind, über ihren OB-Kandidaten entscheiden dürfen.

Nach der Veranstaltung haben dann noch drei Personen eine Erklärung an Eides statt abgegeben, dass alles rechtens gelaufen sei. Das stimmt aus genannten Gründen aber nicht, zudem haben die Erklärungen neben einem Dresdner auch Schwarz und Schröder abgegeben. Bei Schwarz als Versammlungsleiter wäre das rechtlich noch vertretbar. Aber Schröder hätte die Erklärung nicht abgeben dürfen und der Gesetzgeber verlangt drei gültige Erklärungen.

Dieser Fehler wurde zwar bei der Überprüfung der Zulassung von Hilbert im Gemeindewahlausschuss beanstandet, die Zulassung zunächst abgelehnt, aber nach einer Beratung stimmte eine Mehrheit dann doch für Hilberts Zulassung.

Wie wertet die OVG-Präsidentin die Fehler in Dresden?

Die Berufung wurde von OVG-Präsidentin Susanne Dahlke-Piel geleitet. Sie sagt, es sei "unzweifelhaft", dass nicht nur wahlberechtigte Mitglieder des Vereins an der Aufstellung teilgenommen haben. Sie teile nicht die Auffassung der Landesdirektion und des Verwaltungsgerichts, dass dies "unerheblich" sei, weil es nur zwei von 14 Anwesenden waren.

"Vor einer Wahl muss das Gesetz immer streng ausgelegt werden. Ja, das ist ein Eingriff in das passive Wahlrecht, aber es ist von Vertretern des Vereins zu verantworten. Die tragende Säule des Wahlrechts ist, dass nur Bürger aus der Kommune über ihre Kandidaten abstimmen dürfen. Die Kommune soll nicht fremdbestimmt werden, deshalb werden Amtsträger durch die Bürger der Kommune gewählt." Zwei von 14 seien immerhin knapp 15 Prozent. Die Teilnehme und Abstimmung der zwei Personen sei ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften.

Ähnlich sei es auch bei den eidesstattlichen Versicherungen. Das Gesetz schreibt drei Erklärungen vor. Wenn nur zwei gültige vorliegen, habe die Kammer noch nicht abschließend beraten, ob das ebenfalls ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften sei. "Aber es sollte in einer Stadt der Größe einer Landeshauptstadt möglich sein, dies zu vermeiden", so Präsidentin Dahlke-Piel.

Der Anwalt von OB Hilbert versuchte zu erklären, Schröder habe als Schriftführer "irrtümlich" diese Versicherung unterschrieben. "Wie, der konnte nicht lesen", so Dahlke-Piel, es stehe doch auf der eidesstattlichen Versicherung, dass er stimmberechtigt sei. "Er dachte, er sei stimmberechtigt", so der Anwalt.

Zu welchem Schluss kommt das OVG?

Die Richter der Kammer um Dahlke-Piel sind sich einig, dass bei der Aufstellung von Hilbert wesentliche Fehler gemacht wurden. "Und das völlig ohne Not", so die OVG-Präsidentin. "Denn er hätte als Amtsinhaber den Verein gar nicht gebraucht." Hilbert hätte als amtierender OB auch als Einzelperson antreten können, wenn er nicht unter dem FDP-Etikett antreten wollte. Ob es für das Ergebnis relevant ist, darüber diskutierten die Richter der Kammer eine Weile.

"Im zweiten Wahlgang hatte Herr Hilbert etwa 12.000 Stimmen Vorsprung", so die Präsidentin. "Wir ziehen in Erwägung, dass die Form der Kandidatur auf das Ergebnis der Wahl keinen Einfluss hatte." Allerdings hätten rund 150.000 Dresdnerinnen und Dresdner an der OB-Wahl 2022 teilgenommen und etwa 80.000 davon Hilbert gewählt. "Die Wahl für ungültig zu erklären, wäre ein Eingriff in das aktive Wahlrecht vieler Wähler."

Am Ende der Verhandlung erklärte Dahlke-Piel, dass die Entscheidung in dem Fall nicht öffentlich verkündet, sondern den Beteiligten zugestellt wird. Das erfolge "vor Ostern", also vermutlich am Donnerstag.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Ausgang ist offen. Die Ausführungen der OVG-Richter deuten darauf hin, dass zwar gravierende Fehler gemacht wurden. Hilbert hätte vermutlich bereits vom Kreiswahlausschuss nicht zugelassen werden dürfen. Am Ende kam er aber mit einem blauen Auge davonkommt und die Klage wurde abgewiesen, weil die Fehler nicht entscheidend für den Ausgang der Wahl waren.

Sollte die Wahl für ungültig erklärt werden, muss eine neue OB-Wahl angesetzt werden. Dafür würde sich beispielsweise die Landtagswahl im September anbieten, um beide parallel durchzuführen. Bis dahin könnte die Landesdirektion Hilbert als Amtsverweser einsetzen und er macht seinen Job einfach weiter, OB-Stellvertreter und Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) könnte bis dahin übernehmen oder es wird ein anderer Amtsverweser eingesetzt.