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"Guten Tag, Hilbert mein Name"

Warum der Oberbürgermeister am Wochenende bei Schullwitzern an der Haustür klingelt und was er dabei erfährt.

Von Kay Haufe
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Regina Mosch hat einen klaren Auftrag für Dirk Hilbert: In Schullwitz sollen mehr Busse fahren. Rechts steht der Vorsitzender Der CDU im Schönfelder Hochland, Felix Stübner.
Regina Mosch hat einen klaren Auftrag für Dirk Hilbert: In Schullwitz sollen mehr Busse fahren. Rechts steht der Vorsitzender Der CDU im Schönfelder Hochland, Felix Stübner. © Christian Juppe

Dresden. Samstagmittag, kurz nach 13 Uhr im beschaulichen Hochland-Dorf Schullwitz. Etwas mehr als 600 Einwohner hat der Ort, gerade wurde die Hauptstraße aufwendig saniert, jetzt biegt der Oberbürgermeister im elektrischen VW auf den Aspichring ein. Es ist heiß, kein Lüftchen weht, als sich Dirk Hilbert (FDP), weißes Hemd, Blauer Anzug, aufmacht, für anderthalb Stunden an Haustüren zu klingeln, um für sich zu werben. Am 10. Juli tritt er neben Eva Jähnigen (Grüne) und Maximilian Krah (AfD) im zweiten Wahlgang an, um Dresdner Oberbürgermeister zu bleiben.

Sein erster Kontakt funktioniert über den Gartenzahn. Ein junger Mann arbeitet im Schatten, als Hilbert ihm zuruft und bittet, am 10. Juli zur Wahl zu gehen. "Meine Partei unterstützt Dirk Hilbert", sagt Felix Stübner, der junge CDU-Vorsitzende des Schönfelder Hochlandes, der Hilbert begleitet und drückt dem Mann CDU-Prospekte in die Hand. "Ich nehm's, aber machen Sie sich nicht zu viele Hoffnungen", sagt der. Dass Hilbert aber bis an den nordöstlichen Stadtrand rausgekommen ist, imponiere ihm.

"Er muss seine Wähler mobilisieren"

Nach zwei Türen, die geschlossen bleiben, das nächste Gespräch. Ein Familienvater arbeitet an der Fassade seines neuen Hauses. "Die letzten Teile der Holzverkleidung müssen noch dran." Er wünscht Hilbert viel Erfolg und findet es gut, dass der den direkten Kontakt zu den Bürgern sucht. "Er muss seine Wähler mobilisieren, denn es könnte eng werden."

Gegenüber hat Clemens Arnold noch die letzten Bissen vom Mittagessen im Mund, als er die Eingangstür öffnet. "Guten Tag, Hilbert mein Name." Arnold nickt, er weiß, wer da steht. "Da habe ich gleich mal eine Frage: Warum bekommen wir keine gelben Tonnen, sondern müssen die leeren Verpackungen in den dünnen Säcken sammeln?" Das kann der OB nicht aus dem Stand beantworten. "Die Frage nehme ich mit zur Klärung."

Vorbei an blühenden Lavendelstauden, an denen Dutzende Bienen nach Nektar suchen, geht es zur nächsten Haustür. Nach dem Klingeln lautes Hundegebell. Ein Dalmatiner stürmt heraus, als die Tür geöffnet wird. "Alfred, komm her", ruft der Hausherr im grünen T-Shirt. Für Hilbert hat er indes kaum Zeit, nimmt die Prospekte und wünscht einen schönen Tag.

Ganz anders das Ehepaar Wolf, das gerade mit seinen Töchtern auf der Straße vorbeiläuft. "Ich bin positiv überrascht, dass sich Dirk Hilbert die Zeit nimmt und recht nah am Menschen sein will", sagt Martin Wolf. Lange haben die einstigen Leubener nach einem Grundstück für den Hausbau gesucht, ehe sie es 2017 in Schullwitz gefunden hatten. "Hier fühlen wir uns sehr wohl, viele Nachbarn sind in unserem Alter und haben Kinder. Es gibt einen guten Zusammenhalt", sagt Karin Wolf. Allein im vorigen Jahr sind neun Kinder vom Aspichring eingeschult worden. Hilbert nickt, gratuliert dem Ehepaar, dass es noch rechtzeitig vor den steigenden Baupreisen fertig geworden ist und wünscht alles Gute.

Karin und Martin Wolf finden es gut, dass der OB sich Zeit für Haustürgespräche nimmt.
Karin und Martin Wolf finden es gut, dass der OB sich Zeit für Haustürgespräche nimmt. © Christian Juppe

Die folgenden sehr kurzen Haustürgespräche nimmt er gelassen. "Ich bin ja keine Drückerkolonne und muss die Leute nicht penetrieren. Wenn sie ein Problem haben, dann kommen die schon damit raus." Erst vergangen Woche war er in Pappritz und Prohlis unterwegs. Fast alle Leute hätten ihn freundlich empfangen, einmal musste er sogar mit in eine Wohnung kommen, um Skulpturen und Gemälde der Familie anzuschauen. "So ein Haustürwahlkampf ist eine ganz persönliche Ansprache. Die Leute merken es, dass man sich Zeit für sie nehmen will und ich bekomme ein ehrliches Feedback."

Die Frösche sind aus dem Teich verschwunden

In Schullwitz erklärt ihm Andreas Thieme jetzt, dass es in der Stadt doch enorme Probleme gebe. Der Ausbau der Königsbrücker Straße etwa, der seit Jahren nicht vorankomme. Oder die Eintönigkeit des neuen Stadtbildes, vor allem am Postplatz das passe nicht zu Dresden, hier müsse mehr Ästhetik her. Hilbert nickt, es gebe tatsächlich einige monotone Fassaden, aber auch gelungene. Thieme zeigt auf den Teich gegenüber. "Als wir vor 25 Jahren hierhergezogen sind, war der voller Frösche und Lurche. Heute gibt es keine mehr, weil auf den Feldern Glyphosat verwendet wird", sagt er. Obwohl schon Mitarbeiter des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hier gewesen seien, passiere nichts. Das ärgere ihn.

Andreas Thieme gibt Hilbert einiges mit auf den Weg. So seien durch Glyphosateinsatz die Frösche aus dem Teich gegenüber verschwunden.
Andreas Thieme gibt Hilbert einiges mit auf den Weg. So seien durch Glyphosateinsatz die Frösche aus dem Teich gegenüber verschwunden. © Christian Juppe

Thiemes Nachbar Andreas Krause wartet schon auf Hilbert und will wissen, warum er denn wiedergewählt werden will. "Ich habe viele Projekte noch nicht fertig. Zum Beispiel mehr Dynamik in die Verwaltung zu bringen, oder Dresden als den wichtigsten Halbleiterstandort auszubauen und die Kapazitäten zu verdoppeln." Auch die Verkehrsflüsse müssten in Dresden optimiert werden. "Wenn ich weg bin, ist dieses Thema vorbei." Krause nickt. "Dann viel Erfolg."

Mit Verkehr haben auch die Sorgen von Regina Mosch zu tun, die kritisiert, dass zu wenige Busse in Schullwitz fahren. Sie selbst sei noch mit Rad oder Auto mobil, aber andere könnten das nicht. Hilbert erzählt ihr von den MobiShuttlen, die jetzt im Dresdner Norden fahren. Ob das auch eine Lösung für Schullwitz sein könnte, will er prüfen lassen. "Geben Sie ihr Bestes, wir tun es auch", ruft ihm Regina Mosch nach.

Überraschung: Freund aus Schultagen

Nebenan begrüßt Volker Schmidt den OB. Gefragt nach Problemen bringt er sie ruhig und gelassen zur Sprache. "Abgesehen von den unkoordinierten Baustellen in der Stadt, an denen ich jeden Morgen stehe, ist es mir erst nach Monaten gelungen, einen Ausweis zu beantragen. Abholen musste ich ihn in Klotzsche. Das mache ich Ihnen nicht persönlich zum Vorwurf, aber das sind die Basics für die Verwaltung, die in Dresden disfunktional arbeitet. Ansonsten wünsche ich Ihnen viel Glück."

Kinder fahren auf Einrädern vorbei, als die nächste Klingel gedrückt wird. "Mensch Dirk, was machst denn Du hier?" André Leibschner kommt zur Tür raus, schüttelt dem OB die Hände. Der ist perplex. "Ich wusste ja, dass Du in Schullwitz wohnst, aber nicht wo", sagt er zu Leibschner. Zehn Jahre sind beide in eine Klasse der 33. Polytechnischen Oberschule auf der Marienberger Straße gegangen. "Wir haben Dich beim ersten Mal gewählt und werden es auch jetzt tun", sagt Leibschner und lädt Hilbert ein, doch mal auf ein Bier vorbeizukommen. "Das mache ich gern, wenn ich wieder einen vernünftigen Tagesablauf habe", sagt der OB und winkt zum Abschied.

Seinen Besuch in Schullwitz schätzt er als erfolgreich ein. Die Leute seien ein dankbares Klientel gewesen. "Das hat aber nichts damit zu tun, dass das hier eine Einfamilienhaussiedlung ist. In Prohlis war es ähnlich." Deshalb will Hilbert auch zum Wahlkampf-Endspurt in der kommenden Woche an weiteren Haustüren klingeln.