Dresden
Merken

Dresdner Gastronomen kochen für Obdachlose

Nicht jeder Dresdner kann sich zum Fest ein Weihnachtsessen leisten. Für die, denen es nicht so gut geht, haben sich nun Profi-Köche an den Kochtopf gestellt.

Von Nora Domschke
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Dresdner Gastronomen Lutz Mißling, Jens Budde, Janek Ehm und Frank Navratil (v.l.) haben ein Weihnachtsmenü für 180 Obdachlose und andere Bedürftige gekocht.
Die Dresdner Gastronomen Lutz Mißling, Jens Budde, Janek Ehm und Frank Navratil (v.l.) haben ein Weihnachtsmenü für 180 Obdachlose und andere Bedürftige gekocht. © René Meinig

Dresden. Für Stefan ist es ein ganz besonderes Essen. Rindergulasch mit Rosenkohl, Rotkohl und Knödeln - so eine Mahlzeit hat der 31-Jährige schon lange nicht mehr auf dem Teller gehabt. Stefan ist obdachlos, wo er nachts unterkommt, sei ganz unterschiedlich, erzählt er. Oft bei Freunden, nicht nur in Dresden, auch in Chemnitz und anderswo.

Dass Stefan an diesem Freitag vor dem Heiligen Abend ein Festessen serviert bekommt, ist der Heilsarmee und mehreren Dresdner Gastronomen zu verdanken, die dafür Sponsoren gesucht und selbst gekocht haben.

Bislang fanden die Weihnachtsmenüs für Bedürftige immer am 24. Dezember auf einem der Schiffe der Weißen Flotte statt. In diesem Jahr will Jutta Rapp, Majorin bei der Heilsarmee, ihren Mitarbeitern am Weihnachtsfest einen freien Tag gönnen. Deshalb wird das Essen dieses Mal in einem Übergangswohnheim in der Dresdner Innenstadt ausgeteilt.

Vor dem Haus in der Mathildenstraße hat ein Imbisswagen Stellung bezogen, hier gibt es Kaffee, Kuchen und eine heiße Gänsenudelsuppe, die vom Azimut Hotel in Reick gespendet wurde. 300 Portionen stehen hier draußen bereit für all jene, die im Speisesaal des Wohnheims keinen Platz bekommen haben.

Ein Weihnachtsessen nicht nur für Obdachlose

180 Gutscheine für das Gulasch-Festessen haben die Streetworker der Heilsarmee, die das Übergangswohnheim Lindenhaus im Auftrag der Stadt betreibt, in den vergangenen Tagen an Bedürftige verteilt. Eingeladen wurden nicht nur Obdachlose, sondern auch Geringverdiener und ältere Dresdner, die oft alleinstehend und damit insbesondere in der Weihnachtszeit einsam sind. Als bedürftig gelten all jene, die einen Dresden-Pass haben oder anderweitig nachweisen können, dass sie auf staatliche Hilfe angewiesen sind.

Mit einer weihnachtlichen Predigt bringt Jutta Rapp von der Heilsarmee etwas festliche Stimmung in den Speisesaal des Übergangswohnheims an der Mathildenstraße.
Mit einer weihnachtlichen Predigt bringt Jutta Rapp von der Heilsarmee etwas festliche Stimmung in den Speisesaal des Übergangswohnheims an der Mathildenstraße. © René Meinig

"Das werden von Monat zu Monat mehr", beobachtet Jutta Rapp. "Wir haben noch nie so viele Notfallpakete ausgegeben, wie zurzeit", ergänzt Therese Obeck, die das Lindenhaus leitet. Die Zahl derjenigen, die keine eigene Wohnung haben, kann in Dresden nur geschätzt werden. Doch nicht nur die Heilsarmee beobachtet eine Zunahme, auch andere Träger schlagen Alarm. Am Hauptsitz der Heilsarmee in Reick werden immer mehr Lebensmitteltüten gepackt, die sich die Bedürftigen dort abholen.

Das Übergangswohnheim in der Mathildenstraße sei ebenfalls rund ums Jahr voll belegt. Elf Plätze stehen hier für Obdachlose zur Verfügung, denen die Heilsarmee im Schnitt rund einen Monat eine Unterkunft bietet. Manche bleiben auch länger, sagt Jutta Rapp. Wenige kommen mehrmals. Ziel ist es immer, den Menschen auf ihrem Weg in die eigenen vier Wände zu helfen. Kaum ist ein Platz im Wohnheim frei, weist die Stadt der Heilsarmee schon einen neuen Schützling zu.

Weg zurück ins geregelte Leben ist oft schwierig

Was seine Zukunft betrifft, hat Stefan keinen Plan. Dabei hat er bei Mercedes eine Lehre zum Karosseriebauer gemacht und abgeschlossen, wie er sagt. Nach mehreren Jobs habe es Stress mit einem Arbeitgeber gegeben und er sei gefeuert worden. Über die genauen Hintergründe will Stefan nicht reden. "Hat auch was mit falschen Freunden zu tun."

Den Weg zurück in ein geregeltes Leben zu finden - für Menschen wie Stefan mitunter eine schwierige Angelegenheit. Auch, weil der Rückhalt der Familie fehlt, zu der er kaum noch Kontakt hat. "Wir gehen alle unsere eigenen Wege", sagt der junge Mann und winkt ab.

Draußen versorgt Sozialarbeiter Konstantin all jene mit heißer Gänsesuppe und Kaffee, die keinen Platz beim Weihnachtsmenü bekommen haben.
Draußen versorgt Sozialarbeiter Konstantin all jene mit heißer Gänsesuppe und Kaffee, die keinen Platz beim Weihnachtsmenü bekommen haben. © René Meinig

In der Weihnachtszeit nun so ein gutes Essen im festlich geschmückten Speisesaal des Wohnheims serviert zu bekommen, macht nicht nur Stefan zumindest für ein paar Stunden glücklich. "Für viele ist das Treffen mit anderen Menschen fast wichtiger, als das Essen selbst. Sie freuen sich schon das ganze Jahr darauf", sagt Jutta Rapp.

Bevor das Abendessen ausgereicht wird, hält sie eine kleine Predigt und lässt ihre Gäste ein Weihnachtsrätsel lösen. Wer im Speisesaal einen Platz bekommen hat, muss auf Alkohol verzichten. "Der ist bei uns verboten", sagt Therese Obeck.

"Erschreckend, wie viele es sind"

Wer trotzdem nicht darauf verzichten kann, muss mit der Gänsesuppe vorlieb nehmen, die es draußen am Imbisswagen gibt. Auch dort hat sich am Freitagnachmittag eine große Gruppe zusammengefunden, einige sind mit voll bepackten Einkaufswagen hergekommen - ihr ganzes Hab und Gut findet in diesem Metallkorb Platz.

"Es ist schon erschreckend, wenn man sieht, wie viele es sind", sagt Jens Budde, der in Dresden das Bellan Catering betreibt und die 180 Weihnachtsmenüs mit anderen Gastronomen organisiert hat. Andererseits sei die Hilfsbereitschaft groß. "Jeder mögliche Sponsor, den ich angerufen habe, hat sofort zugesagt." Gemeinsam mit Lutz Mißling, Küchenmeister im Dorinthotel, mit Janek Ehm von Transgourmet und mit Pattisier Frank Navratil hat Budde das Menü am Donnerstag in seiner Küche auf der Loschwitzer Straße zubereitet.

Am Freitag geben sie die Mahlzeit persönlich aus, kommen dabei auch mit den "Gästen" ins Gespräch und erfahren mehr über den ein oder anderen Lebensweg. Tino Gierig vom Dresdner Backhaus hat Kuchen und Apfelstrudel beigesteuert. In dieser Konstellation wurde das Weihnachtsmenü zum ersten Mal zubereitet. "Das machen wir wieder", sind sich alle einig.