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Restaurant am Haltepunkt Strehlen schon wieder geschlossen

Mit einem neuen Konzept wollte der Konsum Dresden die Haltestelle in Strehlen neu beleben. Doch die Gäste blieben aus.

Von Nora Domschke
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Im sanierten Bahnhofsgebäude am Haltepunkt Strehlen ist das Restaurant schon wieder geschlossen. 2019 hatte das Lokal unter dem Namen Genusskultur eröffnet.
Im sanierten Bahnhofsgebäude am Haltepunkt Strehlen ist das Restaurant schon wieder geschlossen. 2019 hatte das Lokal unter dem Namen Genusskultur eröffnet. © Marion Doering

Dresden. Das Backsteinhaus am Haltepunkt Strehlen wurde schon für viele Zwecke genutzt: als Empfangsgebäude mit Kiosk und Gaststätte, als Ärztehaus oder als Treffpunkt für Kreative.

Die Gastronomie konnte sich am neu gebauten Umsteigepunkt von Stadtbahn und S-Bahn allerdings nicht wieder durchsetzen. Das Restaurant Genusskultur ist schon geschlossen. Erst im Juli 2019 hatte es im damals frisch sanierten Altbau eröffnet - nun steht die Fläche im Erdgeschoss leer.

Mit täglich 25 Gerichten und einem kleinen Verkauf mit Waren des täglichen Bedarfs wollte die eigens dafür gegründete Konsum Dresden Gastro GmbH Pendler, Studenten und Anwohner überzeugen. Mit dem neuen Konzept sollte der Bereich um den Haltepunkt Strehlen, der für Autos gesperrt ist, noch mehr belebt werden. Das hat nicht wie erhofft geklappt, die 2019 gegründete GmbH gibt es seit Ende letzten Jahres nicht mehr.

Bereits im Oktober 2021 vermeldete der Betreiber, dass die Genusskultur aus betrieblichen Gründen für eine Woche geschlossen bleibt. Ende 2021 folgte der Auszug.

Fehlende Gäste und teure Corona-Regeln

Der Start so kurz vor der Corona-Krise, in der Gaststätten über Monate hinweg nicht öffnen durften, ist nur ein Grund, warum das Konzept nicht aufging. Es fehlte schlichtweg an Kundschaft. Die von den Dresdner Verkehrsbetrieben und der Deutschen Bahn prognostizierten Besucherzahlen seien nicht annähernd erreicht worden, teilt Konsum-Sprecherin Dörte Gregor auf SZ-Anfrage mit. So hat man sich vom Stadtbahn-2020-Projekt offenbar mehr Frequenz an der zentralen Haltestelle erhofft.

Die kostenintensiven Corona-Schutzmaßnahmen und langen Schließungen hätten letztlich eine ausschlaggebende Rolle gespielt, denn sie haben es dem Betreiber zusätzlich erschwert, das Konzept am Haltepunkt zu etablieren. Als kleine regionale Genossenschaft sei Konsum seinen Mitgliedern gegenüber verpflichtet. Um weitere finanzielle Verluste zu verhindern, sei die Schließung unumgänglich gewesen und wurde in den Gremien beraten und abgestimmt, erklärt Dörte Gregor.

Was nun mit dem Lokal geschieht, ist ungewiss

Friedrich Geise ist seit 2017 Eigentümer des Gebäudes und hat es bis 2019 sanieren lassen. Der Geschäftsmann ist Gründer des Beratungsverbundes ABG-Partner, dessen Dresdner Niederlassung sich in der Nachbarschaft des Haltepunktes befindet. Seit 2008 hatte Geise den verfallenen Altbau, der mit Graffiti beschmiert und zugewuchert war, bereits im Auge.

Neben den Dresdner Verkehrsbetrieben, die hier Aufenthaltsräume für ihre Fahrer haben, nutzt heute auch die IT-Abteilung von ABG Büros im Bahnhofsgebäude. Was mit den Flächen im Erdgeschoss passiert, ist offen. Geise ist derzeit im Ausland unterwegs und nicht erreichbar.

Wechselvolle Geschichte

Das Gebäude und der Haltepunkt wurden 1903 fertiggestellt und eröffnet. Bahnhof durfte sich die Anlage aber nicht nennen. "Eine Bahnanlage wird erst so bezeichnet, wenn mindestens eine Weiche vorhanden ist", erklärt der Strehlener Hobbyhistoriker Karl Schreiber. Weil das in Strehlen nicht der Fall ist, wird er nur schlicht Haltepunkt genannt.

Schreiber kennt sich aus, denn der studierte Bauingenieur arbeitete jahrzehntelang bei der Reichsbahn. 1988 erforschte er für die Ausstellung "700 Jahre Strehlen" die Geschichte des Stadtteils. Und recherchierte dabei in Archiven auch über den Haltepunkt Strehlen.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Bahnhofsgebäude am Haltepunkt Strehlen gebaut. Dort gab es schon damals einen Kiosk und eine Gaststätte.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Bahnhofsgebäude am Haltepunkt Strehlen gebaut. Dort gab es schon damals einen Kiosk und eine Gaststätte. © Sammlung Holger Naumann

Dabei fand er heraus, dass die Bahnstrecke zwischen dem Böhmischen Bahnhof, dem heutigen Hauptbahnhof, und Pirna am 1. August 1848 eröffnet wurde. 50 Jahre später wurden die Gleise auf einem Damm höher gelegt. Kurz darauf begannen die Bauarbeiten am Strehlener Haltepunkt. Hier sollten keine Güterzüge halten. Vielmehr ging es darum, in Dresden eine zusätzliche Station für Reisende zu schaffen. Damit die Güterzüge den Haltepunkt parallel zu den Personenzügen passieren konnten, wurde die Strecke anschließend viergleisig ausgebaut.

Viel Geld investierte die Königlich-Sächsische Staatseisenbahn auch in die Gestaltung des Bahnhofsgebäudes - das ja so eigentlich nicht genannt werden darf. Karl Schreiber stieß auf eine Bausumme von 56.656 Mark. Neorenaissance-Formen, grün-weiße Fliesen aus einer Niedersedlitzer Mosaikplattenfabrik, Kiosk und Restaurant – die Reisegäste sollten sich in Strehlen wohlfühlen. Dabei wurden für den Haltepunkt zuvor auch Standorte an der Franz-Liszt-Straße und am Basteiplatz in Erwägung gezogen. Allerdings sind die Grundstücke dort wohl zu teuer gewesen.

Zu DDR-Zeiten wurde das Haus in ein Ärztehaus umgebaut und bis nach der Wende auch für diesen Zweck genutzt. Später hatten Musiker ihre Proberäume im Gebäude.