Dresden
Merken

Junger Räuber überfällt vier Rentnerinnen: "Uns're Dresdner Ladys geben nicht so schnell auf"

Um an ihr Bares zu kommen, hat ein 19-Jähriger in Dresden gezielt Frauen jenseits der 80 verfolgt und brutal umgerissen. Doch die Frauen leisteten Widerstand.

Von Alexander Schneider
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Prozessauftakt am Landgericht Dresden: Der 19-jährige Angeklagte verbirgt sein Gesicht hinter einem roten Aktendeckel. Lins neben ihm sein Verteidiger Peter Hollstein.
Prozessauftakt am Landgericht Dresden: Der 19-jährige Angeklagte verbirgt sein Gesicht hinter einem roten Aktendeckel. Lins neben ihm sein Verteidiger Peter Hollstein. © Foto: Alexander Schneider

Dresden. Wer weiß, wie viele Seniorinnen der Mann noch ausgeraubt hätte. Doch dank der Umsicht einer Kriminalbeamtin stellte die Polizei am 11. Januar einen Täter, der in den Tagen zuvor vier Frauen brutal attackiert hatte. Die Beamtin kannte die Täterbeschreibung und alarmierte ihre Kollegen, die den Verdächtigen noch an dem Abend festnahmen. Der 19-Jährige sitzt seit dem in Untersuchungshaft.

Inzwischen ist klar, dass die Ermittler den richtigen Täter erwischt hatten. Der 19-Jährige hat am Donnerstag in seinem Prozess am Amtsgericht Dresden ein umfassendes Geständnis abgelegt, sich entschuldigt und Reue gezeigt. Er wurde nach einer sehr kurzen Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht unter anderem wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Der Heranwachsende stammt aus der Slowakei und besucht mit einem "Onkel" und weiteren Angehörigen seit Jahren regelmäßig Dresden. Sie leben dann in ihren Autos und sehen zu, wie sie an Geld kommen. Mal singen sie angeblich, mal betteln sie, vielleicht auch beides, so ganz klar ist das in dem Prozess jetzt nicht geworden.

Angeblich hatte sich der Angeklagte jedoch dazu entschieden, sich weitere Einnahmequellen zu erschließen – mit feigen Überfällen auf hochbetagte Dresdnerinnen. Er stellte ihnen im Schutz der Dunkelheit nach, um sie von hinten umzureißen und ihre Handtaschen zu rauben. Neben Geld, insgesamt mehrere Hundert Euro, büßten die Opfer auch Ausweise, Dokumente, Fahrkarten und Schlüssel ein.

Räuber huscht mit ins Treppenhaus

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Dresden warf dem Täter vier brutale Überfälle auf Frauen im Alter von 77, 83, 84 und 97 Jahren in Seidnitz, Leuben, Laubegast und der Neustadt vor. Schon die erste Tat am 4. Januar gegen 18.30 Uhr war von großer Rohheit geprägt. Der Räuber fasste der 83-Jährigen von hinten um den Hals, sie knallte mit dem Hinterkopf auf den Asphalt. Am nächsten Abend gegen 21 Uhr näherte er sich der 97-Jährigen vor ihrem Wohnhaus in der Luchbergstraße. Die Witwe hatte ihren Neffen besucht.

Während drei Damen eher leicht verletzt wurden, erwischte es die 84-Jährige aus Laubegast heftiger. Sie hatte sich mit Freunden getroffen und auf dem Heimweg vom Schillerplatz. Als sie aus der Bahn stieg, hatte sie Schritte gehört und das Gefühl, verfolgt zu werden.

Der Täter "huschte" nach ihr mit in das Mehrfamilienhaus. Als die Frau ihre Tür im ersten Stock aufschloss, wollte der Täter auch ihr die Handtasche von Körper reißen. Doch das klappte nicht. Die Frau stürzte – der 19-Jährige zog weiter an der Tasche und zerrte die Frau so die beiden Treppenabsätze ins Erdgeschoss, wo ein Nachbar wegen der Hilferufe die Tür öffnete und der Räuber flüchtete.

Haftstrafe für den 19-jährigen Täter

Dem Geständnis des Angeklagten war ein Deal, eine Verfahrensverständigung, mit dem Angebot einer Jugendstrafe um die drei Jahre vorausgegangen. Zeugen brauchte das Gericht nicht mehr zu vernehmen. Der Vorsitzende verlas die richterlichen Vernehmungen der vier Frauen, die alle ungewöhnlich schlagfertig reagiert haben, aber auch aussagten, wie sehr ihnen der Überfall zusetzte. Zu den Indizien zählten unter anderem DNA-Spuren und eine weggeworfene Zigarettenschachtel.

Das Gericht verurteilte den 19-Jährigen schließlich zu zwei Jahren und elf Monaten. Der Angeklagte habe dem Gericht eine lange Beweisaufnahme erspart, denn keine der Frauen habe den Täter identifizieren können. Strafschärfend gewertet wurde, dass der Mann ein hohes Gewaltpotenzial an den Tag gelegt, innerhalb weniger Tage vier Verbrechenstatbestände erfüllt und sich schwache Opfer ausgesucht habe.

Allerdings habe er von den Geschädigten mehr Widerstand erlebt, als angenommen, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Blümbott: "Unsere Dresdner Ladys geben nicht so schnell auf. Die halten an ihren Handtaschen fest, bis es nicht mehr geht." Gottlob sei keine der Frauen ernsthaft verletzt worden. Doch auch die psychischen Folgen der Überfälle vor und in ihren Wohnhäusern seien gravierend.