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Grünes Gewölbe: Weitere Geständnisse im Juwelendiebstahl-Prozess

Zuletzt haben im Dresdner Prozess um das Grüne Gewölbe einige Angeklagte aus dem Berliner Remmo-Clan Einblick in den spektakulären Coup gegeben. Nun bohrt das Gericht nach.

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Die Angeklagten sitzen neben ihren Anwälten im Oberlandesgericht, bevor der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel (3.v.l.) die Verhandlung im Prozess um den Juwelenraub eröffnet.
Die Angeklagten sitzen neben ihren Anwälten im Oberlandesgericht, bevor der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel (3.v.l.) die Verhandlung im Prozess um den Juwelenraub eröffnet. © AFP/POOL

Dresden. Nach langem Hin und Her um das Prozedere hat im Prozess zum Einbruch ins Historische Grüne Gewölbe in Dresden die Befragung der geständigen Angeklagten begonnen. Dabei konkretisierte am Donnerstag Rabieh Remmo, der mit 29 Jahren Älteste der Beschuldigten, seine Angaben zu dem, was im Vorfeld und in der Tatnacht vom 24. auf den 25. November 2019 abgelaufen war.

Er sei zwei, drei Monate vor der Tat von dem Mitangeklagten Wissam Remmo gefragt worden, ob er sich an dem Einbruch beteiligen wolle, so Rabieh Remmo weiter. Er sei auch dabei gewesen, als am 19. November das Fenstergitter präpariert wurde. Er habe dem Mitangeklagten Wissam Remmo assistiert, der mit einer Hydraulikschere ein Stück herausschnitt und mit Klebeband wieder befestigte. Das Werkzeug hätten sie sich geliehen, es stamme nicht aus dem Einbruch in die Spezialfirma in Erlangen (Bayern).

Sie seien in ihrem Audi auch einer Zivilstreife begegnet, weshalb das blaue Auto noch vor dem Einbruch in Berlin per Folienbeklebung eine neue Farbe erhalten habe. Man habe auch einen Ort gesucht, wo der Audi abgefackelt werden sollte. „Andere“ hätten einen Platz am Ikea-Möbelhaus ausgesucht. Rabieh Remmo habe Bedenken gehabt, wegen der Nähe zur Autobahn Richtung Berlin. Sie hätten dann die Zufahrt der Tiefgarage in Dresden-Pieschen entdeckt.

Die Besetzung war seiner Darstellung nach identisch mit der in der Tatnacht. Er benannte drei der Mitangeklagten namentlich, zwei andere Komplizen nicht. Er selbst hatte vor gut einer Woche gestanden, selbst in dem Museum gewesen zu sein. Er "war drin mit X, Y ist mit über die Mauer gegangen", sagte sein Verteidiger. Sein Mandant erklärte zudem, dass er das Benzin in dem Fluchtfahrzeug verteilt habe, und belastete zugleich einen der Mitangeklagten. Der 23-Jährige habe es dann in Brand gesetzt.

Deal: "Nicht bekommen, was wir wollten"

Die Staatsanwaltschaft erklärte zum Auftakt des Verhandlungstages am Dresdner Landgericht, dass sie die im Zuge einer Verständigung zwischen ihr, der Verteidigung und dem Gericht erfolgten Einlassungen von fünf der sechs Angeklagten für nicht glaubhaft hält. Sie seien "zumindest lückenhaft", sagte Oberstaatsanwalt Christian Kohle.

Er verwies darauf, dass danach keiner der Angeklagten von der Tat profitiert oder von der Bedeutung des Schmucks gewusst haben wolle, sich nun aber alle schämten, ein Angeklagter sich trotz zugegebener Beteiligung nicht mehr an die Tag erinnern könne und die Idee von einem Angeklagten stamme, "der die besten Chancen auf eine Jugendstrafe hat".

Laut Kohle sind noch viele Fragen offen und die Angaben der Angeklagten zu einem "überaus komplexen Tatgeschehen, an dem sechs Personen beteiligt gewesen seien, nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs". Bezogen auf den sogenannten Deal sagte er, "dass wir keineswegs bekommen haben, was wir wollten".

Aus Sicht der Anklagebehörde sind es Einlassungen mit dem Ziel gewesen, "dass die Summe der zu erwartenden Strafen gering ausfällt und für alle erträglich ist". Falls diese stimmten, "suchen wir immer noch nach zwei Tätern, gestohlenen Kunstschätzen im Wert von 63 Millionen Euro" sowie weiteren Komplizen und Helfern. Kohle fragte: "Wieso erzählen sie nicht, wie es genau war."

Angeklagter wollte Millionär werden

In den von seinen Anwälten verlesenen Antworten ließ Rabieh Remmo dann tiefer hinter die Kulissen blicken. Als er von dem 26 Jahre alten Mitangeklagten angesprochen wurde, sei die ursprüngliche Tatplanung abgeschlossen gewesen. Seine Motivation sei finanzieller Art gewesen. "Er ging davon aus, dass er nach der Verwertung Millionär wäre", sagte sein Verteidiger. Einen konkreten Plan zur Verwertung der Juwelen "gab es wohl nicht". Über die Option, die Steine umzuschleifen, sei im Vorfeld tatsächlich diskutiert worden. Die Beute sollte aber erstmal so lange "in einem sicheren Versteck liegen, bis Gras über die Sache gewachsen war".

Anders als von den Verteidigern verlangt, arbeitete die Strafkammer keinen zuvor schriftlich übersandten Fragen-Katalog ab. Vielmehr verlas der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel mehrere Fragen zu einem Komplex, die Anwälte mussten mitschreiben und bekamen dann Zeit, um diese außerhalb des Saales mit ihren Mandanten zu besprechen.

Der Kunstdiebstahl aus Sachsens Schatzkammermuseum am 25. November 2019 gilt als einer der spektakulärsten in Deutschland. Laut der Anklage erbeuteten die Täter 21 Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von über 113 Millionen Euro und hinterließen mehr als eine Million Euro Schaden. Seit einem Jahr müssen sich dafür sechs junge Männer zwischen 23 und 29 Jahren verantworten - und unter anderem wegen schwerer Brandstiftung.

Im Januar hatten fünf von ihnen zugegeben, an dem Coup oder der Vorbereitung beteiligt gewesen zu sein. Ein weiterer Beschuldigter streitet eine Täterschaft unter Verweis auf ein Alibi ab.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt - mit der Befragung des 29-Jährigen durch die Staatsanwaltschaft. (dpa mit SZ/lex)