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Dresdner Musikhochschulrektor wechselt überraschend nach Stuttgart

Der Direktor der Dresdner Musikhochschule, Axel Köhler, spricht im Interview über Gründe seines Wechsels und Erfolge seiner Amtszeit. Und darüber, was er von Stardirigent Christian Thielemann erhofft.

Von Bernd Klempnow
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Axel Köhler, einst Sänger, Intendant und Regisseur, leitete seit 2019 die Dresdner Musikhochschule.
Axel Köhler, einst Sänger, Intendant und Regisseur, leitete seit 2019 die Dresdner Musikhochschule. © HfM

Mit ganzem Herzen und ganzer Seele ist Axel Köhler Rektor der Dresdner Musikhochschule „Carl Maria von Weber“. Als er 2019 antrat, musste er das Kollegium befrieden, das zerstritten war, wollte er die Musik-Uni neu positionieren. Beides ist ihm gelungen. Doch nun, 64-jährig, wechselt er vor Ablauf seiner Amtszeit nach Stuttgart. Jüngst wurde er zum neuen Rektor der dortigen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst berufen. Ein Gespräch mit dem Dresdner über den Großvater in ihm und den Reiz darstellender Künste.

Herr Köhler, warum geben Sie Dresden und die hiesige Musikhochschule auf?

Hinter dieser Entscheidung stecken private Gründe, und diese stehen deutlich im Vordergrund. Meine Tochter lebt in Stuttgart und wird im August zum zweiten Mal Mutter werden. Es besteht einfach der Wunsch nach mehr Lebenszeit mit ihr und ihrer Familie. Ich bin nur zu gerne Großvater. Da war der Umstand, dass die Stuttgarter Hochschule das Rektorenamt zu besetzen hatte, eine glückliche Fügung.

Die privaten Gründe sind nachvollziehbar. Trotzdem: Wie leichtfertig geben Sie die von Ihnen seit 2019 super aufgestellte Hochschule mit deutschlandweit unverwechselbaren Stärken auf?

Auch hier kann von aufgeben keine Rede sein und von leichtfertig schon gar nicht. Es wird dafür gesorgt werden, dass die Rektorenstelle schnell wieder mit einer kompetenten Persönlichkeit besetzt wird. Außerdem werde ich die Hochschule nicht sofort verlassen, sodass Zeit ist, laufende Prozesse entweder zu Ende zu bringen oder zuverlässig zu übergeben. Dass die Hochschule derzeit sehr gut aufgestellt ist, hat ja nicht nur mit mir zu tun, sondern mit den Studierenden und Kolleginnen und Kollegen aus der Lehre, der Forschung und der Verwaltung und vor allem mit meinen wunderbaren Rektoratskolleginnen, die alle eine hervorragende Arbeit leisten.

Das war ein Clou, als Axel Köhler 2020 Christian Thielemann zum Honorarprofessor der Hochschule berufen konnte.
Das war ein Clou, als Axel Köhler 2020 Christian Thielemann zum Honorarprofessor der Hochschule berufen konnte. © J. Loesel, loesel-photographie.d

Was reizt Sie, den erfahrenen Sänger, Regisseur, Theaterleiter und Rektor, an der Hochschule in Stuttgart?

Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart ist sehr breit aufgestellt und hat neben all den Studiengängen, welche die Dresdner Musikhochschule auch vorweisen kann, zum Beispiel noch Orgel, Schauspiel, Figurentheater und Sprechkunst im Portfolio. Auf all das bin ich sehr neugierig, und was mit darstellender Kunst zu tun hat, reizt mich besonders.

Wann werden Sie in Stuttgart anfangen und was passiert mit Ihrem Dresdner Vertrag?

Die Gespräche zu den genauen Daten finden Ende August statt. Da die Stuttgart Hochschule bereits seit April 2022 durch ein amtierendes Rektorat geführt wird, werde ich mit einem Wechsel nach Stuttgart nicht bis zum September 2024 warten können. Aber ich konnte mit den Stuttgartern schon mal vereinbaren, dass es definitiv noch einige Monate geben wird, die ich in Dresden bleibe, um einen geordneten Übergang zu gewährleisten. Die vertraglichen Modalitäten werden dann zu gegebener Zeit verhandelt.

Wie haben die Mitarbeiter der Hochschule auf diesen Wechsel reagiert?

Alle, die sich bis jetzt gemeldet haben, haben mir gratuliert und haben bedauernd, aber sehr verständnisvoll reagiert.

Was waren Höhepunkte Ihrer Dresdner Amtszeit?

Da gab es zahlreiche, die hier aus Platzgründen gar nicht alle aufgezählt werden können. Ich habe viele herausragende Veranstaltungen aller Fachrichtungen erleben dürfen bei den Aufführungsabenden unserer Hochschule. Ein Ereignis, auf das die gesamte Hochschule für Musik stolz war, war das Konzertprojekt in der Frauenkirche Ende März 2022. In Kooperation mit der Stiftung Frauenkirche Dresden hatten im März 2022 über 200 Studierende Bernsteins „Mass“, Ellingtons „Sacred Concert“ und Mendelssohns „Wie der Hirsch schreit“ in der Frauenkirche aufgeführt. Fakultätsübergreifend standen das hochschuleigene Sinfonie- und Jazzorchester, der Hoch- und der Jazzchor sowie der Chor des Sächsischen Landesgymnasiums für Musik Dresden, Solistinnen und Solisten sowohl aus der Klassik als auch aus dem Jazz/Rock/Pop-Bereich unter dem Dirigat von Garrett Keast und Olaf Katzer auf der Bühne.

Was gab es noch an Besonderheiten?

Auch das Heinrich-Schütz-Semester anlässlich des 350. Todestages des Altmeisters hat fakultätsübergreifend Studierende aus Studiengängen zusammengeführt, die sonst musikalisch eher nicht so viel miteinander zu tun haben, und all das wurde durch unsere Professorinnen und Professoren auch wissenschaftlich in Form von Symposien begleitet. Aber ich möchte auch die Zeit der Corona-Pandemie nicht unerwähnt lassen, durch die wir aufgrund der vertrauensvollen und kompetenten Zusammenarbeit aller Studierenden und Kolleginnen und Kollegen sehr gut durchgekommen sind.

Christian Thielemann wird spätestens nächsten Sommer Dresden als Chefdirigent der Staatskapelle verlassen. Wird er seine, von Ihnen initiierte Gastprofessur in Dresden fortsetzen?

Christian Thielemann im Oktober 2020 zum Honorarprofessor berufen zu haben war auch so ein Höhepunkt meiner Amtszeit. Eine solche Persönlichkeit an eine Hochschule zu binden ist ein riesiges Pfund, denn seine außerordentliche Expertise als Spitzendirigent ist für unsere Dirigierstudierenden von unschätzbarem Wert. Ob er bleibt? Aber sicher. In einem persönlichen Gespräch vor wenigen Wochen hat er mir versichert, dass er auch über 2024 hinaus die Absicht hat, mit der Dresdner Musikhochschule zusammenzuarbeiten. Und seitens der Hochschule wird sicher alles dafür getan werden, dass er die Möglichkeiten erhält, sein Wissen und sein Können an die begierigen Studierenden weiterzugeben.