Dresden
Merken

Auf virtueller Zeitreise ins sozialistische Dresden

Eine Brille machts möglich: Vom Kriegsende über den Volksaufstand am 17. Juni bis zum Fall der Berliner Mauer ist DDR-Geschichte aus Dresdner Sicht komprimiert in einer virtuellen Rekonstruktion erlebbar. Doch der Streifzug hat auch Schwächen.

Von Kay Haufe
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Time Ride Geschäftsführer Jonas Rothe lädt Dresdner und Gäste zur neuen Zeitreise durch 40 Jahre DDR-Geschichte ein.
Time Ride Geschäftsführer Jonas Rothe lädt Dresdner und Gäste zur neuen Zeitreise durch 40 Jahre DDR-Geschichte ein. © Christian Juppe

Dresden. In 15 Minuten die wichtigsten Entwicklungen in der DDR-Geschichte zu beleuchten, das ist sportlich. Die Kölner Firma "Time Ride" versucht dies mit ihrer neuen Virtual-Reality-Zeitreise, die schlaglichtartige Blicke auf über 40 Jahre DDR wirft. Die Handlung spielt in Dresden und Berlin. So steht der Besucher anfangs vor zerstörten Dresdner Gebäuden wie dem Schloss oder auf dem Altmarkt.

Ein Schwerpunkt soll der Volksaufstand zum 17. Juni 1953 sein. Dessen 70. Jubiläum war Anlass für Time Ride-Gründer und Geschäftsführer Jonas Rothe, die neue Zeitreise zu entwickeln. Der Besucher sieht in den 360-Grad-Szenen Menschen, die sich zu friedlichen Protesten gegen die DDR-Regierung zusammenfinden, dann rollen drei Panzer in Berlin durchs Bild, keine Menschen auf der Straße.

Nur durch die sprachlichen Erläuterungen wird klar, dass der Aufstand blutig niedergeschlagen wurde und es rund 50 Tote gab. Wer wenige Kenntnisse darüber hat, wird mit der Darstellung in der Zeitreise möglicherweise nicht viel anfangen können. "Es ist immer ein Balanceakt, Details auszuwählen, und wir wollten keine Gewaltszenen zeigen", sagt Time Ride-Sprecher Julian Herbig.

Einblick in eine WBS-70-Wohnung

Neben geschichtlichen Ereignissen wie dem Bau der Berliner Mauer, die in der Zeitreise an den Volksaufstand anschließt, wollten die Macher auch Einblicke in das Alltagsleben der Dresdner zeigen. Erläutert wird das DDR-Wohnungsbauprogramm, zu sehen sind dabei die Hochhäuser rund um den Pirnaischen Platz sowie die 50er-Jahre-Häuser auf der damaligen Ernst-Thälmann-Straße, der heutigen Wilsdruffer Straße.

Auffällig für Dresdner, die ihre Stadt noch aus DDR-Zeiten kennen: Die Tatra-Straßenbahn, die zu sehen ist, hat nur einen Wagen. Das gab es aber fast nie. Und die vielen Wolgas, die im Film über die Straßen rollen, tauchten eher selten im Dresdner Straßenbild auf.

So sieht der Pirnaische Platz in der DDR-Zeitreise von Time Ride aus.
So sieht der Pirnaische Platz in der DDR-Zeitreise von Time Ride aus. © Visualisierung: Time Ride

Gewöhnungsbedürftig ist auch der Rundumblick in eine Wohnung der WBS 70-Serie. Der Besucher hat zwar den 360-Grad-Rundumblick und erkennt vielleicht die eigene Tapete aus den 70er- und 80-Jahren wieder, scheint aber auf einer Erhöhung stehen und blickt auf sehr hohe Decken, die es in keiner WBS-70-Wohnung gab.

Zu Ende geht die Zeitreise mit einem Blick auf die gigantischen Mauer-Anlagen in Berlin und anschließende Proteste vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche. Das Finale, wie kann es anders sein, bildet der Fall der Berliner Mauer, der von einer Menschenmenge gefeiert wird.

Sechs Monate Arbeit stecken in der virtuellen Reise

Sechs Monate lang hat ein Time Ride-Team aus Historikern, IT-Spezialisten und 3-D-Grafikern am Film gearbeitet. Dafür haben sie nicht nur historische Fotos und Filme angesehen, sondern auch Dresdner und Berliner Zeitzeugen befragt, wie Rothe erklärt. Trotzdem gibt es Film auch einige bauliche Details in Dresden, die nicht ganz der damaligen Realität entsprechen.

"Geschichte wird immer subjektiv wahrgenommen. Wir versuchen, Bilder einzufangen, die können in der Erinnerung der Leute anders sein", so Rothe. "Wichtig ist doch, dass wir mit der Zeitreise wieder Interesse am Thema DDR wecken." Das war in Dresden zuletzt allerdings nicht mehr stark ausgeprägt, wie das Aus des DDR-Museums zeigt.

Entstanden ist die neue Zeitreise auch mit Fördergeld der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Der Film richtet sich ganz speziell auch an Schülerinnen und Schüler. Diese können sich die DDR-Zeitreise sowohl im Time-Ride-Senseum am Taschenberg 3 ansehen als auch bald Medienkoffer mit mobilen Virtual-Reality-Brillen ausleihen. So kommt die Zeitreise dann direkt ins Klassenzimmer. Allerdings soll das eine dreistellige Ausleihgebühr kosten.

Die Zeitreise ist ab dem 17. Juni in Dresden und Berlin zu sehen. Tickets kosten zehn Euro, ermäßigt acht und für Schüler sieben Euro. Es gibt sie online unter www.timeride.de/dresden/ddrzeitreise.