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Für 570 Euro abgeschleppt: Dresden-Touristen sprechen von Abzocke

Ein Ehepaar aus Niedersachsen stellt sein Auto auf den Parkplatz eines Supermarktes in Dresden. Als es wiederkommt, ist der Wagen weg. Der Abend soll teuer enden.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Der Parkplatz am Straßenbahnhof Dresden-Mickten darf nur von Kunden genutzt werden. Wer das nicht ist und trotzdem dort parkt, riskiert eine hohe Rechnung.
Der Parkplatz am Straßenbahnhof Dresden-Mickten darf nur von Kunden genutzt werden. Wer das nicht ist und trotzdem dort parkt, riskiert eine hohe Rechnung. © Matthias Rietschel

Dresden. 570 Euro - so viel hat ein Ehepaar aus Niedersachsen in Dresden gezahlt, um sein Auto wiederzubekommen. Der Wagen war abgeschleppt worden, als die Touristen in ein Lokal einkehrten. Sie sprechen von Abzocke und fühlen sich über den Tisch gezogen. Doch sind die Abschleppkosten wirklich überhöht?

Was genau ist passiert? Die Dresden-Besucher wollen an ihrem letzten Abend in der Stadt, einem Dezember-Sonntag, zu Abend essen, haben sich ein Restaurant in Mickten ausgesucht. Ihr Auto stellen sie auf den Parkplatz vorm Straßenbahnhof, in dem sich unter anderem die Supermärkte Rewe und Aldi befinden, an diesem Tag aber geschlossen haben.

"Der Parkplatz war, entsprechend einem Sonntagabend, nur spärlich belegt", schildert das Paar die Situation. "Uns fiel die geöffnete Schranke am Parkplatz auf, deshalb prüften wir, ob vor der Einfahrt rechts und links bei den Schranken ein Hinweis steht, dass der Parkplatz eventuell gesperrt sein könnte oder die Schranken zu einem späteren Zeitpunkt schließen würden." Solch einen Hinweis finden sie nicht, sie stellen ihren Wagen ab und gehen. "Wir verließen unser Fahrzeug im guten Glauben, alles sei in Ordnung."

Auto schlägt Diebstahl-Alarm

Noch bevor sie die Bestellung im Lokal aufgeben, erhalten die beiden eine Warnmeldung auf ihr Smartphone. Die Diebstahlswarnung ihres Fahrzeugs alarmiert sie, dass das Auto bewegt werde. "Diese Warnmeldung habe ich zur Kenntnis genommen, aber ignoriert, da es gelegentlich schon Fehlalarme gegeben hatte."

Als die Touristen gegen 19 Uhr auf den Parkplatz zurückkehren, ist das Auto verschwunden. Sie rufen die Polizei. Dort sagt man ihnen, der Wagen sei abgeschleppt worden und könne in der Leipziger Vorstadt beim Abschleppunternehmen abgeholt werden.

Touristen-Ehepaar kritisiert "Touristen-Abzocke"

Zu Fuß geht es von Mickten zu der Firma - mehr als eineinhalb Kilometer. Das Betriebsgelände sei verschlossen gewesen. Sie wählen die Telefonnummer auf der Werbetafel. Eine Viertelstunde später sei ein Mitarbeiter eingetroffen, der dem Paar erklärt habe, sie hätten ihr Auto widerrechtlich auf dem Supermarkt-Parkplatz abgestellt. Daher seien sie abgeschleppt worden. Sie sollen 570 Euro zahlen, um ihren Wagen zurückzuerhalten.

Den Schilderungen der Touristen zufolge kommt es zu einem emotionalen Wortwechsel. Der Mann spricht von "Touristen-Abzocke", argumentiert, er hätte mit seinem geparkten Auto niemanden gefährdet oder behindert. Der geforderte Preis wäre unangemessen, er werde die Stadt darüber informieren. Schließlich kommt die Geschäftsführerin hinzu, erklärt, warum das Paar zahlen soll und wie der Preis zustande kommt. "Nachdem ich das Gespräch nicht fortsetzen wollte, da kein Konsens erreichbar war, wurde ich in nötigender Art und Weise aufgefordert, die Zahlung von 570 Euro zu leisten, um mein Fahrzeug zurückzuerhalten." Mehr als eineinhalb Stunden, nachdem das Auto abgeschleppt wurde, können die Touristen wieder einsteigen und wegfahren.

Abschleppkosten müssen ortsüblich sein

Der Anwalt der Abschleppfirma, Hans Theisen, bestätigt die Geschichte grundsätzlich, betont aber, dass der Wagen widerrechtlich auf dem Kundenparkplatz abgestellt worden sei. Es sei ein Sonntag gewesen, weshalb die Geschäfte geschlossen hatten. Eine Ausnahme gebe es lediglich für Kunden des Fitnessstudios im Straßenbahnhof Mickten. Für sie, und nur für sie, sei die Schranke geöffnet gewesen. Tatsächlich befinden sich überall auf dem Parkplatz Hinweisschilder. Dort steht drauf: "Parkplatz nur für Kunden. Bei unbefugter Benutzung oder Überschreitung der Parkhöchstdauer wird kostenpflichtig abgeschleppt."

Doch wie kommt die Firma zu dem Preis von 570 Euro? Die Abschleppkosten setzten sich zum einen aus dem Grundpreis in Höhe von 390 Euro zusammen, dem Sonntagszuschlag in Höhe von 100 Euro sowie dem Zuschlag fürs Abholen des Wagens an einem Sonntag in Höhe von 80 Euro, so Theisen. Der Grundpreis ergebe sich wiederum auch dadurch, dass es sich bei dem Auto um einen Caddy handelte, der wie ein SUV als größeres Fahrzeug abgerechnet werde. Damit seien die Abschleppkosten ortsüblich, so wie es die Rechtsprechung verlange, so Theisen. Gerichtlich seien die Preise der Dresdner Abschleppfirma bereits mehrfach bestätigt worden.

Tatsächlich gibt es die Ortsüblichkeitsregelung, die so vom Bundesgerichtshof im Jahr 2014 entschieden wurde. Womit sich die Frage stellt, was ortsüblich heißt. Wie viel verlangt zum Beispiel die Stadtverwaltung für Autos, die etwa wegen Falschparkens abgeschleppt werden mussten?

Stadt Dresden stellt bis zu 463 Euro fürs Abschleppen in Rechnung

Die Stadt selbst schleppt nicht ab, sondern beauftragt dazu Unternehmen. "Die Kosten sind abhängig von der ausführenden Abschleppfirma, dem Leistungsumfang und von der Tageszeit", erklärt Stadtsprecher Alexander Buchmann. Wochentags würden die Kosten für das Abschleppen von Fahrzeugen im Auftrag der Landeshauptstadt Dresden zwischen 75 und 316 Euro liegen, sonntags zwischen 93 und 363 Euro.

Hinzu kämen Verwaltungsgebühren in Höhe von 100 Euro für die vollständige Fahrzeugversetzung bzw. 50 Euro, wenn die Maßnahme abgebrochen werden kann, weil der Fahrzeugführer hinzugekommen ist. Standgebühren sind in dieser Rechnung nicht enthalten, da Fahrzeuge meist innerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes versetzt werden, also nicht in die Verwahrstelle kommen.

In der Summe ergibt sich also eine Preisdifferenz von mindestens 100 Euro zwischen Autos, die von der Stadt abgeschleppt werden und dem weggefahrenen Fahrzeug des niedersächsischen Ehepaars. Die Frage, ob das noch ortsüblich ist, ist schwer zu beantworten. Sicherlich gibt es eine gewisse erlaubte Bandbreite zu den Preisen anderer Abschleppdienste, unter anderem den von der Stadt Beauftragten.

Bei 100 Euro Unterschied würde der Dresdner Verkehrsrechtsanwalt Klaus Kucklick zumindest noch nicht die Behauptung aufstellen, die Kosten wären unangemessen oder ortsunüblich. Am Ende müsse das ein Gutachter im Rahmen eines Verfahrens aufklären. Das kostet aber nicht nur Geld, sondern dauert auch.

Das Ehepaar hat angekündigt, den Rechtsweg gegen die Abschleppfirma gehen zu wollen. "Den Besuch in Dresden haben meine Frau und ich im Grundsatz sehr genossen und würden Ihre Stadt gerne auch in Zukunft wieder besuchen. Aber solche Firmen und solche Geschäftspraktiken haben das Potenzial, einem die Freude sehr zu verleiden."