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Einmal volltanken, bitte! Oldtimer-Hilfsaktion für Tankstelle an der Bautzner Straße in Dresden

Die bekannte Tankstelle mit dem runden Dach an der Bautzner Straße wird durch eine Mega-Baustelle fast lahmgelegt. Dagegen hat ein junger Mann nun eine Aktion gestartet. Mit Erfolg.

Von Juliane Just
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Dass die Bautzner Straße nun jahrelang zur Großbaustelle wird, bringt die bekannte Tankstelle mit dem runden Dach in finanzielle Nöte. Deswegen hat Oldtimer-Fan Alexander Klingstein zu einer Tank-Aktion aufgerufen.
Dass die Bautzner Straße nun jahrelang zur Großbaustelle wird, bringt die bekannte Tankstelle mit dem runden Dach in finanzielle Nöte. Deswegen hat Oldtimer-Fan Alexander Klingstein zu einer Tank-Aktion aufgerufen. © Christian Juppe

Dresden. So viele Oldtimer gibt es hier selten. Um die Total-Tankstelle an der Bautzner Straße, die schon aufgrund ihres runden Dachs eigentlich jeder Dresdner kennt, tummeln sich Wartburgs, US-Karossen und andere. Sie alle sind hier, um die Tankstelle zu retten.

Und die hat das bitter nötig: Seit Mai 2023 wird an der Bautzner Straße gebaut. Die Stadt lässt im Bereich Prießnitzstraße bis zur Stolpener Straße unter anderem die Prießnitzbrücke erneuern. Schlecht für die nahe des Diakonissenkrankenhauses mitten im Epizentrum gelegene Total-Tankstelle. Sie ist nur schwer zu erreichen. Bereits im Mai erzählte eine Mitarbeiterin, dass die Umsätze zur Hälfte eingebrochen seien.

Das hörte Alexander Klingstein, der einen Oldtimer-Verleih und Chauffeur-Service unterhält, und wollte helfen. "Wenn keiner anfängt und losläuft, passiert halt auch nichts", sagt der 40-Jährige, der in der Nachbarschaft wohnt. Er dachte sich eine Aktion aus: Oldtimer-Fans und Autofahrer sollen am Sonntag von 11 bis 16 Uhr zur Total in der Neustadt kommen und volltanken.

Rettungsversuch der Dresdner Tankstelle über soziale Medien ausgerufen

"Ich habe die Pächterin gefragt, ob sie damit einverstanden ist und sie sagte direkt zu", so Klingstein. Er rief in den sozialen Medien zu dem Rettungsversuch auf. Über 200 Menschen zeigten prompt Interesse. An diesem Sonntag nun zeigt sich: Die Idee zündet.

Seit Freitag rollt der Verkehr an der Bautzner Straße gar nicht mehr. Die Umleitung führt über die Radeberger Straße. Die Tankstelle ist damit abgeschnitten, hier kommt kein Kunde mehr zufällig vorbei.
Seit Freitag rollt der Verkehr an der Bautzner Straße gar nicht mehr. Die Umleitung führt über die Radeberger Straße. Die Tankstelle ist damit abgeschnitten, hier kommt kein Kunde mehr zufällig vorbei. © Christian Juppe (Archivfoto)

Gegen 11.30 Uhr sieht es rund um die Tankstelle aus, als würde ein kleines Sommerfest gefeiert werden. Menschen sitzen wie aufgereiht auf der Mauer hinter dem kleinen Gebäude oder in Campingstühlen daneben. Sie trinken etwas Kühles, Kinder schlecken am Eis, im Schatten der Bäume lässt es sich aushalten.

Auch das hatte sich der Initiator Alexander Klingstein genau so vorgestellt. Denn neben dem Aufruf zum Tanken waren die Leute auch angehalten, bei Bockwurst und Cola ins Gespräch zu kommen. "Ich möchte das Wir-Gefühl bestärken", sagt er. Die Aktion bringe Zusammenhalt und schüre Hoffnung.

Neue Umleitung an Bautzner Straße: Tankstelle nur schwer zu erreichen

Nur eines hätte ihm kurz vor der Aktion fast noch einen Strich durch die Rechnung gemacht: Am Freitag wurde die Verkehrsführung an der Dauerbaustelle geändert. Nun führt die Umleitung nicht mehr an der Total-Tankstelle entlang, sondern über die Radeberger Straße. Wer also aus Richtung Innenstadt kommt, muss durch die Baustelle und dann wieder ein Stück zurück. Viele, die heute gekommen sind, schütteln darüber den Kopf.

Allgemein ist die Verkehrsführung mit Beginn der Baustelle zum Nadelöhr geworden, die Richtung Bühlau ist nahezu gekappt. Autofahrer kommen nur mit langen Wartezeiten durch, ÖPNV-Gäste nur noch mit Ersatzverkehr per Bus. Die Gewerbetreibenden nahe der Baustelle kämpfen seither mit großen Problemen. Die nächste Hiobsbotschaft: Das wird bis Mitte 2025 so weitergehen.

Trotz der Widrigkeiten fährt jetzt ein rot-beiger Wartburg an der Tankstelle vor. "Ich habe von der Aktion gelesen und bin extra hergekommen", sagt Fahrer Steffen Knüpfer. Das sei nicht ganz einfach gewesen, die Baustelle-Führung sei ja ganz schön kompliziert jetzt. Sein Wartburg, Baujahr 1966, ist ein Hobby-Fahrzeug und "Schönwetter-Auto". Über 50 Liter tankt er, um zu helfen.

Prost! Steffen Knüpfer und Michael Boden machten an diesem Sonntag einen Ausflug mit dem Wartburg. Sie hatten von der Aktion an der Total-Tankstelle an der Bautzner Straße gelesen und tankten voll.
Prost! Steffen Knüpfer und Michael Boden machten an diesem Sonntag einen Ausflug mit dem Wartburg. Sie hatten von der Aktion an der Total-Tankstelle an der Bautzner Straße gelesen und tankten voll. © Christian Juppe
Die Aktion an der Tankstelle an der Bautzner Straße in Dresden haben Christin und Roald Sorms mit dem zweijährigen Tayler und seinem drei Jahre älteren Bruder Joashua für einen kleinen Ausflug genutzt. Dabei konnten die Jungs zahlreiche Oldtimer begutachten, die hier tankten.
Die Aktion an der Tankstelle an der Bautzner Straße in Dresden haben Christin und Roald Sorms mit dem zweijährigen Tayler und seinem drei Jahre älteren Bruder Joashua für einen kleinen Ausflug genutzt. Dabei konnten die Jungs zahlreiche Oldtimer begutachten, die hier tankten. © Christian Juppe
Das "Café Minou" spendete einen herzhaften und einen süßen Kuchen für die Tank-Aktion. Gegen eine Spende konnten Kunden die Leckereien verspeisen. Der Erlös kommt der Tankstelle in Dresden zugute.
Das "Café Minou" spendete einen herzhaften und einen süßen Kuchen für die Tank-Aktion. Gegen eine Spende konnten Kunden die Leckereien verspeisen. Der Erlös kommt der Tankstelle in Dresden zugute. © Christian Juppe

Direkt neben ihm fährt ein Coswiger mit seinem gelben Ford Mustang an eine der drei Zapfsäulen. "Es ist sehr wichtig, dass die Tankstelle erhalten bleibt", sagt er. Das habe etwas mit "Traditionsbewusstsein" zu tun. Die Tanke wurde 1927 erbaut, war seither fast ununterbrochen geöffnet.

Tankstellen-Pächterin: "Diese Aktion bedeutet mir sehr viel"

Als schließlich die Chefin Ute Jautze gegen Mittag ihren Dienst antritt, strahlt sie und winkt den Gästen zu. "Diese Aktion bedeutet mir sehr viel", sagt sie. Schon vor einigen Wochen hielt auch eine Gruppe Motorradfahrer, die mit Weihnachtsmann-Kostümen bekleidet die sogenannte Biker-Weihnacht feierten, zum Tanken bei ihr. Die Pächterin kann kaum in Worte fassen, wie sehr sie das alles rührt. Im Viertel gebe es allgemein viel Zuspruch. "Viele Leute kommen auch zu Fuß und holen Snacks oder Getränke, um uns zu unterstützen", sagt Ute Jautze.

Zwei Jahre lang wird die Bautzner Straße zu einer Großbaustelle. Das macht der Tankstellen-Pächterin Ute Jautze sehr zu schaffen. Umso mehr ist sie von der Tank-Aktion der Oldtimer gerührt.
Zwei Jahre lang wird die Bautzner Straße zu einer Großbaustelle. Das macht der Tankstellen-Pächterin Ute Jautze sehr zu schaffen. Umso mehr ist sie von der Tank-Aktion der Oldtimer gerührt. © Christian Juppe

Und doch: "Wir haben finanziell große Einbrüche durch die Baustelle. Hier kommt keiner mehr zufällig vorbei", sagt sie und zeigt auf die rot-weißen Absperrungen direkt am Rand der Tankstelle. Seit 1998 hat sie die baulich markante Total-Tankstelle mit dem runden Dach auf der Bautzner Straße gepachtet. 2013 hatte Ute Jautze schon einmal eine riesige Baustelle vor der Tür, musste damals einen Kredit aufnehmen, um die Umsatzeinbußen auszugleichen.

"Café Minou" spendet zwei Kuchen für die Tank-Aktion

Helfer und Initiator Alexander Klingstein kann sich indes vorstellen, die Aktion einmal im Quartal zu veranstalten. "Mit einmal ist es nicht getan, wenn die Baustelle zwei Jahre bleiben soll", sagt er. Und die Pächterin fügt an: "Wer weiß, ob das hier alles überhaupt in zwei Jahren fertig ist."

Für die Mittagszeit bäckt Ute Jautze jetzt Brötchen auf und lässt Bockwürste ins heiße Wasser gleiten. All das macht sie auf kleinstem Raum und kommt sich nicht mit Tochter Jenny Jautze, die die Kunden hinter einem kleinen Tresen bedient, ins Gehege. Die Frauen sind ein eingespieltes Team. Bis zu sechs Gäste stehen jetzt gleichzeitig in dem kleinen Verkaufsraum. Und sie bleiben auch gern länger, die Klimaanlage ist so herrlich kühl.

Hilfe kommt derweil auch von woanders: Heute gibt es nicht nur die klassischen Bockwürste für hungrige Kunden, sondern auch Leckereien vom nahen "Café Minou". Die Inhaberin hat einen Zwiebel-Speck-Kuchen und einen Stachelbeere-Johannisbeere-Kuchen gebacken, gegen eine Spende kann er verspeist werden. Das Geld wandert in eine Spardose, die dann wiederum die Tankstellenpächterin plündern darf. Und die Geldbüchse hat die Form: die eines Oldtimers, versteht sich.