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Versteigerung des Dresdner DDR-Museums: "Ich sorge dafür, dass diese Dinge nicht weggeworfen werden"

Das Inventar des DDR-Museums wird am 8. Juli versteigert, es wird reger Andrang erwartet. Der renommierte Dresdner Auktionator Stefan Günther und sein Team haben die Auktion aufwändig vorbereitet. Warum die Emotionen bei den DDR-Exponaten so hochkochen.

Von Juliane Just
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Auktionator Stefan Günther hat sich mit einem Team durch das geschlossene DDR-Museum gewühlt. Für die Versteigerung am Samstag mussten alle Exponate, darunter auch dieses Wanderer-Motorrad, nummeriert, fotografiert und katalogisiert werden.
Auktionator Stefan Günther hat sich mit einem Team durch das geschlossene DDR-Museum gewühlt. Für die Versteigerung am Samstag mussten alle Exponate, darunter auch dieses Wanderer-Motorrad, nummeriert, fotografiert und katalogisiert werden. © Sven Ellger

Dresden. Fast sieht es aus, als würde er inmitten einer Filmkulisse sitzen. Niedrige Sessel mit mintgrünem, angerautem Sitzpolster, davor ein dreieckiger Stubentisch mit abgerundeten Ecken, hinter ihm ein hölzerner Sekretär mit goldenen Griffen. Auf der Sitzecke klebt eine Nummer, ein roter Punkt auf dem Tisch. Stefan Günther, ein renommierter Auktionator für Kunst, sitzt Mitte Juni inmitten des DDR-Museums und versucht, den 75.000 Exponaten um ihn herum Herr zu werden.

"Natürlich stellt sich die alte Frage: Was ist schlimmer - anfangen oder aufhören?", sagt Stefan Günther und schmunzelt. Seit Wochen wühlen sich er und fünf Mitarbeiter fast täglich zwölf Stunden durch die DDR-Schau, um sie für die Versteigerung am 8. Juli bereitzumachen. Im April wurde bekannt, dass Edeka-Händler Peter Simmel die DDR-Schau im Hochhaus am Albertplatz aufgeben will.

Grund dafür waren vor allem abstürzende Besucherzahlen. Von 100.000 Besuchern im Jahr waren zuletzt nur noch 10.000 gezählt worden. Den Großteil davon machten gelangweilte Schülergruppen aus, die sich durch eine Schau mit Objekten schoben, mit denen jüngere Generationen wie die Millennials oder gar die Generation Z so gar nichts mehr anfangen können. "Für manche Schüler war es eine Qual, wenn sie zu uns kommen mussten", ist sich Simmel sicher.

Auktionator des DDR-Museums: "Die Schau hat mich gereizt"

Erst gab es noch Hoffnung für die DDR-Schau, weil es Interessenten gab, die das Museum weiterführen wollten. Doch als die absprangen, war klar: Die Exponate werden versteigert. Hier kommt Stefan Günther ins Spiel, der sich "aufgedrängt" habe, wie er selbst sagt. "Die Schau hat mich gereizt. Ich bin in der DDR aufgewachsen und sozialisiert worden", sagt der 66-Jährige. Eigentlich hat Günther sich auf Kunst spezialisiert, versteigert normalerweise wertvolle Teller aus Meissener Porzellan, Skulpturen aus längst vergangenen Jahrhunderten oder Radierungen vom berühmten Maler Otto Dix, der einige Jahre seines Lebens in Dresden verweilte.

Trabanten, Mitropa-Geschirr oder Veritas-Nähmaschinen kommen also bei Günther normalerweise nicht unter den Hammer. "Es wird viele Sammler und Kenner geben, die wissen, welche der Erika-Schreibmaschinen etwas Besonderes ist, welcher DDR-Rechner wichtig ist oder welche Uniform sammlungswürdig ist", sagt Stefan Günther. "Das Interesse ist jedenfalls deutlich zu spüren."

Der Konsum unterm Hammer: Weckgläser mit Erbsen, Brechbohnen oder Roter Beete kommen bei der Versteigerung des DDR-Museums in Dresden unter den Hammer. Die Rote Beete trägt einen Stempel mit dem Jahr 1990.
Der Konsum unterm Hammer: Weckgläser mit Erbsen, Brechbohnen oder Roter Beete kommen bei der Versteigerung des DDR-Museums in Dresden unter den Hammer. Die Rote Beete trägt einen Stempel mit dem Jahr 1990. © Sven Ellger
Das Bild "In der sozialistischen Produktion" kann am 8. Juli im DDR-Museum ebenfalls ersteigert werden. Es handelt sich um Öl auf Holzfaser, eine Signatur des Künstlers fehlt jedoch.
Das Bild "In der sozialistischen Produktion" kann am 8. Juli im DDR-Museum ebenfalls ersteigert werden. Es handelt sich um Öl auf Holzfaser, eine Signatur des Künstlers fehlt jedoch. © Sven Ellger
Viele werden ihn noch kennen, den guten alten Röhrenfernseher. Bei der Versteigerung im DDR-Museum kommen die Exponate einzeln oder in Gruppen, sogenannten Konvoluten, unter den Hammer.
Viele werden ihn noch kennen, den guten alten Röhrenfernseher. Bei der Versteigerung im DDR-Museum kommen die Exponate einzeln oder in Gruppen, sogenannten Konvoluten, unter den Hammer. © Sven Ellger
Mitropa-Geschirr gibt es zuhauf im DDR-Museum in Dresden. Auch das kann ab 10 Euro Anfangsgebot ersteigert werden.
Mitropa-Geschirr gibt es zuhauf im DDR-Museum in Dresden. Auch das kann ab 10 Euro Anfangsgebot ersteigert werden. © Sven Ellger
Ein seltenes Stück ist eine Originalgitarre von einem der "Vier Brummers", die bei der Versteigerung des DDR-Museums am 8. Juli unter den Hammer kommt.
Ein seltenes Stück ist eine Originalgitarre von einem der "Vier Brummers", die bei der Versteigerung des DDR-Museums am 8. Juli unter den Hammer kommt. © Sven Ellger
Mehrere Zweiräder, hier ein MZ-Motorrad, sollen bei der Versteigerung des DDR-Museums an den Mann gebracht werden.
Mehrere Zweiräder, hier ein MZ-Motorrad, sollen bei der Versteigerung des DDR-Museums an den Mann gebracht werden. © Sven Ellger

Mit seinem Team hat Günther in den vergangenen Tagen fast ununterbrochen gearbeitet. Die Vielzahl an Exponaten wurden zu Gruppen, sogenannten Konvoluten, gebündelt. Jedes Exponat oder Konvolut erhält eine Nummer, die es bis zur Versteigerung behält. "Ich sitze hier beispielsweise auf Nummer 9", sagt Stefan Günther und streicht mit der Hand über den mintgrünen Stoff des Sessels. Anschließend müssen die Exponate noch fotografiert werden. All das ist in einem Katalog zusammengestellt worden, den Interessierte online einsehen können.

Exponate des DDR-Museums können unter die Lupe genommen werden

Aus den einst 75.000 Einzelobjekten sind inzwischen über 900 gebündelte Positionen geworden, die Günther am 8. Juli unter den Hammer bringt. Er rechnet mit einem hohen Interesse an der Versteigerung. Für die Versteigerung am Samstag wird reger Andrang erwartet, das Medien-Interesse ist riesig.

Im Vorfeld gab es drei Tage, an denen Interessierte sich die Exponate im DDR-Museum ansehen und unter die Lupe nehmen konnten. Dort konnte - je nach Belieben - in den Kofferraum des Trabis gekrochen werden, das Reise-Bügeleisen geschwungen oder jede einzelne Schublade im Apothekerschrank geöffnet werden.

"Wir geben keine Garantie darauf, dass technische Geräte funktionieren. Bei den Produkten aus dem Konsum geben wir keine Garantie auf Genießbarkeit", sagt er und kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Er, der selbst bei 28 Grad Außentemperatur mit Anzug und Schlips in den stickigen Räumen steht, zeigt auf ein Glas Rote Beete im Regal, dessen Inhalt über die Jahre von tiefem Rot zu vergilbtem Rostbraun gewechselt hat. Sie trägt einen Stempel vom Jahr 1990.

Günther selbst ist kein Nostalgiker, sagt er. Die Dinge, die ihn derzeit fast zwölf Stunden täglich im DDR-Museum umgeben, begegnen ihm auch im Alltag oft. DDR-Design eben - nicht mehr ganz omnipräsent, aber auch nicht gänzlich verschwunden aus Dresden. Er bemerke aber, dass die Emotionen bei diesem Thema mitunter hohe Wellen schlagen.

"Die DDR war eine emotionale Zeit. Vieles ist inzwischen in der Erinnerung verklärt, aber es war auch nicht alles gut", sagt er und zeigt auf die faltbaren Wände im DDR-Museum, die leere Häuser, fast schon Ruinen, in Dresden zeigen. Ihm sei vorgeworfen worden, er würde die DDR-Vergangenheit verhökern. "Im Gegenteil: Ich sorge dafür, dass diese Dinge nicht weggeworfen werden, sondern erhalten bleiben", wehrt sich Günther gegen diesen Vorwurf.

Versteigerung im DDR-Museum: Ein Trabant ab 10 Euro

Die Versteigerung selbst wird für den 66-Jährigen ein Kraftakt. Zehn Stunden sind angepeilt, um die 75.000 Gegenstände unter die Menge zu bringen. "Das wird sehr anstrengend. Ich muss im Prinzip die ganze Zeit reden wie ein Buch", sagt der erfahrene Auktionator. Seit 1991 macht er diesen Beruf, hat nach eigenen Angaben seither rund 280.000 Positionen versteigert. Den höchsten Wert erzielte er mit einem Altar aus dem 16. Jahrhundert. Stolze 160.000 Euro brachte dieser ein.

Mit solchen Summen wird bei der Auktion im DDR-Museum nicht zu rechnen sein. Im Gegenteil: Es geht darum, die Schau möglichst restlos zu verkaufen. Deswegen beginnt jedes Gebot bei 10 Euro -egal, ob Pionierhalstuch, Propagandatafel oder ein Ruder-Einer.

Interessenten können live beim DDR-Museum mitbieten, aber auch online. Dafür gibt es bereits über 100 Anmeldungen aus dem In- und Ausland. Auch ein Museum habe sich gemeldet und ein Händler aus Belgien angekündigt, "wegen der Fahrzeuge". Die Fahrzeuge wurden erst Mitte Juni aus dem Simmel-Hochhaus gehoben, damit Günther und sein Team sie für die Auktion vorbereiten konnte.

Er gehe davon aus, dass viele Sammler und vielleicht sogar einige Museen ein Auge auf die eine oder andere Rarität geworfen haben. Eine Gitarre von einem der "Vier Brummers" werde versteigert, eine musikalische Delikatesse unter den Liebhabern. Nun kommt die DDR-Schau bald unter den Hammer. Dann heißt es: "Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten!"

Die Versteigerung findet am 8. Juli von 10 bis 18 Uhr im DDR-Museum statt. Den Katalog zur Versteigerung gibt es hier. Für die Abholung sollten Bieter sich den 10. bis 12. Juli zwischen 10 und 18 Uhr einplanen.