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Marketingprofi über Dresden: "Zu warten, bis eine Lösung von oben kommt, ist nicht zielführend"

Der Rheinländer Frank Kebbekus ist der Dresdner Barmer-Chef und auch Präsident des Marketing-Clubs in Dresden. Er macht sich Gedanken um die Zukunft seiner Wahlheimat. Welche Potenziale er bei jedem Einzelnen sieht.

Von Kay Haufe
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Wünscht sich mehr Zuversicht: Frank Kebbekus ist der Dresdner Barmer-Chef und Präsident des Marketing-Clubs Dresden e. V.
Wünscht sich mehr Zuversicht: Frank Kebbekus ist der Dresdner Barmer-Chef und Präsident des Marketing-Clubs Dresden e. V. © Marion Doering

Dresden. Wenn ein Rheinländer die Dresdner als vielseitige, spannende und offene Menschen bezeichnet, dann will das was heißen. Vor 22 Jahren zog Frank Kebbekus, der aus Sankt Augustin bei Bonn kommt, nach Dresden und hier will der Hauptgeschäftsführer der Krankenkasse Barmer Dresden auch bleiben. Seit zehn Jahren bringt er zudem als Präsident des Dresdner Marketing-Clubs Hochschullehrer, Unternehmer, Produktmanager und Marketingprofis zusammen, die sich engagieren und Brücken bauen wollen - auch zwischen den Generationen.

Doch Kebbekus bleibt nicht verborgen, dass die Dresdner angesichts von Ukraine- und Gaza-Krieg sowie hoher Inflation und Energiekrise zunehmend verunsichert sind. Dazu kommt die immer weitere Verdichtung des Arbeitspensums, die auch er gut kennt. "Die Herausforderungen im Alltag und im Beruf werden größer", sagt er.

Arbeitswelt verändert sich rasant

Viele würden sich in der Reaktion darauf mehr und mehr zurückziehen - noch stärker als in der Corona-Pandemie. Das Gegenteil davon wünscht sich Frank Kebbekus. "Unsere bisherige Normalität ändert sich gerade und die neue Realität sieht anders aus. Aber genau das birgt doch auch Chancen." Die zu suchen, darauf komme es an.

Beispiele aus seiner eigenen Arbeitswelt gibt es einige. Die Barmer hat in der Region Dresden und Ostsachsen über 500 Mitarbeiter. In den kommenden Jahren gehen mehrere Kollegen in den Ruhestand. Ein demografischer Trend, der überall verzeichnet wird. "Als Arbeitgeber investieren wir daher viel in die Nachwuchsarbeit. Gerade aktuell schaffen wir mit 'SchauRein' eine Gelegenheit, den Ausbildungsberuf 'Kaufleute im Gesundheitswesen' erlebbar zu machen", sagt der 54-Jährige. "Für das laufende Jahr konnten wir alle Ausbildungsplätze gut besetzen. Ab August werden dann 25 Azubis am Start sein."

Um speziell mit ukrainischen Geflüchteten in Kontakt zu kommen, musste zuerst die Sprachbarriere überwunden werden. "Wir haben ukrainische Mitarbeiterinnen als Dolmetscher engagiert. Mit viel Offenheit und Respekt im Team konnte Kundinnen und Kunden geholfen, und die Zusammenarbeit zu anderen Institutionen verbessert werden."

Ein Fünftel der Dresdner im Ruhestand

Dass es ohne Hilfe von zugewanderten Menschen künftig auch in der Dresdner Wirtschaft nicht mehr gehen wird, belegt die demografische Statistik sehr deutlich. Von den 572.240 Personen mit Hauptwohnsitz, die zum 31. Dezember 2023 in Dresden lebten, waren 35.727 in der Altersklasse zwischen 62 und 67 Jahren. Das heißt, sie sind bereits Rentner oder werden es demnächst. Weitere 47.302 Dresden waren zu dem Zeitpunkt zwischen 75 und 84 Jahre alt.

Und: 22.415 Menschen waren in Dresden über 85 Jahre alt. Gerundet könnte man sagen, ein Fünftel der Dresdner arbeitet nicht mehr. Dagegen stehen lediglich 63.651 junge Dresdner zwischen 15 und 24 Jahren, die in Ausbildung sind oder sie schon abgeschlossen haben.

Für Kebbekus heißt das, gemeinsam zu überlegen, wie man dem Fachkräftemangel über vernetzte Strukturen entgegenwirken kann. "An der Stelle werden wir offen sein müssen, weil keiner allein eine Lösung für diese Frage hat."

Ein gutes Beispiel ist für ihn der medizinische Sektor. Bereits heute hat fast die Hälfte aller Ärzte in Deutschland das 50. Lebensjahr überschritten. Vor allem die Krankenhäuser haben darauf reagiert. Nach Angaben der Sächsischen Landesärztekammer waren 2022 in Sachsen insgesamt 26.986 Ärzte gemeldet, wovon 3.084 Ausländer waren. Das sind 11,4 Prozent. Die meisten davon kommen aus Tschechien, gefolgt von Syrien.

Präventionsmuffel: Männer verschenken Potenzial

Das Thema Gesundheit treibt den Manager und Marketingprofi besonders um. "Es ist eine großartige Leistung unseres Gesundheitswesens, dass die Menschen immer älter werden." Allein in Dresden gibt es 124 Einwohner, die über 100 Jahre alt sind. Dass nur elf von ihnen Männer sind, sei auch eine Folge davon, dass Männer viel seltener zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, ist Kebbekus überzeugt. "Frauen nehmen eine viel größere Verantwortung für sich selbst wahr als Männer. Hier liegt viel Potenzial für die Männer."

Dass es leichter ist, über Chancen und das eigene Einbringen zu reden, als es dann auch wirklich umsetzen zu können, weiß Kebbekus genau. Wie man es versuchen kann, dafür gibt er gern einige Tipps weiter.

"Zu warten, bis eine Lösung der aktuellen Probleme von 'oben' kommt, ist nicht zielführend. Zuerst sollte ich mich fragen, was ich aus meinem Erfahrungsschatz dazu beitragen kann, eine unbefriedigende Situation zu verändern." Dabei geht er auch auf den hohen Medienkonsum ein. "In der digitalen Welt ist alles sichtbar und wird sofort als vermeintliche Bedrohung wahrgenommen." Der Marketingprofi rät, gut abzuschätzen, wieviel jeder davon verträgt und die Zeit dafür um die Hälfte zu reduzieren. "Was an Zeit plötzlich da ist, sollten wir doch lieber in Begegnungen mit anderen Menschen investieren." Ob das im Freundeskreis ist, im Sportverein oder im Nachbarschaftstreff.

Generationen zusammenbringen

Kebbekus setzt auch auf Generationenstärke. "Lass zu einem konkreten Thema fünf ältere und fünf junge Teilnehmer zusammenarbeiten und es durch die Blickachse der verschiedenen Generationen betrachten. Das Ergebnis wird überzeugen." Auch so entstehe Bewegung, die es innerhalb einer Altersklasse nicht gäbe. "Zuversicht ist bei allem ein guter Wegbegleiter", sagt er.