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Dresdner Schülerinnen bauen Mini-Satelliten für Wettbewerb der Europäischen Weltraumbehörde

Dresdner Schülerinnen haben am DLR School Lab einen Satelliten im Getränkedosenformat gebaut, der später als Wetterstation dienen soll. Damit kämpfen sie in Bremen um den ersten Platz - aber vor allem für ihre berufliche Zukunft.

Von Dominique Bielmeier
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Das Dresdner Team beim Cansat-Wettbewerb mit ihrem Mini-Satelliten, noch in Einzelteilen (v. l.): Elisa Döring, Rahel Anbessie, Sophia Binder und Charlotte Döring. Nicht im Bild, aber im Team: Linea Zeiske.
Das Dresdner Team beim Cansat-Wettbewerb mit ihrem Mini-Satelliten, noch in Einzelteilen (v. l.): Elisa Döring, Rahel Anbessie, Sophia Binder und Charlotte Döring. Nicht im Bild, aber im Team: Linea Zeiske. © René Meinig

Dresden. "Das Universum in der Nussschale" hat Stephen Hawking, der wohl bekannteste Astrophysiker der Welt, sein Werk über die Entstehung des Weltalls, über Raum und Zeit genannt. Frei nach Hamlet, der in Shakespeares Drama erklärt: "Ich könnte in eine Nussschale eingesperrt sein und mich für einen König von unermesslichem Gebiete halten."

Das ganz Große im ganz Kleinen: Diese Idee steckt auch hinter dem Projekt von fünf Dresdner Schülerinnen, die in die Fußstapfen Hawkings oder anderer Wissenschaftler treten könnten. Sie haben einen Satelliten gebaut, der zwar nicht in eine Nussschale passen würde, aber zumindest in eine Getränkedose - und funktioniert wie ein großer, wenn er auch nicht ganz die Sterne erreicht.

"Cansat" heißt ein solcher Satellit, von dem englischen Wort für Dose, "can". Den gleichen Namen trägt der seit 2014 jährlich stattfindende Schülerwettbewerb der Europäischen Weltraumbehörde (ESA), dessen deutscher Ableger in dieser Woche in Bremen stattfindet. Bei diesem Wettbewerb geht es darum, einen Mini-Satelliten zu entwickeln, zu bauen und zu programmieren - und dann auf eine echte Mission zu schicken.

Das einzige Team aus Ostdeutschland beim Wettbewerb

Mit einer Rakete wird der Cansat dann auf eine Höhe von 1.000 Metern gebracht, von wo er, gebremst durch einen Fallschirm, zu Boden sinkt und dabei verschiedene Messungen durchführt. In Bremen mit dabei: Sophia Binder, Rahel Anbessie, Linea Zeiske und die Schwestern Charlotte und Elisa Döring aus Dresden. Die Älteste - Teamchefin Sophia - ist 17, die Jüngste, Elisa, 14. Die fünf bilden eines von nur zwei reinen Mädchen-Teams beim Wettbewerb - und das einzige der zehn ausgewählten Teams, das aus Ostdeutschland kommt: "ClouDDSat".

Alle fünf besuchen Gymnasien in Dresden, verbringen aber seit Beginn des Schuljahres fast jede freie Minute im DLR School Lab in den Technischen Sammlungen, das sich der Förderung des wissenschaftlich interessierten Nachwuchses verschrieben hat.

In einer Ecke des großen Raumes voller hölzerner Arbeitstische, technischer Geräte und Laborkittel liegt das Reich der Nachwuchswissenschaftlerinnen: ein langer Tisch mit vier Computerarbeitsplätzen zwischen 3-D-Drucker, Mikroskop und weiteren Geräten, die für den Satellitenbau benötigt werden. Nichts deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass hier Schülerinnen und keine "echten" Wissenschaftlerinnen arbeiten.

Die Nachwuchswissenschaftlerinnern bei der Arbeit an ihrem Dosensatelliten im DLR School Lab (v. l.): Rahel Anbessie, Sophia Binder und die Schwestern Charlotte und Elisa Döring.
Die Nachwuchswissenschaftlerinnern bei der Arbeit an ihrem Dosensatelliten im DLR School Lab (v. l.): Rahel Anbessie, Sophia Binder und die Schwestern Charlotte und Elisa Döring. © René Meinig
Alle Teile des Satelliten haben die Schülerinnen selbst entworfen, programmiert und im 3-D-Drucker gedruckt. Die Sensoren messen Luftdruck und -feuchte, Temperatur, UV-Strahlung, Windrichtung und -geschwindigkeit sowie Pollen-Belastung. Außerdem hat der "Cansat" einen GPS-Sender zur Ortung.
Alle Teile des Satelliten haben die Schülerinnen selbst entworfen, programmiert und im 3-D-Drucker gedruckt. Die Sensoren messen Luftdruck und -feuchte, Temperatur, UV-Strahlung, Windrichtung und -geschwindigkeit sowie Pollen-Belastung. Außerdem hat der "Cansat" einen GPS-Sender zur Ortung. © René Meinig
Auch für die Schaltung waren die Schülerinnen komplett selbst verantwortlich.
Auch für die Schaltung waren die Schülerinnen komplett selbst verantwortlich. © René Meinig

"Wir testen gerade das Funkmodul", erklärt Sophia, die schon zum zweiten Mal teilnimmt und für das Programmieren zuständig ist, wenige Tage vor Beginn des Wettbewerbs. "Das spuckt noch ein paar seltsame Zeichen aus, aber wird sind froh, dass es funktioniert."

Die Mädchen kichern - und erzählen dann, als beschäftige sich damit jeder Teenager, vom Programmieren mit C++, vom 3-D-Druck der Stützschichten des Satelliten, in die Leiterplatinen mit den einzelnen Sensoren kommen ... Jeden Schritt des Projektes haben sie selbst gemacht, vom Entwurf des Satelliten bis zum Nähen des kleinen Fallschirms, und selbst das Eintreiben von Sponsorengeldern und die Öffentlichkeitsarbeit.

Nun muss der Cansat eigentlich nur noch zusammengesetzt werden, bevor er in Bremen buchstäblich in die Luft gehen kann - und dann hoffentlich erfolgreich seine Mission erfüllt.

Dosen-Satellit soll später als Wetterstation dienen

Dabei muss der kleine Satellit als "Primärmission" Luftdruck und Temperatur messen, das gibt der Wettbewerb vor. Die "Sekundärmission" stand den zehn Teams frei, manche lassen die Luftqualität messen, andere mit Infrarotsensoren nach Wasserflächen suchen.

Das Ziel der Dresdnerinnen klingt ambitioniert: Sie haben einen Satelliten entwickelt, der neben Luftdruck und Temperatur auch Luftfeuchte, Windrichtung, Windgeschwindigkeit, UV-Strahlung und sogar Pollen-Belastung misst. Diese Daten sollen mittels Liveübertragung zur Bodenstation geleitet, dort ausgewertet und anschließend gleich auf der Website clouddsat-dresden.de veröffentlicht werden. Später, zurück in Dresden, soll er dauerhaft als Wetterstation am DLR School Lab dienen.

Wo aber lernt man das eigentlich alles? "Hier", erklären die Mädchen und deuten auf den großen Raum des Schülerlabors. Wenn sie nicht weiter wissen mit ihrem Projekt, stehen ihnen erfahrene (Ex-)Studenten als Betreuer zur Seite und es gibt regelmäßig Austausch mit anderen Schülerteams, die hier arbeiten. Und für die wenigsten im Team ist es die erste Erfahrung mit dem Labor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Zusammenarbeit mit der TU Dresden.

Manche waren bei der "Moon Camp Challenge" dabei, als es darum ging, zu planen, wie man auf dem Mond überleben könnte, oder berichten begeistert vom Funken mit dem Astronauten Matthias Maurer auf der ISS. Bei allen ist der Forscherinnengeist geweckt, entweder durch den Cansat-Wettbewerb, oder schon vorher.

Rahel weiß bereits jetzt, dass sie später gerne im Satellitenbau arbeiten würde, Sophia könnte sich vorstellen, weiter zu programmieren, Linea wird vielleicht (Astro-)Physikerin und auch Charlotte und Elisa sehen ihre Zukunft im naturwissenschaftlichen Bereich beziehungsweise in einem der MINT-Fächer, wo Frauen noch immer deutlich unterrepräsentiert sind.

Dass sie bei diesem Wettbewerb sogar 100 Prozent der Mitglieder von "ClouDDSat" ausmachen, hält die Leiterin des Labors, Dr. Janina Hahn, die das Team zusammengestellt hat, für einen Vorteil. Sonst drängten sich die Jungen gerne in den Vordergrund und übernähmen wie selbstverständlich die großen Aufgaben, während für die Mädchen nicht mehr so viel bliebe.

Für das ClouDDSat-Team geht es beim Wettbewerb übrigens nicht in erster Linie ums Gewinnen, auch wenn sie dann für die nächste Runde nach Portugal eingeladen würden. "Es geht darum, dass wir lernen, wie das alles funktioniert", sagt Rahel. "Und es macht einfach viel Spaß, zusammen daran zu arbeiten."