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Die letzten Minuten vor dem Flugzeugabsturz im Bayerischen Wald

Ende Juli sterben die Dresdner Fernsehturm-Veteranen Eberhard Mittag und Klaus Martin bei einem Flugzeugabsturz in Bayern. Ein neuer Bericht rekonstruiert den Unglückstag.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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In der Nacht zum 28. Juli fanden Rettungskräfte das abgestürzte Flugzeug, in dem Eberhard Mittag und Klaus Martin saßen.
In der Nacht zum 28. Juli fanden Rettungskräfte das abgestürzte Flugzeug, in dem Eberhard Mittag und Klaus Martin saßen. © dpa/Zema-Medien

Dresden. Mit Eberhard Mittag und Klaus Martin hat Dresden im Juli zwei Kämpfer für die Wiedereröffnung des Fernsehturms verloren. Beide starben bei einem Flugzeugabsturz in Bayern. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hat nun ihren Zwischenbericht veröffentlicht, der neue Details zu dem Unglück enthält.

Der Start: Flugzeug hob am Morgen in Großenhain ab

Am Morgen des 26. Juli stiegen Eberhard Mittag und Klaus Martin in Großenhain in ein Ikarus-Ultraleichtflugzeug - ein Zweisitzer. Mittag, Pilot auf diesem Flug, war Teil der Haltergemeinschaft, in der die Maschine betrieben wurde. Laut BFU hob das Flugzeug um 6.58 Uhr auf dem Flugplatz ab. Ziel war die Stadt Wels in Österreich. Dort wollten sich der Pilot und sein Begleiter zu einer Besprechung mit Geschäftspartnern treffen. Der Rückflug war für den nächsten Tag geplant, heißt es in dem Zwischenbericht.

Auf dem Weg nach Österreich durchflogen die beiden Männer zunächst den tschechischen Luftraum. Um 8.49 Uhr überquerten sie die tschechisch-bayerische Grenze. Der Flugweg habe über Mittags Smartphone ausgelesen werden können, auf dem sich eine Navigationssoftware befand.

Das Unglück: Kurve und Sinkflug über Bayerischem Wald

Über der Ortschaft Frauenberg im Bayerischen Wald machte das Flugzeug um 8.52 Uhr eine Linkskurve und ging aus noch ungeklärter Ursache in einen Sinkflug über, so die Ermittler. In geringer Höhe folgten drei Kreise. Um 8.54 Uhr endete die Aufzeichnung. Den Untersuchungen zufolge berührte die Maschine zunächst einen Nadelbaum zusammen mit einer der Tragflächen. Die Spitze des Baumes wurde dabei gekappt. Anschließend drehte sich das Flugzeug um die Hochachse und schlug auf dem Waldboden auf.

Der Flugweg von Eberhard Mittag und Klaus Martin von 8.51 Uhr bis zum Absturz 8.54 Uhr am 26. Juli 2022.
Der Flugweg von Eberhard Mittag und Klaus Martin von 8.51 Uhr bis zum Absturz 8.54 Uhr am 26. Juli 2022. © Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU)

Das Wrack wurde später in einem Berghang südlich des Bergmassivs Dreisessel in dicht bewachsenem Mischwald gefunden. Beide Tragflächen waren abgerissen. Der Rumpf des Fliegers sei im Cockpitbereich geknickt gewesen. Gebrannt habe das Flugzeug aber nicht, obwohl Kraftstoff austrat.

Das Flugzeug: Fehlfunktion am Transponder?

Mittag und Martin waren in einem 24 Jahre alten Flugzeug unterwegs, das bereits 4.600 Flugstunden - umgerechnet etwa 191 Tage - absolviert hatte. Die letzte technische Überprüfung fand erst im Sommer 2021 statt. Das Besondere an Ultraleichtflugzeugen: Sie sind mit Rettungsschirmen ausgestattet, die etwa bei einem Triebwerksausfall Flugzeug und Insassen sicher auf den Boden bringen sollen. Auch Mittags Maschine hatte solch ein Rettungssystem. Laut BFU war der Auslösegriff vor dem Absturz aber nicht gezogen worden.

Ob ein technisches Problem zum Absturz führte, lässt sich offenbar nur schwer feststellen: Das Wrack habe zwar vollständig geborgen werden können, heißt es in dem Bericht. Durch den hohen Zerstörungsgrad habe die Funktion der Steuerung aber nicht im Detail nachvollzogen werden können.

Klar ist dagegen, dass der Transponder des Flugzeugs schon einige Tage vor dem Unglück eine Fehlfunktion hatte. Das habe zumindest ein Mithalter der Maschine gesagt. Solch ein Transponder verrät Fluglotsen die Position des Fliegers. Außerdem kann das Gerät Notsignale senden. Ob der Transponder nun funktionierte oder nicht, wird im Bericht nicht erwähnt. Allerdings hatte Mittag vor dem Aufprall offenbar versucht, einen Notfallcode in das Gerät einzugeben. Außerdem hatte Mittag einen Notsender dabei.

Laut Deutscher Flugsicherung habe es während des gesamten Fluges weder einen Sprechfunk- noch einen Radarkontakt mit dem Piloten bzw. dem Flugzeug gegeben.

Das Wetter: Dichte Wolkendecke und Nebel

Aufnahmen einer Wetterkamera etwa zwei Kilometer von der Unglücksstelle entfernt haben laut BFU gezeigt, dass die Wolken im Bereich der Unfallstelle auflagen, als das Flugzeug abstürzte. Die Sicht war also schlecht, Mittag und Martin konnten aus ihrer Reiseflughöhe höchstwahrscheinlich nicht den Boden erkennen.

Die Insassen: Mittag telefonierte nach dem Absturz noch

Eberhard Mittag war seit 22 Jahren Pilot und besaß eine Passagierflugberechtigung. Zu ihm gelang nach dem Absturz noch ein telefonischer Kontakt. Zunächst waren es aber die Angehörigen der beiden Insassen, die am Abend die Polizei über die beiden Vermissten verständigten. Nachdem die Suchmaßnahmen um 21.45 Uhr eingeleitet wurden, konnte Mittags Handy schließlich geortet werden. "Um 22.45 Uhr wurde der Pilot telefonisch erreicht", heißt es in dem Zwischenbericht. "Und er gab an, dass er in schlechter körperlicher Verfassung sei und nicht wisse, wo er sich befinde."

Klaus Martin (links) und Eberhard Mittag verloren bei dem Flugzeugabsturz ihr Leben.
Klaus Martin (links) und Eberhard Mittag verloren bei dem Flugzeugabsturz ihr Leben. © Rene Meinig, Sven Ellger

Erst am nächsten Tag, um drei Uhr nachts, erreichten Rettungskräfte das Wrack. Die beiden Flugzeuginsassen hätten zu diesem Zeitpunkt nur noch tot geborgen werden können. Die zwei Männer seien bei dem Aufprall schwer verletzt worden. Eine Obduktion ergab, dass Klaus Martin an den mehrfachen Beinverletzungen starb. Für Eberhard Mittag gibt der Bericht keine Todesursache an.

Die Absturzursache: War das Wetter schuld?

Da es sich um einen Zwischenbericht handelt, wird noch keine definitive Absturzursache genannt. Die BFU fasst das Unglück bis jetzt wie folgt zusammen: "Im Reiseflug flog das Ultraleichtflugzeug in IMC-Bedingungen (Wetterbedingungen, die das Fliegen nach Instrumenten anstatt nach Sicht erforderlich machen, Anm. d. Red.) ein und geriet in eine unkontrollierte Fluglage."

Ob das Wetter tatsächlich die ausschlaggebende Ursache für den Absturz war, ist noch unklar. Zumindest hatte laut Staatsanwaltschaft Passau ein vorläufiges Gutachten im August ergeben, dass es keine technischen Probleme gab. "Das vorläufige technische Gutachten geht von Orientierungsproblemen aus", hieß es damals.