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Mehr Altersarmut und Einsamkeit - so hart trifft die Krise die Menschen in Gorbitz

Durch die steigenden Preise spitzt sich die finanzielle Situation für viele Dresdner zu. Kriminalität und Altersarmut sind die Folgen. Sozialarbeiter Daniel Großer erzählt aus seinem Berufsalltag in Gorbitz.

Von Julia Vollmer
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Die steigenden Preise für Energie und Lebensmittel treffen vor allem Ältere, die nur wenig Rente haben. Das trifft besonders auf den Dresdner Stadtteil Gorbitz zu.
Die steigenden Preise für Energie und Lebensmittel treffen vor allem Ältere, die nur wenig Rente haben. Das trifft besonders auf den Dresdner Stadtteil Gorbitz zu. © Symbolfoto: dpa/Sebastian Kahnert

Dresden. "Die Zahl der Kontakte, die wir haben, ist zuletzt stark angestiegen in der Krise", sagt Daniel Großer. Er ist Streetworker und mit seinen Kollegen in den Gorbitz und Prohlis unterwegs. Die Sozialarbeiter von Safe DD arbeiten mit Menschen mit Suchterkrankungen und Wohnungslosen und Frauen und Männer, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind.Tatsächlich erscheint ihre Arbeit derzeit nötiger denn je: Die Rechnung an der Supermarktkasse wird höher, die Abschlagszahlungen für Strom und Gas auch. Viele Dresdner sorgen sich, wie sie ihre Rechnungen noch bezahlen sollen. Besonders brenzlig ist die Situation für jene, die ohnehin einen gering bezahlten Job haben oder ihre Arbeit verloren haben und von Sozialleistungen leben. Viele davon leben hier in Prohlis und Gorbitz.

Schon 2021 hatten Großer und seine Kollegen über 600 Adressaten, denen sie bei Behördengängen oder bei der Suche nach einem Therapieplatz geholfen haben. "Wir bemerken einen großen Anstieg beim Konsum von Substanzen, vor allem beim Alkohol – auch hier in Gorbitz", sagt er.

"Großer Anstieg beim Alkoholkonsum": Sozialarbeiter Daniel Großer am Amalie-Dietrich-Platz. Hier in Gorbitz spitzen sich die Probleme der Menschen aufgrund der Energiekrise zu.
"Großer Anstieg beim Alkoholkonsum": Sozialarbeiter Daniel Großer am Amalie-Dietrich-Platz. Hier in Gorbitz spitzen sich die Probleme der Menschen aufgrund der Energiekrise zu. © Sven Ellger

Die Menschen seien verzweifelt, ob der steigenden Preise und Mieten und flüchteten sich in den Alkohol, um die "Sorgen wegzuspülen". 70 bis 80 Prozent von Großers Klienten sind männlich. "Viele davon zwischen 40 und 59 Jahre alt, immer mehr auch im Rentenalter."

Probleme mit Alkoholsucht nehmen zu

Streetworker Daniel Großer ist in Gorbitz unterwegs, am Amalie-Dietrich-Platz und Merianplatz und in den umliegenden Hochhaussiedlungen. Die Mitarbeiter sprechen Menschen, die sich draußen treffen, an, um ihnen zuzuhören und zu helfen. "Altersarmut und Einsamkeit nehmen zu." Doch die Landesförderung für das Projekt Safe DD, das auch Streetworker in Alt- und Neustadt stellt, läuft aus. Es müsste also nun über den Stadthaushalt gefördert werden. In den Verhandlungen wird nun darum gerungen.

Nicole Kreißl, Quartiersmanagerin in Gorbitz, wünscht sich, dass die Sozialarbeitenden weiter für ihren Kiez erhalten bleiben. "Wir brauchen sie dringend hier, der Bedarf ist sehr groß hier und die Menschen brauchen lange, bis sie Vertrauen zu den Streetworkern aufbauen", sagt sie.

Man könne den Gorbitzern nicht immer neue Ansprechpartner vor die Nase setzen. Einige der Frauen und Männer, die ihren Job verloren haben, hätten große Scham vor Behörden. "Hier brauchen wir niedrigschwellige Angebote an Hilfe vor Ort", so Kreißl. "Wohnungslosigkeit und Schulden steigen in dem Stadtteil. Viele haben Angst, dass sich das in der aktuellen Krise noch verschärft."

Die Quartiersmanagerin berichtet, dass es bereits eine erhöhte Kriminalität in Gorbitz gebe. Außerdem gibt es Beschwerden von den Grundschulen am Amalie-Dietrich-Platz und Merianplatz: Die Kinder würden sich oft nicht sicher fühlen.

Mehr armutsgefährdete Haushalte in Gorbitz

Auch das Sozialamt bestätigt auf SZ-Anfrage die steigenden Problemlagen in Gorbitz. Denn ein großer Teil der Menschen in Dresden, die als armutsgefährdet gelten, leben in Gorbitz. 2020 lebten nach Angaben der Kommunalen Statistikstelle etwa 78.700 Menschen mit Armutsrisiko in Dresden, diese leben in 51.100 Haushalten. Der Anteil der armutsgefährdeten Haushalte in Gorbitz stieg dabei von 26 Prozent in 2018 auf 33 Prozent in 2020.

Zu den Zahlen für 2021 und 2022 kann das Amt noch keine Angaben machen. Nach der EU-Definition gilt als armutsgefährdet wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zum Leben hat.

Grundsätzlich entstünden soziale Probleme in Stadträumen, "wo wenig soziale Mischung der Bevölkerungsstruktur hinsichtlich des sozialen Status, des Alters und der Herkunft gegeben ist", so das Sozialamt. Insbesondere dann, wenn es etwa zu einer Konzentration von Haushalten mit niedrigen Einkommen komme. "Gorbitz weist einen höheren Anteil an SGB II-Empfängern sowie an Empfängern von Sozialgeld auf als der stadtweite Durchschnitt", so die Stadt.

Der Anteil arbeitsloser Jugendlicher sowie die Anzahl von Alleinerziehendenhaushalten seien ebenfalls überdurchschnittlich hoch. "In den Stadtbezirken Prohlis und Cotta (Gorbitz) finden sich mit jeweils etwa 22 Prozent die höchsten Anteile an Menschen aus dem Kontext Flucht und Asyl."

"Fahrschein in die Innenstadt ist zu teuer für viele"

Es ist also dringend nötig, weiter Hilfe für Ort für die Menschen anzubieten. Das weiß auch Marit Kunis-Michel, Leiterin der Städtischen Bibliotheken, die sich seit Jahren dafür einsetzt, dass ihre Standorte in Gorbitz und Prohlis erhalten bleiben und die Öffnungszeiten in Prohlis auch am Sonntag bleiben. "Zum Ausleihen der Bücher, aber auch als kulturelle Zentren vor Ort. Ein Fahrschein in die Innenstadt ist für viele Einwohnende dort einfach zu teuer", sagt sie.