SZ + Dresden
Merken

Hauptbahnhof unter Wasser: So erlebte ein Dresdner 2002 die Flut

Als 2002 die Flut kam, fuhr Ingo Flemming auf dem Rad durch Dresden, um die Katastrophe zu dokumentieren. Sächsische.de zeigt seine Fotos.

Von Dirk Hein
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Es war der 13. August 2002, als die Flut Dresden uner Wasser setzte. Ingo Flemming fuhr damals mit dem Rad los, um die Katastrophe zu dokumentieren.
Es war der 13. August 2002, als die Flut Dresden uner Wasser setzte. Ingo Flemming fuhr damals mit dem Rad los, um die Katastrophe zu dokumentieren. © Ingo Flemming/Christian Juppe

Dresden. "Wenn man in den Baugruben der Innenstadt die Container schwimmen sieht, wenn das Wasser meterhoch aus dem Hauptbahnhof herausläuft, dann ist das schon bizarr. Als Bauingenieur wusste ich sofort, was das für immense Schäden sein werden. Im Bahnhof drinnen konnte gar nichts mehr funktionieren", sagt Ingo Flemming. Flemming ist heute 55 Jahre alt und sitzt für die CDU im Dresdner Landtag.

Von der Flut in Dresden überrascht

2002 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dresden - und wollte am Morgen des 13. August eigentlich nur mit dem Rad auf die Arbeit fahren. "Ich kam aus Cotta und musste an der Weißeritz vorbei in Richtung Nürnberger Ei. Damals wussten wir noch nicht, welche Flut da gerade auf Dresden zukommt. Mir war nur klar, dass ich nicht trockenen Fußes weiterkomme."

Mit ausgezogenen Schuhen, hochgekrempelter Hose und ohne Socken bahnt sich Flemming seinen Weg auf die Arbeit, hielt es an diesem Tag dort aber nicht lange aus. Mit Erlaubnis seines damaligen Chefs fuhr er in Richtung Innenstadt. Flemming fotografierte ein komplett überflutetes Wiener Loch, einen vom Wasser eingeschlossenen Hauptbahnhof mit gefluteten Zügen, er machte Bilder vom Landtag, von der Semperoper und vom Blick in die Ostra Allee.

"Wie lange hat Dresden noch Strom?"

Für Flemming eine surreale Situation. "Es war nicht absehbar, wie es weitergeht. Wie lange hat Dresden noch Strom? Steht die Lebensmittelversorgung? Können die Krankenhäuser arbeiten - und wie komme ich an diesem Tag eigentlich wieder nach Hause?"

Der damals noch unsanierte Erlweinspeicher, das heutige Maritim-Hotel, während der Flut.
Der damals noch unsanierte Erlweinspeicher, das heutige Maritim-Hotel, während der Flut. © Ingo Flemming
Auch das Terrassenufer war komplett überflutet.
Auch das Terrassenufer war komplett überflutet. © Ingo Flemming
Die Prager Straße während der Flut.
Die Prager Straße während der Flut. © Ingo Flemming
Hans-Joachim Hönig, Astrit und Ingo Flemming (v. l.) als Helfer nach der Flut.
Hans-Joachim Hönig, Astrit und Ingo Flemming (v. l.) als Helfer nach der Flut. © Ingo Flemming
Der Dresdner Hauptbahnhof versank in der Flut.
Der Dresdner Hauptbahnhof versank in der Flut. © Ingo Flemming

Flemming fotografierte einmal um zehn Uhr und dann später um 13 Uhr und 17 Uhr die verschiedenen Ausmaße der Flutkatastrophe. Am 16. und 17. August war er dann erneut mit dem Rad unterwegs, vor allem entlang der Weißeritz zwischen Dresden und Freital.

Entstanden sind Bilder, die aus heutiger Sicht fast schon surreal wirken. Die komplette Prager Straße war überflutet. Wo heute täglich zehntausende Autos durch den Tunnel am Wiener Platz fahren, schien damals ein neu angelegter See Schaulustige anzuziehen.

Als Paparazzi verjagt

Die Situation damals war unübersichtlich und auch geprägt von Angst. Als Flemming an der Weißeritz unterwegs war, gab es "Horrormeldungen, die Malter wäre geflutet. Es fuhren in Freital schon die Lautsprecherwagen durch die Stadt: Die Malter wäre gebrochen, die Leute sollen sich in Sicherheit bringen." Flemming wollte die Ausmaße der Flutkatastrophe dokumentieren, geriet dennoch unbeabsichtigt in zumindest unangenehme Situationen. "Zwischendurch bekam ich richtig Ärger. Ich wollte Leute fotografieren, die vor ihren Häusern schon wieder am Aufräumen waren und wurde fortgejagt: 'Paparazzi hau ab'. Das habe ich dann auch sofort gelassen."

Die Wöhrl-Tiefgarage an der Prager Straße.
Die Wöhrl-Tiefgarage an der Prager Straße. © Ingo Flemming
Als das Wasser verschwunden war, wurden entlang der Weißeritz enorme Schäden sichtbar.
Als das Wasser verschwunden war, wurden entlang der Weißeritz enorme Schäden sichtbar. © Ingo Flemming
Wie eine Fontäne sprudelte das Wasser aus dem Hauptbahnhof ins Freie.
Wie eine Fontäne sprudelte das Wasser aus dem Hauptbahnhof ins Freie. © Ingo Flemming
Die Situation nach der Flut an der Bienertmühle.
Die Situation nach der Flut an der Bienertmühle. © Ingo Flemming
Dieses Haus an der Weißeritz musste abgerissen werden.
Dieses Haus an der Weißeritz musste abgerissen werden. © Ingo Flemming

Was Flemming bis heute fasziniert und nachdenklich macht: "Erst, wenn das Wasser da ist, sieht man was hoch und was niedriger liegt. Ich war teilweise überrascht, was überflutet war und was nicht." Dresden habe daraus gelernt und extrem detailreiche Hochwasserkarten digital erstellen lassen.

Seine Bilder hat Flemming sauber beschriftet und abgelegt. Als sich im vergangenen Jahr die Flut zum 20. Mal jährte, wollte er die Bilder eigentlich dem Stadtarchiv übergeben. "Ich war zur Eröffnung der Sonderausstellung im Stadtarchiv und hatte damals Archivdirektor Thomas Kübler von meinen Bildern erzählt. Der war sofort begeistert, seither scheiterte es aber immer am Termin."

"Unverzichtbare private Quellen"

Der wurde nun endlich gefunden. Am Donnerstag übergab Ingo Fleming seine Sammlung an Flut-Bildern dem Dresdner Archiv. "Noch mehr als zwanzig Jahre nach der Flut erreichen das Stadtarchiv immer wieder persönliche Dokumente zu den Flutereignissen", sagt dazu Thomas Kübler.

Gerade nach der Ausstellung zur Flut, die vom August 2022 bis zum Jahresende gezeigt wurde, übergaben laut Kübler viele Dresdner, motiviert durch die Wiederbegegnung mit den Ereignissen von damals, dem Archiv ihre persönlichen Dokumente. "Diese sind eine unverzichtbare private Quelle, welche die Betroffenen deutlich in ihrer damaligen Situation zeigen und ihre Emotionen widerspiegeln", so Thomas Kübler.