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Hunderte Dresdner Kinder werden später eingeschult

Meistgelesen: Sie haben Probleme beim Sprechen, der Konzentration oder bei der körperlichen Entwicklung. In diesem Jahr ist durch Corona auch sonst vieles anders.

Von Nora Domschke & Julia Vollmer
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Manche Dresdner Kinder müssen noch ein Jahr länger warten mit dem Schulanfang.
Manche Dresdner Kinder müssen noch ein Jahr länger warten mit dem Schulanfang. © dpa-Zentralbild

Dresden. In Coronazeiten ist in den Dresdner Schulen vieles anders. Was gleich bleibt, ist die Einschulung für die neuen Erstklässler am 4. September. Doch nicht alle Kinder, die in diesem Jahr vom Alter her dran wären, bekommen an diesem Tag ihre Zuckertüte. Bei einigen haben die Ärzte empfohlen, noch ein Jahr länger in den Kindergarten zu gehen.

Wie viele Kinder sollen später in die Schule kommen?

Über 400 Dresdner Familien pro Jahr bekommen inzwischen die Empfehlung, ihre Kinder ein Jahr später einschulen zu lassen. Im Einschulungsjahr 2019 betraf das 425 und im Einschulungsjahr 2020 immerhin 414 Kinder. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2010/11 waren es noch 256. Allerdings relativiert sich der Anstieg etwas, da es auch jährlich mehr Schüler gibt.

Die Schulaufnahmeuntersuchungen finden im Zeitraum von September bis Januar des Vorschuljahres statt. Die Ärzte geben nur eine Empfehlung bei der Pflichtuntersuchung, die finale Entscheidung treffen Grundschulleiter und Eltern. Und dem Rat der Ärzte wird durchaus nicht immer gefolgt, wie das Gesundheitsamt bestätigt. "Unsere Empfehlungen als Ergebnis der Schulaufnahmeuntersuchung decken sich nur zum Teil mit den tatsächlichen Rückstellungen."

An diesem Mittwoch teilt das Dresdner Gesundheitsamt mit, dass alle angehenden Schulanfänger inzwischen untersucht werden konnten. Das Fazit: Das Pandemie-Jahr sei auch für die künftigen Schulanfänger ein besonderes, denn sie waren von langen Kita-Schließungen betroffen.

Insgesamt wurden 6.200 Dresdner Kinder untersucht, trotz der Herausforderungen, die das Gesundheitsamt derzeit stemmen muss, konnte die Untersuchungen nun rechtzeitig abgeschlossen werden, so Amtsleiter Frank Bauer. Die Abteilungsleiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes, Natalie Schmitt, konnte in den letzten Monaten beobachten, dass viele Dresdner Eltern Gesprächsbedarf zur Entwicklung ihrer Kinder hatten. Auch, weil Elterngespräche in den Kitas und viele U-Untersuchungen beim Kinderarzt im vergangenen Jahr nicht stattfanden.

"Umso wichtiger war es, sich die Kinder im Rahmen der Schulaufnahmeuntersuchung genau anzusehen", so Schmitt. Mit den Eltern wurde besprochen, wie das Kind daheim oder in einer Therapie gefördert werden kann und etwa ein Augenarzt das Kind noch einmal eingehender untersuchen soll. "Die Kinder sollen ausreichend gefördert und fit für die Schule sein, möglichen Defiziten muss rechtzeitig begegnet werden."

Wie viele Dresdner Kinder tatsächlich ein weiteres Jahr die Kita besuchen und den Schuleingang auf das kommende Jahr verschieben, erfährt das Gesundheitsamt erst im Juni.

Was waren die häufigsten Gründe für eine Rückstellung?

Im Einschulungsjahr 2020 wurde bei 2,9 Prozent der Kinder eine Rückstellung aus geistig und sprachlichen Gründen empfohlen. Bei 4,8 Prozent waren es psychosoziale Gründe und bei 0,9 Prozent medizinische.

Zu den häufigsten Begründungen gehörte, dass das Kind als Frühgeburt geboren wurde und daher noch Probleme habe, zudem eine nicht altersentsprechende emotionale Reife, schwerwiegende Erkrankungen und erheblich unterdurchschnittlich ausgeprägte vorschulische Fertigkeiten. "Das Ziel einer Rückstellung mit entsprechender förderlicher Nutzung des zusätzlichen Vorschuljahres soll immer das Schaffen bestmöglicher Voraussetzungen für einen glücklichen Start ins Schulleben sein", so das Gesundheitsamt.

Was wird bei der Untersuchung zum Schuleingang geprüft?

Im Herbst vor der Einschulung müssen die Kinder zur Untersuchung beim Kinder-und Jugendärztlichen Dienst. Neben der körperlichen Untersuchung einschließlich Größen- und Gewichtsmessung sowie einem Seh- und Hörscreening werden mit einem standardisierten Screening alle für den Schulstart wichtigen Fähigkeiten in spielerischer Form ermittelt.

Dazu zählen insbesondere: mathematisches Vorwissen wie Mengenvergleiche, feinmotorische Fertigkeiten wie Stifthaltung und kognitive Fähigkeiten wie logische Zusammenhänge erkennen. Außerdem schauen die Mediziner auf die Sprache, Konzentrationsfähigkeit, selektive Aufmerksamkeit und Körperkoordination. Beobachtet werden die Arbeitsweise sowie der psychosoziale Entwicklungsstand.

Die Untersuchung findet im Beisein mindestens eines Elternteils statt. Die Ergebnisse werden mit den Eltern ebenso besprochen, wie die daraus resultierende ärztliche Empfehlung in Bezug auf den Schulbesuch, die Schulform oder der eventuelle Einsatz von Logopädie oder Ergotherapie.

Wie wichtig ist das Vorschuljahr in der Kita?

Im letzten Kita-Jahr werden die Kleinen in den Kitas ganz unterschiedlich auf den Schulalltag vorbereitet. Zwar gibt es einen Bildungsauftrag für die letzten zwei Kita-Jahre - wie das umgesetzt wird, hängt aber vom pädagogischen Konzept der einzelnen Einrichtungen ab. Um die angehenden Schüler gut durch das Vorschuljahr zu begleiten, ist aber zumindest festgelegt, dass die Kitas in diesen zwei Jahren mehr Mitarbeiter einsetzen müssen, um etwa Ausflüge in Museen zu ermöglichen.

Weiß man, ob es mehr Zurückgestellte gibt?

Anja Kuhnert, die für die Kitas der Johanniter zuständig ist, kann nicht bestätigen, dass in diesem oder im vergangenen Jahr mehr Kinder in ihren Einrichtungen vom Schuleingang zurückgestellt wurden. Auch nicht in den anderen sächsischen Kitas des Trägers. Darauf hätten Eltern ohnehin wenig Einfluss, so Kuhnert. Wenn bei der Vorschuluntersuchung keine zwingenden Gründe für eine Rückstellung ermittelt würden, werde das Kind in der Regel normal eingeschult.

Auch Annegret Kupke, die das Kinderhaus Jona in Laubegast leitet, bestätigt, dass bei ihr alle Kinder wie geplant eingeschult werden und keines der Kinder ein weiteres Kita-Jahr dranhängen muss. Dennoch seien die Bedingungen derzeit im eingeschränkten Regelbetrieb eine große Herausforderung, auch bei der pädagogischen Betreuung der Vorschulkinder.

Was ändert sich durch Corona in der Vorbereitung?

Das Kita-Konzept rücke hinter das Hygiene-Konzept, sagt Annegret Kupke. Das mache sich vor allem beim Personal bemerkbar. So dürften die Kollegen nur eine festgelegte Gruppe betreuen. Das Konzept im Kinderhaus Jona sieht eigentlich vor, dass Kinder aus allen Altersgruppen gemeinsam betreut werden. In normalen Zeiten haben die Vorschulkinder täglich von 12 bis 14.30 Uhr eine gemeinsame Zeit, in der sie spielen, basteln und einfach unter sich sind. "Da wir die Gruppen momentan nicht mischen dürfen, haben wir unser Konzept geändert. Die Vorschulkinder werden in einer eigenen Gruppe betreut." Bei 21 Kindern und den erheblichen Einschränkungen, die derzeit gelten - etwa bei der Zeit, die sie im Freien verbringen dürfen - sei das für die Erzieher aber gar nicht so leicht.

Auch Ausflüge in die Gemäldegalerie, zur Feuerwehr oder auf den Flughafen sind derzeit nicht möglich. Eine entsprechende Vorbereitung auf die Schule, wie sie normalerweise mit dem sogenannten Zahlenland passiert, bei dem die Kinder mit Größen und Mengen vertraut gemacht werden, findet kaum statt, weil der zuständige Kollege seine Gruppe nicht wechseln darf. "Aber wir machen das Beste daraus, auch wenn unsere Arbeit derzeit mehr als schwierig ist", sagt Annegret Kupke. Trotz der Umstände sieht sie ihre Vorschulkinder gut auf die Schulzeit vorbereitet.

Das Gesundheitsamt hat zur Information über die Schulaufnahmeuntersuchung für künftige Schulkinder, ihre Eltern und Erzieher ein Kinderheft herausgegeben. Unter dem Titel "Emil kommt zur Schule" wird der Ablauf eines Vorschuljahres erklärt. Infokästen zum Kauf eines passenden Schulranzens und zur Stifthaltung ergänzen die Geschichte.

Alle Informationen zu den Untersuchungen und zum Heft gibt es unter www.dresden.de/schau.

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