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Unterbringung von Geflüchteten in Dresden: "Das Damoklesschwert der Turnhallen-Nutzung schwebt über uns"

Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) über die Suche nach Container-Standorten, die Kosten für die Unterbringung und warum das Rathaus bei den Wohngeld-Anträgen so im Verzug ist.

Von Julia Vollmer
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Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann spricht im Sächsische.de-Interview über die aktuelle Situation in Dresden.
Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann spricht im Sächsische.de-Interview über die aktuelle Situation in Dresden. © Sven Ellger

Dresden. 2.200 Geflüchtete in Summe erwartet Dresden neu in diesem Jahr. Lange wurde eine teils mit rassistischen Vorurteilen aufgeladene Debatte über die Unterbringung der Menschen geführt. Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) spricht nun über den aktuellen Stand.

Frau Kaufmann, die Stadt braucht dringend Plätze, um die Geflüchteten, die erwartet werden, unterzubringen. Die Ortschaften sollten bis Ende Mai Vorschläge machen für Standorte. Sind Ihnen inzwischen Vorschläge bekannt?

Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat die Ortschaften aufgefordert, Vorschläge zu machen und an das Hochbauamt zu senden. Bisher liegen mir allerdings keine Informationen zu Objekten vor, die wir 2023 nutzen können.

"Geflüchtete haben Schwierigkeiten, eigenen Wohnraum zu finden"

Aber sollten sich der Aufgabe, Geflüchtete unterzubringen, nicht alle Beteiligten stellen? Zumal ja drei Standorte, an denen eigentlich Container aufgestellt werden sollten, vom OB wieder verworfen wurden mit der Bedingung, andere Vorschläge zu machen…

Wir haben die Mehrzahl der Ortschaften 1999 eingemeindet und ich finde es befremdlich, dass sich die Ortschaften offenbar noch immer nicht als Teil Dresdens empfinden. Wir haben gemeinsame Pflichten wie die Unterbringung der Menschen. Stattdessen vorzuschlagen, Zelte in den Alaunpark zu stellen, ist an Populismus kaum zu überbieten. Dort wo Dresdner gut leben können, warum dürfen dies geflüchtete Menschen nicht?

Wie lange reichen die Platzkapazitäten, bevor geflüchtete Menschen in der Messe oder in Turnhallen untergebracht werden müssen?

Wir haben eine Taskforce im Rathaus gegründet, die für ausreichend Plätze sorgen soll. Nach jetzigem Stand kommen wir bis Oktober mit unseren Plätzen hin. Die Landesdirektion Sachsen, die Geflüchtete zuweist, arbeitet aktuell nur mit einem Planungsvorlauf von sechs Wochen. Der Herbst wird definitiv herausfordernd.

Und so ein Container wird ja auch nicht über Nacht aufgebaut…

Das ist der Punkt. Zwischen Aufbau eines Objektes und Nutzung liegen jede Menge Arbeitsschritte. Jeder für sich braucht Zeit. Hinzu kommt die Situation am Wohnungsmarkt. Geflüchtete haben Schwierigkeiten, eigenen Wohnraum zu finden.

Notkapazitäten in Hotels "verdammt teuer für die Kommune"

Was heißt das genau? Sie sprachen zuletzt davon, dass auch Menschen mit einem Aufenthaltsstatus in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden müssen, weil es einfach nicht gelingt, Wohnraum zu finden.

So ist es. Aktuell leben über 940 Menschen in einer städtischen Unterkunft, obgleich sie in einer Wohnung leben dürften. Es mangelt schlicht an geeignetem und bezahlbarem Wohnraum. Die Konsequenz ist, dass wir auf Notkapazitäten in Hotels und Interimsunterbringungen setzen müssen. Das ist nicht nur eine belastende Situation für die einzelne untergebrachte Person, sondern vor allem auch verdammt teuer für die Kommune.

Von welchen Kosten sprechen wir hier konkret?

Die Unterbringung im Hotel schlägt mit durchschnittlich 110 Euro pro Person und Nacht zu Buche. Wir übernehmen die Kosten des Einsatzes von Sicherheitsdiensten und auch die gesetzlich verpflichtende Verpflegung gestaltet sich aufwendig und teuer. Besser und zugleich preiswerter ist es, den Geflüchteten die Selbstversorgung zu ermöglichen. Zum Vergleich: Der Platz in einer durch die Kommune angemieteten Gewährleistungswohnung kostet etwa 12 Euro pro Nacht.

Gleichwohl kommen wir an diesen sozialpolitisch nicht akzeptablen Notkapazitäten derzeit nicht vorbei. In den Heimen liegt die Auslastung derzeit bei 92 Prozent. Um es klar zu sagen: Das Damoklesschwert der Nutzung von Messe oder Turnhallen schwebt weiter über uns. Wir sind in Gesprächen mit der Landesebene, die Gespräche mit den Ortschaften werden fortgeführt, die Suche nach Wohnraum und Unterbringungsplätzen in der Stadt hält an.

"Die Dresdner Tafel wird überrannt"

Beschlossen wurden vom Stadtrat sechs Standorte: in Niedersedlitz , in Seidnitz, in Strehlen, in Gorbitz, in Trachau und in der Altstadt. Wann werden die ersten Container bezogen?

Die ersten kleineren Standorte wie die Industriestraße sollen im November an das Sozialamt übergeben werden. Standorte, bei denen der Stadtrat Veränderungen gefordert hat wie am Sachsenplatz, kommen später.

Was ist aus den Plänen geworden, Platzreserven für die Unterbringung zu schaffen?