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Mit Stiefmütterchen und Bratwurst: Wagenknecht-Bündnis und Zastrow werben um Unterschriften

Fünf Parteien und Wählervereinigungen buhlen um die Gunst der Dresdner. Weil sie nicht im Stadtrat und in keinem Parlament vertreten sind, müssen sie Unterstützer finden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit - und manchmal mit Würstchen.

Von Andreas Weller
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Kampf um jede Wählerstimme: Regina Rullmann (l.) von den "Dissident:innen" gibt Nadine (Mitte) und Sabine Fischer in Dresden Stiefmütterchen.
Kampf um jede Wählerstimme: Regina Rullmann (l.) von den "Dissident:innen" gibt Nadine (Mitte) und Sabine Fischer in Dresden Stiefmütterchen. © Matthias Rietschel

Dresden. 14, 56, 59: Die Zahlen sind Zwischenstände. Wahlvereinigungen und Kleinstparteien dürfen bei der Kommunalwahl in Dresden nur dann antreten, wenn sie ausreichend Unterstützerunterschriften bekommen. Deshalb stehen an diesem Dienstag Anhänger der "Wahlplattform Dissident:innen", der Partei "Volt", des "Teams Zastrow" und des "Bündnisses Sahra Wagenknecht" (BSW) auf dem Postplatz, um eben für jene nötigen Unterschriften zu werben. Mit Überzeugungskraft, Bratwürsten und Stiefmütterchen.

Auch die rechtsextreme Kleinstpartei "Freie Sachsen" sammelt Unterschriften, ist an diesem Dienstag aber nicht auf dem Postplatz.

"Wofür steht Frau Wagenknecht denn?"

Viele Menschen kommen vorbei, gucken, informieren sich. "Viele wollen auch unterschreiben, haben aber gerade keine Zeit", sagt Andreas Uhlig am Stand vom Wagenknecht-Bündnis. "Wenn wir hier Unterschriften sammeln dürften, wären die Listen nach einer Stunde voll", ist sich Maurice Devantier sicher. Er war früher mal bei der Linkspartei und ist nun ebenfalls beim BSW. Wie die Vertreter der anderen Wahlvereinigungen kann auch er nur bei Passanten dafür werben, zu unterschreiben. Unterschrieben werden muss allerdings im Bürgeramt.

Dann kommt ein Mann aus Gorbitz, der umgehend sagt: "Unterschreiben, im Bürgeramt? Kann ich machen." Dann stiefelt er los. Wagenknecht zieht, das wissen auch die Dresdner Vertreter der neuen Partei. Eine Frau schaut kurz und erklärt sich bereit, das BSW mit ihrer Unterschrift zu unterstützen.

"Wofür steht Frau Wagenknecht denn", fragt hingegen ein anderer Passant. "Ist sie links oder rechts?" Wagenknecht sei klug, stelle sich als "Löserin der Probleme" dar. "Wo ist Wagenknecht denn rechts", will Devantier von ihm wissen. Die Antwort: "Bei der Migration". Dann muss der Mann los, seine Bahn kommt.

Gert Ruttge ist zufällig am "Volt"-Stand vorbeigekommen, sagt er. Er bekommt einen kurzen Überblick, wofür die Partei steht. Es geht um "lösungsorientierte, zukunftsgerichtete Politik in ganz Europa", sagt Sebastian Holz, der in Loschwitz/Leuben für Volt in Dresden kandidieren möchte. Das Programm für die Stadt folge noch. Holz gehe es vor allem darum, genügend bezahlbaren Wohnraum für alle Dresdnerinnen und Dresdner zur Verfügung zu stellen. "Volt" stehe außerdem für ein nachhaltiges Mobilitätskonzept in Dresden und klar gegen Rechtsextremismus.

Passant Ruttge erklärt: "Ich wünsche mir, dass die Menschen mehr miteinander reden. Ich war auch bei Pegida, um mit den Teilnehmern dort zu reden, aber das hatte keinen Sinn." Ja, es sei wichtig, dass alle Menschen einen Konsens finden, bestätigt Holz. Ruttge wiederum sagt, er findet die Idee gut, aber es seien so viele "kleine Truppen", die zur Wahl antreten wollen. "Ich gucke mir das alles mal an und kann mir vorstellen, für 'Volt' zu unterschreiben - aber ich wähle immer die Grünen."

"Dissident:innen? Kenne ich nicht, klingt aber gut"

Kleine Stiefmütterchen im Topf gibt es bei der "Wahlplattform Dissident:innen". Regina Rullmann, die in Plauen kandidieren möchte, kommt mit Nadine und Sabine Fischer ins Gespräch. Mutter und Tochter haben nicht viel Zeit, müssen noch in den Kulturpalast. Aber die Damen aus Neustadt und Strehlen hören interessiert zu und freuen sich über die Veilchen im Topf. "Dissident:innen? Kenne ich nicht", sagt Nadine Fischer zunächst. "Klingt aber gut", ergänzt ihre Mutter.

Sie wollen sich noch genauer informieren. "Für die Landtagswahl kommt das für mich nicht infrage", erklärt Nadine Fischer. "Da muss man strategisch wählen, damit nicht die AfD die Mehrheit bekommt. Aber für den Stadtrat kann ich mir vorstellen, die Dissident:innen zu unterstützen."

Das Bündnis Sahra Wagenknecht findet auch in Dresden Interessierte.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht findet auch in Dresden Interessierte. © Matthias Rietschel
Gert Ruttge informiert sich bei Sebastian Holz (l.) und Anke Köhler von der Partei Volt.
Gert Ruttge informiert sich bei Sebastian Holz (l.) und Anke Köhler von der Partei Volt. © Matthias Rietschel
Holger Zastrow grillt, weil es für seine Wahlinitiative um die Wurst gehe.
Holger Zastrow grillt, weil es für seine Wahlinitiative um die Wurst gehe. © Matthias Rietschel
Rund um den Postplatz standen an diesem Dienstag gleich vier Info-Stände, an denen um Unterstützung gebuhlt wurde.
Rund um den Postplatz standen an diesem Dienstag gleich vier Info-Stände, an denen um Unterstützung gebuhlt wurde. © Matthias Rietschel

"Jetzt haben wir uns eine Wurst verdient"

Nicht zufällig, sondern ganz gezielt sind Petra und Christian Löser an diesem Nachmittag zum Stand vom "Team Zastrow gekommen. Der FDP-Aussteiger Holger Zastrow grillt auf dem Postplatz - oder lässt die meiste Zeit grillen. Bratwürste, weil es "um die Wurst" gehe. Die wird an Menschen verteilt, die mit Zastrow und seinem Team ins Gespräch kommen. Das Ehepaar Löser kennt Zastrow von der Hofewiese, "außerdem sind wir Kollegen, wir haben auch eine Werbeagentur", erläutert Christian Löser. "Der Ansatz ist wichtig und es ist eine gute Idee, Leute, die etwas bewegen wollen, zu vereinen.

Es gehöre Mut dazu, sich auf seinen eigenen Weg zu machen, wie Zastrow nach 30 Jahren in der FDP, sagt Petra Löser. Und ihr Mann ergänzt scherzhaft: "Wir haben schon unterschrieben, und jetzt haben wir uns eine Wurst verdient."

Aktuell haben laut den Angaben der Vertreter an den Ständen "Volt" 14 Unterschriften zusammen, BSW hat 56, bei Zastrow sind es 59 und die "Dissident:innen" wollen keine genaue Zahl nennen. "In einigen Wahlkreisen haben wir bereits die notwendigen Unterschriften zusammen", sagt ihr Stadtrat Johannes Lichdi. "In anderen ist es erwartungsgemäß schwierig, wie in Prohlis und Gorbitz. Aber wir haben ja noch etwas Zeit."

Unterschriften müssen bis 4. April gesammelt werden

Die Wahlvorschläge, die noch nicht im Rat oder im Landtag vertreten sind, benötigen in jedem der elf Dresdner Wahlkreise 22 Unterstützerunterschriften. Die Unterzeichner müssen in dem Wahlkreis wohnen. Nur in den Wahlkreisen, in denen ausreichend Unterschriften - die nur im Bürgeramt auf der Theaterstraße geleistet werden können - gesammelt wurden, können die Wahlvereinigungen und Parteien dann im Juni gewählt werden.

Einige treten auch zu den Stadtbezirksbeirats- und Ortschaftsratswahlen an, die parallel stattfinden. Dafür werden zum Teil mehr Unterschriften benötigt, die Anzahl hängt von der Einwohnerzahl ab. Die Unterstützerunterschriften müssen bis zum 4. April, 18 Uhr geleistet werden. Der Gemeindewahlausschuss tagt am 11. und 12. April und entscheidet, wer wo zugelassen ist.